The next Generation

Gesunde Pflanzenöle, samenlose Früchte und vitaminreiche Gemüse - mit diesen Produkten wollen die Gentech-Firmen die Akzeptanz der KonsumentInnen gewinnen. Angekündet sind sie als zweite Generation transgener Pflanzen. Was dahinter steckt, wurde vom Gen-ethischen Netzwerk untersucht. Hier die Zusammenfassung.

Seit Jahren zeigen Umfragen immer wieder dasselbe Bild: Die Mehrheit der europäischen Bevölkerung will kein Gen-Food auf dem Teller. Den Grund für die breite Ablehnung verorten die Agrochemiekonzerne und Forschenden im fehlenden Nutzen für die Verbraucher. Da die bisherigen transgenen Pflanzen der ersten Generation vor allem veränderte agronomische Eigenschaften wie Herbizid- und Insektenresistenz aufweisen, bringen sie höchstens den Landwirten einen Nutzen. Dass die Verbraucher in Zukunft nicht mehr leer ausgehen und somit die Akzeptanz steigt, dafür wollen die Konzerne und Forschenden mit der zweiten und dritten Generation transgener Pflanzen sorgen. Nicht mehr die agronomischen Eigenschaften sollen im Vordergrund stehen, jetzt soll die Qualität der Pflanzen selbst verändert werden. Mehr Vitamine, gesündere Fette und ein höherer Anteil an Ballaststoffen lauten drei der Ziele. Auf den kommerziellen Anbauflächen sind solche Pflanzen jedoch nicht anzutreffen. Und auch auf den Freisetzungsfeldern sind sie kaum zu finden. Obwohl die zweite und dritte Generation seit Ende der neunziger Jahre lautstark angekündet wird, lässt sich auf den Freisetzungsfeldern der EU und der USA ein gegenteiliger Trend feststellen: Die Anzahl der Versuche mit transgenen Pflanzen, deren Qualität verändert worden ist, nimmt seit Mitte der 90er Jahre ab. Weshalb diese Diskrepanz? Kurz: Weil die Veränderung der Qualität technisch schwierig ist, der ökonomische Erfolg ungewiss ist und die Interessen der Agrochemiekonzerne eigentlich woanders liegen.

Die wichtigsten Player

DuPont, Monsanto, Syngenta, Bayer, Dow und BASF – sie sind nicht nur die sechs größten Agrochemiekonzerne der Welt, sie gehören auch zu den wichtigsten Playern, wenn es um das Geschäft mit transgenen Pflanzen geht. Durch Fusionen und Allianzen sowie den Kauf von Saatgutunternehmen und Biotechfirmen bestimmen sie heute weitgehend die Forschung und Entwicklung sowie die Kommerzialisierung von transgenen Pflanzen. Sie besitzen neunzig Prozent der bisher für den Anbau zugelassenen transgenen Pflanzen, mehr als die Hälfte aller Patente auf transgene Pflanzen und führen die Mehrheit der Freisetzungsversuche durch. Zudem versuchen sie, vermehrt Einfluss auf den ganzen Versorgungsweg zu nehmen, indem sie Allianzen mit der Verarbeitungsindustrie und den Getreidehändlern eingehen. Kurzum: Die grossen Agrochemiekonzerne kontrollieren das Geschehen und es sind ihre Interessen, die bestimmen, welche transgenen Pflanzen mit welchen Eigenschaften auf den Markt kommen. Die Entwicklung einer transgenen Pflanze dauert sechs bis zwölf Jahre. Die Chance, dass eine erfolgreiche Entdeckung im Labor auch tatsächlich den Weg auf den Markt schafft, ist gering – nur mit einer von 250 Entdeckungen soll dies gelingen. Die Kosten für die Entwicklung betragen 50 bis 60 Millionen US-Dollar. Wer mit einer transgenen Pflanze Gewinn machen will, braucht grosse Märkte und gentechnisch veränderte Eigenschaften, die einen schnellen Rücklauf der Investitionen wahrscheinlich machen. Diese Bedingungen erfüllen Pflanzenarten, die einen grossen Einzelmarkt aufweisen, sowie so genannte Input-Eigenschaften besitzen.

