Bayer-Fusion: „Verhindern stand nicht im Raum”

Versäumnisse der EU-Komission

Bayer hat Monsanto übernommen. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft hat in dem europäischen Fusionskontroll-Verfahren versucht, die Interessen von Bäuerinnen und Bauern zu vertreten. Inwieweit ist das gelungen und was ist nun zu erwarten?

Portrait Annemarie Volling

Foto: Marlene Herzog

Die Übernahme des US-amerikanischen Gentechnik-Konzerns Monsanto durch den deutschen Chemie-Konzern Bayer ist in trockenen Tüchern. Ein guter Tag für Bäuerinnen und Bauern?

Nein, bestimmt nicht! Leider war das so zu erwarten. Die Europäische Kommission hat relativ früh klargemacht, dass sie der Übernahme zustimmen würde. Im Grunde ging es nur um die Frage, unter welchen Auflagen diese genehmigt werden konnte. Verhindern stand nicht im Raum. Damit hat die Kommission eine große Chance vertan. Bayer ist nun Nummer eins der Agrargiganten mit einem Marktanteil von jeweils 27 Prozent bei Saatgut und Pflanzenschutzmitteln weltweit, sowie von 25 Prozent der erteilten Patente auf Saatgut. Zudem besitzt der Konzern einen Großteil der digitalen Agrartechnik. Bäuerinnen und Bauern drohen Preisdiktate, eine weitere Einengung der Sortenauswahl, mehr Abhängigkeiten und eine Verschärfung der Patentsituation. Es wird weniger Wettbewerb und mehr konzerngesteuerte Innovationen geben. Dies hätte kartellrechtlich und politisch verhindert werden müssen. Wir, die AbL, haben unsere Bedenken als Drittpartei im Fusionsverfahren bei der EU-Kommission eingebracht. Schon jetzt können wir sagen, Bayer muss letztendlich mehr Geschäftsbereiche abgeben, als sich der Konzern ursprünglich gedacht hat.

In welchen Punkten hat die EU-Kommission Ihrer Meinung nach Chancen vertan?

Die Generaldirektion Wettbewerb der EU-Kommission hat sich darauf konzentriert, die sogenannte horizontale Integration zu bewerten. Das heißt, sie hat intensiv auf Überschneidungen von bestimmten Geschäftsbereichen geschaut. Nehmen wir als Beispiel das Saatgutgeschäft. Hier hat sich die Kommission genau aufschlüsseln lassen, wie die Marktanteile der beiden Unternehmen Bayer und Monsanto bei einzelnen Kulturen und bestimmten Anbausystemen sind, zum Beispiel Tomaten in beheizten Gewächshäusern. Eine Frage war in diesem Zusammenhang, ob andere Wettbewerber am Markt sind und wenn ja, mit welchen Anteilen. Am Ende ist sie zu der Auffassung gekommen, dass Bayer sein gesamtes Gemüse-Saatgutgeschäft - die Firma Nunhems - verkaufen muss, da es bei Gemüsesaatgut schon vorher eine Oligopolsituation mit nur ganz wenigen Anbietern gab.
Was die Kommission aber versäumt hat, ist die Verhinderung der Ausweitung der Machtkonzentration im Saatgut- und Pestizidbereich. Nach Fusionen und Übernahmen beherrschen drei Mega-Konzerne knapp 60 Prozent des weltweiten Saatgutmarktes, knapp 70 Prozent des Pestizidmarktes und knapp 50 Prozent der erteilten Patente. Diese Oligopolsituation ist durch die Zustimmung der Kommission zum Bayer-Monsanto-Geschäft verschärft worden. Sie behindert erheblich den Preis-, Produkt- und Innovationswettbewerb. Es ist hochproblematisch, dass wenige Konzerne einen so großen Anteil am Saatgut beherrschen. Durch Patente verweigern sie anderen Züchterinnen und Züchtern und auch Bäuerinnen und Bauern den Zugang zu genetischen Ressourcen. Dieser ist aber für eine standortangepasste und konzernunabhängige Saatgutzüchtung enorm wichtig.
Andererseits hat die EU-Kommission die Folgen der vertikalen Integration verschiedener Geschäftsbereiche entlang der Wertschöpfungskette nicht genügend untersucht und auch nicht eingedämmt. So hat der zweitgrößte Chemiekonzern den größten Saatgutkonzern gekauft, der zudem mit Abstand die meisten Investitionen und einen erheblichen Technologievorsprung in der digitalen Landwirtschaft hat.1 Von dieser wird angenommen, dass sie in Zukunft eine immense Bedeutung haben wird. Hinzu kommen Patente und Lizenzen für den Einbau bestimmter Eigenschaften unter Verwendung von gentechnischen Methoden, sowie weitere Lizenz-Vereinbarungen mit anderen großen Anbietern. Die neue Agrarsparte von Bayer ist in all diesen Feldern vertreten. So kann Bayer seine Produkte jeweils eng aufeinander abstimmen und alles aus einer Hand vermarkten, beispielsweise über seine digitalen Programme und Apps. Produkte anderer Hersteller sind gegebenenfalls nicht mehr mit den Bayer-Produkten kompatibel oder haben keine Chance, überhaupt auf den Markt zu kommen.

