Innenansichten aus der Agro-Gentechnik-Lobby

Zu Besuch beim InnoPlanta-Forum

Alljährlich treffen sich Vertreterinnen und Vertreter von Behörden, aus Industrie und Wissenschaft beim InnoPlanta-Forum in Sachsen-Anhalt, um sich über die aktuelle Situation der Agro-Gentechnik auszutauschen.

Sie predigen Sachlichkeit, orientieren ihre Versuche aber lieber an hochdotierten Fördertöpfen. Sie sprechen von unabhängiger Kontrolle, und doch sitzen die KontrolleurInnen mit den zu Kontrollierenden in einem Boot. Es gibt wenige Momente, wo die Wirklichkeit der Gentechnik-Seilschaften so offensichtlich wird, wie beim jährlichen Treffen des Lobbyverbandes InnoPlanta. Das InnoPlanta-Forum ist das Stell-dich-ein der Firmen und ihrer Kontrollbehörden, der in ihren Meinungen völlig festgelegten WissenschaftlerInnen und JournalistInnen. Hier wird Klartext gesprochen - und beim letzten Mal, am 6. September 2010, war ein Aufnahmegerät dabei. Die Aufzeichnungen belegen eine bemerkenswerte Ignoranz gegenüber sachlicher Präzision, eine abenteuerliche Nähe der Kontrolleure zu den Kontrollierten und eine groteske Realität draußen auf den Feldern. Im Folgenden sei das Geschehen in einigen Auszügen wiedergegeben.1

Kontrolle oder Kollaboration?2

Die Eröffnungsrede hielt Thomas Leimbach. Er ist der Präsident des Landesverwaltungsamtes und damit Chef der Kontrollbehörde.3 Nach dem Gentechnikgesetz erteilt das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) die Genehmigung für einen Freisetzungsversuch mit gentechnisch veränderten Organismen, danach sind die Landesbehörden zuständig für die Überwachung. Leimbach hat kein neutrales Verhältnis zu InnoPlanta. Das aber wäre nötig, denn der Verein ist an der BioTechFarm und damit am Durchführungsbetrieb von Versuchen mit GVO beteiligt. Leimbach war InnoPlantas Gründungspräsident und äußerte nun in seiner Rede „väterlichen Stolz“ auf die zehnjährige „hervorragende Entwicklung dieses Vereins“. Einer kritischen oder skeptischen Sicht auf die Gentechnik begegnete Leimbach mit Häme: „Man muss sich (...) möglicherweise fragen, welche gesellschaftliche Entwicklung Deutschland nimmt, wenn das Dagegensein - sozusagen fast unbegründet - für die meisten Leute leichter ist, als das Dafürsein. Nun, das erinnert (...) an die Einführung der Eisenbahn. (...) Eine neue Technologie zu verdammen und sich hierfür auch noch zu feiern, ohne wissenschaftlich begründete Argumente hierfür zu wissen, ist kurios und fast schon eine Eigentümlichkeit deutscher Technologiedebatte.“ Geradezu euphorisch beendete Leimbach seine Rede mit der Hoffnung, „dass wir versuchen wollen, diesen Potentialen unserer Region zum Erfolg und zum Durchbruch zu verhelfen. (...) ‚Glück auf!‛ für diese Technologie in Sachsen-Anhalt!” Der Chef des Saatgutkonzerns KWS, Philip von dem Bussche, zog die Demonstration vor dem Eingang mit der Bemerkung ins Lächerliche, dass „in zehn bis fünfzehn Jahren diese ganze Art der Argumentation sozusagen dem Gelächter der Historie unterworfen sein“ wird. Seine Zukunftsvorstellung: „Ich würde sagen, es gibt einen guten Grund dafür, zu sagen, dass in zwanzig Jahren wahrscheinlich viele Formen sanfter Landwirtschaft oder auch des Zusammenwachsens zwischen ökologischem Landbau und dem konventionellen Landbau nur mit Hilfe der Gentechnik gelingen“ werden. Dann wechselte er lieber zur Moral: „Ich stelle das einfach in den Raum, dass ich der prinzipiellen Unterlassung jede moralische Berechtigung abspreche. Ich sage: Das aktive Tun, das risikobewusste Handeln und die Einführung des Fortschritts, das ist die Verantwortung, das ist Moral - und das andere ist Unmoral.“ Mit Bezug auf die Verunreinigungen von Saatgut mit gentechnisch veränderten Sorten im vergangenen Jahr meinte von dem Bussche, es sei „vollkommen hirnrissig“, die Felder unterzupflügen. Da klatschte der Saal.