Input- und Output-Eigenschaften

1983 ist zum ersten Mal eine Pflanze gentechnisch verändert worden. Was damals mit Tabak gelang, ist inzwischen bei allen, mehr oder weniger wichtigen, einjährigen Kulturpflanzenarten gelungen: ein zuvor aus einem anderen Organismus isoliertes Gen in das pflanzliche Erbgut einzufügen. Die Eigenschaften, die das Ziel der gentechnischen Veränderung sind, lassen sich grundsätzlich in zwei Kategorien einteilen: Input-Eigenschaften und Output-Eigenschaften. Input-Eigenschaften sind die Charakteristika einer Pflanze, welche die Kultivierung und den Ertrag beeinflussen, aber nichts mit der Qualität des Endprodukts zu tun haben. Sie wirken sich auf den agronomischen Aufwand aus und sind vor allem für Züchter und Landwirte von Bedeutung. Anders ist das bei den Output-Eigenschaften. Sie sollen vor allem der Lebensmittelindustrie und den Verbrauchern einen Zusatznutzen bringen. Denn bei den Output-Pflanzen geht es nicht allein um die agronomische Leistung, sondern primär um die Qualität des Endproduktes – so etwa um die Eliminierung von unerwünschten Inhaltsstoffen, das Hinzufügen von ernährungsphysiologisch erwünschten Substanzen oder die Verbesserung von Verarbeitungseigenschaften. Eine besondere Form der Output-Eigenschaften findet sich beim Molecular Farming. Hier werden die Pflanzen gentechnisch so verändert, dass sie Substanzen produzieren, die industriell genutzt oder in der Humanmedizin als Impfstoff oder Medikament verwendet werden können.

Bisher kommerzialisierte gentechnisch veränderte Pflanzen

Die bisher kommerzialisierten Pflanzen besitzen fast ausschließlich Input-Eigenschaften – namentlich Herbizid- und Insektenresistenz. Entwickelt wurden sie von den wenigen Großkonzernen, die das Geschehen bestimmen. Die Gründe, weshalb sich gerade die Herbizid- und Insektenresistenz innerhalb der so genannten grünen Gentechnik etablieren konnte, sind folgende: Erstens können diese Eigenschaften durch das Einfügen nur eines einzelnen Gens erzielt werden. Die betreffenden Gene sind bereits seit Mitte der 80er Jahre bekannt und isoliert. Zweitens versprechen sich die Konzerne durch den Verkauf herbizidresistenter Pflanzen ein sattes Geschäft. Da sie sowohl die Herbizide wie auch das resistente Saatgut produzieren, können sie beides kombiniert verkaufen, dabei die gleichen Vertriebskanäle verwenden und die Preise regeln. Drittens: Da die herbizid- und insektenresistenten Pflanzen entweder den Ernteertrag erhöhen oder die Produktionskosten senken sollen, benötigt man weder neue Ernte- noch neue Verarbeitungsmethoden. Die Entwicklung der beiden Eigenschaften war also für die Konzerne ein attraktives Unterfangen. Dass die Interessen der Konzerne das Marktgeschehen bestimmen, zeigt sich auch bei den bereits angebauten Pflanzenarten. Es sind hauptsächlich Mais, Soja, Raps und Baumwolle. Alle vier Arten haben einen großen Absatzmarkt. Die Konzerne konnten deshalb damit rechnen, dass sie die Entwicklungskosten schnell wieder ausgleichen und dann große Umsätze erzielen konnten. Das Resultat der von den Konzerninteressen gesteuerten Entwicklung: Im Jahr 2002 wuchsen weltweit auf 58,7 Millionen Hektar transgene Pflanzen. 99 Prozent dieser Pflanzen wiesen eine Insekten- und/oder eine Herbizidresistenz auf und gehörten einer der vier Arten Mais, Soja, Raps oder Baumwolle an. Vier Länder teilten sich 99 Prozent der Anbaufläche : 66 Prozent der Fläche befanden sich in den USA, 23 Prozent in Argentinien, 6 Prozent in Kanada und 4 Prozent in China.