Was ist in Bezug auf den Geschäftsbereich der Gentechnik in der Landwirtschaft der wichtigste Aspekt der Übernahme?

Monsanto ist der weltgrößte Anbieter von Gentechnik-Sorten. Wichtigstes Geschäftsfeld ist das „Roundup-Ready-System“. Es gibt von verschiedenen Nutzpflanzen-Kulturen - vor allem Soja, Mais, Baumwolle, Raps - gentechnisch veränderte, Glyphosat-tolerante Sorten, die obligatorisch mit dem komplementären Totalherbizid angebaut werden. Glyphosat ist der Wirkstoff des Herbizids Roundup. Bayer hat ein vergleichbares System mit dem Wirkstoff Glufosinat auf dem Markt: Die Bestandteile sind gentechnisch veränderte, Glufosinat-tolerante Sorten 2 , das komplementäre Totalherbizid wird unter den Namen Liberty oder Basta verkauft. Bei Totalherbiziden gibt es keine weiteren Anbieter, auch nicht im Bereich Forschung und Entwicklung. Aus der Übernahme wäre gefolgt, dass der neu gebildete Konzern bezüglich dieser Anbausysteme ein vollständiges Monopol hätte. Hinzu kommt, dass die beiden in diesen Systemen genutzten Mittel die mit Abstand wichtigsten sogenannten nicht-selektiven Wirkstoffe sind. Das heißt, alle Pflanzen auf dem behandelten Acker, die nicht über eine Toleranz gegenüber diesen Wirkstoffen verfügen, sterben durch die Behandlung ab.

Wie haben die Wettbewerbsbehörden in diesem Fall entschieden?

Bayer muss sein Glufosinat-Geschäft abgeben sowie die LibertyLink-Pflanzen - inklusive der Patente und der damit verbundenen Forschungs- und Entwicklungs-Abteilungen. Diese Auflage war schon früh im Verfahren absehbar und Bayer hatte sich bereits im vergangenen Jahr mit der BASF auf einen Verkauf verständigt.

Was war die Rolle der AbL in dem europäischen Verfahren?