Auf den Feldern: Mäusezäune und Durchwuchs

Danach konnten sich die BesucherInnen auch praktisch vor Augen führen, wie deutsche Gentechnik„forschung“ funktioniert. Denn in der Mittagspause führte Kerstin Schmidt, Geschäftsführerin der BioTechFarm und so manch anderer Gentech-GmbH 4 die Gruppe durch den Schaugarten. Der Rundgang führte zu einem Feld mit gv-Weizen. Die Ausbreitung in die Umgebung durch Tiere würde strikt unterbunden, sagte Schmidt, worauf die skeptische Frage folgte: „Mäuse kommen da nicht rein?“ „Da ist noch mal ein Nagerzaun.“ Der wurde betrachtet, es kamen Zweifel auf wegen der Maschenweite - eine Schwäche, die auch an anderen Feldern trotz klarer Sicherheitsauflage schon auftrat. Kerstin Schmidt bestritt das auch gar nicht: „Aber selbst wenn, was soll da passieren?“ So wird mit Sicherheitsauflagen umgegangen. Die Gruppe ging weiter und hörte zwischendurch Kerstin Schmidt sagen: „Sie haben bei dem Glyphosat ja keine Bodenwirkung.“5 Dann, am Feld mit Roundup- Ready-Zuckerrüben, zeigte ein Besucher auf heranwachsende Rapspflanzen. Schmidt: „Das ist einfach Durchwuchs“. Rapsdurchwuchs ohne Wissen der Betreiber auf ständig beobachteten Werbeflächen? Schmidt wechselte das Thema und setzte am Ende des Spazierganges den krönenden Schlusspunkt: „Es wird nichts 100-prozentig funktionieren - dafür haben wir Biologie“. Das hätten auch die KritikerInnen sagen können.

Hoch lebe der politisch gefärbte Journalismus!

Am Ende des InnoPlanta-Forums wurden, wie auch schon 2009, Preise verliehen. Diese ehren Persönlichkeiten, die sich um die Propaganda pro Gentechnik verdient gemacht haben. Es ist schon lohnenswert, die Schriften der Geehrten mal näher anzusehen: Von platter Werbung für Atomkraftwerke bis zu der These, dass „die Menschheit kein Recht auf einen konstanten Meeresspiegel“ habe, ist alles dabei. Dieses Mal ging der Preis an Michael Miersch und Stefan Rauschen. Die Lobesreden kamen von zwei der lautesten BefürworterInnen der Agro-Gentechnik in Deutschland: der FDP-Bundestagsabgeordneten Christel Happach-Kasan und Klaus-Dieter Jany, der gleichzeitig Kontrolleur (früher in Bundesbehörden, heute bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA) und Lobbyist ist. Beide sind für blumige Beiträge bekannt - und enttäuschten auch diesmal nicht. Happach-Kasan: „Wir brauchen, um der Angstindustrie die Wirkungsmöglichkeiten zu nehmen, eine Verstärkung des Bewusstseins in der Bevölkerung, dass Gentechnik längst auf jedem Teller ist (...) Das heißt, wir müssen den Menschen deutlich sagen: Überall ist Gentechnik dabei.“ Dann polemisierte sie gegen den Wunsch nach gentechnikfreier Saat und ebensolchen Nahrungsmitteln: „Wir brauchen die Abschaffung der Nulltoleranz. Null ist eine mathematische Größe. In der Biologie ist das mit der Null so eine Sache (...) Null ist keine biologische Größe. Deshalb brauchen wir dringend die Abschaffung der Nulltoleranz (...) die niemandem irgendeinen Nutzen bringt.“6 Auch sie fand schließlich zur Moral: „Wir müssen darüber mit den Menschen reden. Wir müssen ihnen zeigen, dass es nicht unethisch ist, eine Erfindung im Bereich der Biotechnologie zu patentieren, sondern dass in jedem Fall dieses auch ein Motor für Fortschritt ist“. Und ganz zum Schluss: „Jeder weiß, Strom ist extrem gefährlich, trotzdem hat jeder Strom zu Hause.“

  • 1Die Originaltonaufnahmen sind in den Archiven der Projektwerkstatt in Saasen vorhanden. Auszüge auf www.biotech-seilschaften.de.vu.
  • 2So lautete der Titel eines Berichtes „über die Netzwerkstrukturen in der Agro-Gentechnik“, der 2008 von Antje Lorch und Christoph Then im Auftrag der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen veröffentlicht wurde. Im Netz zum kostenlosen Herunterladen: www.gen-ethisches-netzwerk.de/files/0805_Agrogentechniknetz.pdf.
  • 3Seit der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt im März dieses Jahres ist Leimbach gewähltes Mitglied im Landtag von Sachsen-Anhalt. Ob er seinen Posten als Präsident des Landesverwaltungsamtes dauerhaft behalten wird ist damit ungewiss.
  • 4Mehr Details zu Schmidt siehe „Kontrolle oder Kollaboration“ (siehe auch Fußnote 2) und „Monsanto auf Deutsch“ vom Autor dieses Artikels (siehe dazu Autorenbeschreibung).
  • 5Glyphosat (Produktname Roundup) ist ein nicht selektiv wirkendes Unkrautvernichtungsmittel (Herbizid). Es wird in Verbindung mit gentechnisch veränderten Glyphosat-toleranten sogenannten „Roundup-Ready“-Pflanzen verkauft. Kritiker dieses Systems bezweifeln die insbesondere von Monsanto verbreitete These, Glyphosat sei für Bodenorganismen unschädlich - habe also keine Bodenwirkung.
  • 6Gemeint ist hier der bisher gültige Grenzwert von 0,0 Prozent bei Saatgut.
GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
205
vom Mai 2011
Seite 43 - 44

Jörg Bergstedt ist seit Jahren Aktivist und Autor. Neben der Agro-Gentechnik interessieren ihn unter anderem weitere Umwelt-relevante Themen und allgemeine Herrschaftsfragen.

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