Aktuelle Freisetzungen

Pflanzen mit großen Märkten und Input-Eigenschaften mit hohen Umsätzen - sie bestimmen nicht nur das aktuelle Marktgeschehen, sie herrschen auch in der Entwicklung von transgenen Pflanzen vor. In der EU werden rund 72 Prozent der Freisetzungsversuche mit Mais-, Raps-, Kartoffel- und Zuckerrübensorten durchgeführt. In den USA liegt Mais mit jährlichen Anteilen zwischen 50 und 60 Prozent an der Spitze, gefolgt von Baumwolle und Soja. An Bedeutung gewonnen haben in den letzten Jahren Weizen und Gerste. Beide Arten weisen ebenfalls grosse Märkte auf. Was die Eigenschaft betrifft, so liegt der Trend nach wie vor bei den Input-Eigenschaften. In der EU waren sie in 77 Prozent der Freisetzungen Gegenstand der Untersuchung, wobei am häufigsten Resistenzen gegen Herbizide, Insekten und Pathogene getestet wurden. In den USA geht es bei rund 75 Prozent der Freisetzungsversuche um Input-Eigenschaften. Am häufigsten freigesetzt werden hier insekten- und herbizidresistente Pflanzen.

Nachlassendes Interesse

Seit Anfang der 90er Jahre werden transgene Pflanzen mit Output-Eigenschaften im Freiland getestet. In rund einem Fünftel aller in den USA und in der EU durchgeführten Freisetzungen wurden solche Eigenschaften untersucht. Drei transgene Pflanzen mit Output-Eigenschaften haben bisher die Anbauzulassung erhalten: Tomaten, die länger haltbar sind, Raps, der Laurinsäure bildet, und Soja, das mehr Ölsäure als üblich bildet. Keine der drei Pflanzen wird jedoch kommerziell angebaut. Die Entwicklung von Output-Eigenschaften verlief bisher weitgehend erfolglos. Laut Aussagen der Konzerne und Forschenden soll sich dies in Zukunft ändern. Denn sie künden seit Ende der 90er Jahre an, dass sie ihr Interesse vermehrt darauf ausrichten, Output-Eigenschaften zu entwickeln. Auf den Freisetzungsflächen ist hingegen ein gegenteiliger Trend zu beobachten. Denn dort nimmt die Anzahl der Versuche mit Output-Eigenschaften seit 1995 kontinuierlich ab. In den USA sank der Anteil der Versuche mit Output-Eigenschaften zwischen 1994 und 2002 von 29 Prozent auf 14 Prozent. Das gleiche Bild herrscht in der EU. 1996 lag hier der Anteil noch bei rund 25 Prozent, sank dann aber in den folgenden fünf Jahren auf 12 Prozent. Die Ursachen für das verminderte Interesse an den Output-Eigenschaften setzen sich aus ökonomischen, technischen und biologischen Faktoren zusammen. Gewisse Output-Eigenschaften dürften nur auf Nischen-Märkten mit geringen Umsätzen erfolgreich sein, was die teure und langwierige Entwicklung zu einem risikoreichen und nicht unbedingt einträglichen Unternehmen macht. Andere Output-Eigenschaften wiederum dürften heute noch nicht konkurrenzfähig sein. Weiter setzt die Vermarktung der Output-Eigenschaften voraus, dass die transgenen Pflanzen getrennt geerntet werden und ein Identitätserhaltungssystem existiert. Das erhöht wiederum den Managementaufwand und die Kosten, was die Output-Eigenschaften weniger attraktiv macht. Die Veränderung von Output-Eigenschaften ist zudem wesentlich komplizierter als diejenige von Input-Eigenschaften. Während die Fremdgene für Input-Eigenschaften meistens in der ganzen Pflanze aktiv sein können beziehungsweise müssen, bedarf es bei den Genen für qualitative Merkmale einer differenzierten Aktivität. Das heisst, die Gene sollten nur in bestimmten Geweben oder in bestimmten Entwicklungsstadien aktiviert werden. Um dies zu erreichen, braucht es spezifische Promotoren. Die sind jedoch noch längst nicht in jedem Fall verfügbar. Eine weitere technische Hürde ist, dass viele der gewünschten Qualitätseigenschaften das Einfügen mehrerer Fremdgene voraussetzen. Die Transformation mehrerer Gene bleibt aber ein schwieriges Unterfangen, da die vorhandenen Techniken Mängel aufweisen. Zudem muss bei der Herstellung vieler Output-Eigenschaften in komplexe und gut ausbalancierte Stoffwechselwege eingegriffen werden. Das geht nicht immer ohne unerwünschte Nebeneffekte. Ein weiterer Faktor, der über den Erfolg von Output-Eigenschaften mit entscheidet, ist der Sicherheitsaspekt. Verglichen mit den Input-Eigenschaften bedingen die veränderten Output-Eigenschaften eine Ausweitung der Sicherheits- und Risikofragen. Die bisherige Debatte um die transgenen Pflanzen der ersten Generation hat das Konzept der substantiellen Äquivalenz (1) herangezogen. Dieses Konzept ist aber unzureichend, wenn es um die Beurteilung von transgenen Pflanzen mit Output-Eigenschaften geht. Da die spezifische Neuartigkeit bei diesen Pflanzen das Ziel der gentechnischen Veränderung ist, sind hier weit reichende methodische Innovationen für die Prüfung und Zulassung erforderlich.