Wir haben uns nach Bekanntwerden der Übernahmepläne bei der EU-Kommission gemeldet, da wir die Interessen der bäuerlichen Landwirtschaft betroffen sahen. Ein solches Verfahren ist extrem arbeitsaufwendig und kein Verfahren auf Augenhöhe. Eine große Schwierigkeit war dabei, dass es keine unabhängigen Marktdaten und auch keine offizielle Stelle gibt, an der vorhandenes Material eingesehen werden kann.
Im Januar konnten wir zum Beispiel kurzfristig etwa 750 Seiten auf Englisch einsehen, in denen die Kommission ihre Bedenken formuliert hatte und dazu Stellung nehmen. Allerdings hatten wir dafür nur fünf Tage Zeit. Wichtige Details und Marktdaten waren geschwärzt und wir mussten eine Verschwiegenheitsklausel unterschreiben. Entsprechend dürfen wir unsere Stellungnahme auch nicht veröffentlichen. Allerdings gibt es ein informatives Hintergrundpapier von der AbL.3
Wir haben diese Herausforderung angenommen, viel Recherchearbeit betrieben und zusammen mit zwei Rechtsanwälten und einem Wettbewerbswissenschaftler unsere Analyse und Bedenken der Kommission gegenüber sowohl schriftlich als auch in einer Anhörung dargelegt.

Was waren die Forderungen der AbL?

Dass die EU-Kommission solch weit reichenden Fusionen nicht zustimmen darf, schließlich geht es beim Saatgut um die Grundlage der Lebensmittelerzeugung! Die einzelnen Auflagen reichen nicht aus, um einen echten und fairen Wettbewerb sicherzustellen. Zukünftig muss das Wettbewerbsrecht gestärkt und ein Missbrauch der enormen Marktmacht verhindert werden. Es muss auch Möglichkeiten geben, Konzerne bei Missbrauch zu entflechten. Und die Schwelle des Marktanteils, den ein Konzern beanspruchen kann, muss herabgesetzt werden. Es braucht mehr Transparenz über die Konzerne, die Marktdaten der einzelnen Segmente und auch über die Kooperationen der Firmen untereinander.
Für Drittparteien, insbesondere für kleinere, muss es eine Art Prozesskosten-Beihilfe geben, damit auch Drittparteien rechtlich gegen unzureichende Entscheidungen der EU-Kommission vorgehen können. Zudem haben wir kritisiert, dass alle abzustoßenden Geschäftsbereiche in eine Hand abgegeben werden. Zum Beispiel hatte Bayer sein Gemüsesaatgut-Geschäft immer als eigenständiges Unternehmen geführt - Nunhems. Es wäre ein Leichtes gewesen, das als separates Geschäftsfeld an einen anderen Branchenvertreter zu veräußern.

Was folgt aus der Übernahme für die Bäuerinnen und Bauern?

Wir werden die Entwicklung der Konzerne genau beobachten. Bayer-Chef Baumann hat als einen Grund für die Übernahme Rationalisierung und Verbesserung der Effizienz angegeben, gerade auch mit Blick auf die Entwicklung neuer Sorten. Wie setzt der Konzern das um? An welchen Konzepten wird geforscht und zu welchem Nutzen? Wird es zu Sortenauslistungen kommen? Welche Sorten mit welchen Eigenschaften kommen auf den Markt? Beispielsweise hat Monsanto in den USA alle konventionellen Soja-, Mais- und Baumwoll-Sorten vom Markt genommen, um sein Gentechnik-Saatgut durchzusetzen.
Für uns stellt sich auch die Frage, wie sich Bayer in Bezug auf den Zugang zu genetischen Ressourcen verhalten wird. Die beiden Konzerne haben riesengroße Bibliotheken und Genbanken mit genetischem Material von Nutzpflanzen. Wer wird in Zukunft Zugang zu diesen Sammlungen haben?
Baumann hat deutlich gemacht, dass Bayer auch in Zukunft auf die Patentierung von Saatgut setzen wird, um einen Rückfluss der Investitionen zu sichern. Das würde bedeuten, dass der Zugang zu genetischen Ressourcen schwieriger wird. Das betrifft Züchterinnen und Züchter genauso wie Bäuerinnen und Bauern.
Auch im Bereich der neuen Gentechnik-Verfahren wird Bayer weiter versuchen, seinen Einfluss auf Politik und Lobby geltend zu machen. Bayer sieht in diesen Techniken viel Innovationspotential, sie seien billig und schnell. Für Bayer sind die neuen Techniken vergleichbar mit der konventionellen Züchtung. Sie wollen keine Einstufung als Gentechnik und erst recht keine Kennzeichnung.

Wie schätzen Sie die zukünftige Rolle der BASF ein?

Die BASF ist vielleicht der eigentliche Gewinner. Der Konzern war in der Vergangenheit bereits mit der gentechnisch veränderten Kartoffel Amflora aktiv, die am Widerstand der BäuerInnen und VerbraucherInnen gescheitert ist. Ansonsten gab es kaum Aktivitäten im Saatgutbereich. Jetzt kauft er auf einen Schlag ein großes Paket Saatgut im Bereich Ackerkulturen und Gemüse und die Digitalsparte von Bayer. Zudem übernimmt er das weltweite Geschäft mit dem Herbizid-Wirkstoff Glufosinat. Bisher war die BASF nur bei selektiven Herbiziden aktiv.

Jetzt haben wir diese beiden Konzerne - BASF und Bayer - hier vor der Haustür. Wie wird sich das auf die gentechnikkritische Bewegung in Deutschland beziehungsweise in der Europäischen Union auswirken?

Wir sind jetzt noch mehr gefordert. Dadurch dass Bayer und BASF, aber auch DowDuPont und Syngenta nach Fusionen und Übernahmen gestärkt sind, werden sie mit aller Macht versuchen, unter anderem bei den neuen Gentechnik-Verfahren ihre Wünsche nach keiner oder einer schwachen Regulierung durchzudrücken. Das aktuelle Urteil des Europäischen Gerichtshofes verschafft uns allerdings momentan starken Rückenwind.4 Aber wenn man erfolgreich ist, muss man auch vorsichtig sein.
Für uns als Organisation von Bäuerinnen und Bauern ist es natürlich immens wichtig, dass es weiterhin konzern­unabhängiges Saatgut gibt, da Saatgut die Basis unserer Arbeit und unser aller Ernährung darstellt. In diesem Zusammenhang fordern wir einen staatlichen Saatgutfonds, aus dessen Mitteln Forschung und Entwicklung von neuem Saatgut finanziert werden kann. Wer diese Mittel bekommt, darüber sollten verschiedene gesellschaftliche Gruppen entscheiden. Gefördert werden sollten konventionelle und ökologische Projekte, die gentechnik- und patentfreies, vielfältiges Saatgut züchten. Auch Nachbaufähigkeit ist ein zentrales Kriterium. Damit wird gewährleistet, dass Bäuerinnen und Bauern einen Teil ihrer Ernten zurückbehalten und im nächsten Jahr neu aussäen können.
Bisher hat die Politik enorme Fördersummen in die alte und jetzt neue Gentechnik gesteckt. Summen in gleicher Höhe wären dem Fonds zuzuführen.

Das Interview führte Christof Potthof.

  • 1Teile digitaler Landwirtschaft sind zum Beispiel Software-Programme. Diese werten in Kombination mit Sensoren an den Maschinen und Verbindungen zu Rechenzentren den Dünger- und Spritzmittel-Bedarf von landwirtschaftlichen Flächen und Kulturen aus. Entscheidend ist, dass die Software zur Schnittstelle wird, an der Informationen über den Anbau der Bäuerinnen und Bauern zusammenlaufen. Diese Informationen sollen - so die Pläne von Bayer und Co. - in den Rechenzentren der Konzerne liegen.
  • 2Das Saatgut wird unter dem Namen LibertyLink vertrieben.
  • 3Siehe dazu „Bayer - Monsanto: Bleibt uns vom Acker. Warum Bäuerinnen und Bauern die geplante Fusion ablehnen“. Online unter www.abl-ev.de oder www.kurzlink.de/gid246_zx.
  • 4Siehe dazu den Beitrag „EuGH stärkt Vorsorge” auf Seite 26 in diesem Heft.
GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
246
vom August 2018
Seite 23 - 25

Annemarie Volling ist Mitarbeiterin der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und dort zuständig für die Sicherung der gentechnikfreien Landwirtschaft sowie Saatgut und Patente.

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