Die nächsten Jahre

In den nächsten fünf Jahren werden transgene Pflanzen mit Input-Eigenschaften weiterhin das Marktgeschehen dominieren. Die Palette der bereits kommerzialisierten Pflanzenarten dürfte um folgende neue Arten erweitert werden: Banane, Erbse, Erdnuss, Futterrübe, Gerste, Gurke, Kopfsalat, Luzerne, Pfeffer, Sonnenblume und Weizen. Die Input-Eigenschaften, die sie aufweisen werden, sind Insekten-, Herbizid-, Virus- und Pilzresistenz sowie erhöhter Ertrag. Was die Output-Eigenschaften betrifft, so könnten in den nächsten fünf Jahre Folgende den Weg auf den Markt finden: verlängerte Haltbarkeit, verbesserte Verdaubarkeit, modifizierte Fettsäuren, Stärke- und Proteinstoffwechsel, reduzierter Mykotoxingehalt, effizientere Ethanolproduktion und veränderter Sekundärmetabolismus. Die erfolgreiche Entwicklung und Vermarktung von transgenen Pflanzen mit Output-Eigenschaften gestaltet sich schwierig. Das Bemühen der Agrochemiekonzerne, solche Produkte zu entwickeln, ist klein – zumindest wenn man es mit den Mitteln vergleicht, die sie in die Entwicklung von Input-Eigenschaften investieren. In der EU zum Beispiel weist nur eine der 22 für die Zulassung beantragten transgenen Pflanzen eine Output-Eigenschaft auf. Auch weltweit gesehen dürften in den nächsten fünf Jahren nur wenige transgene Pflanzen mit Output-Eigenschaften auf den Markt kommen. Die Mehrheit dieser neuen Produkte wiederum ist entwickelt worden, um den Lebensmittel-, Futtermittel- und anderen industriellen Verarbeitern einen Zusatznutzen zu bringen. Die große Ankündigung, transgene Pflanzen mit direktem Nutzen für die Verbraucher zu entwickeln, entpuppt sich bisher vor allem als rhetorischer Versuch, das Image der grünen Gentechnik zu verbessern.

Fußnoten

  1. Substantielle Aquivalenz ist ein Konzept, bei dem davon ausgegangen wird, dass Pflanzen oder Produkte aus gentechnisch veränderten und nicht gentechnisch veränderten Pflanzen als im Wesentlichen gleichwertig (substantiell äquivalent) anzusehen sind. Das Konzept findet Anwendung in Risiko-/ Sicherheitsabschätzung.
GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
162
vom Februar 2004
Seite 23 - 25

Benno Vogel ist freischaffender Biologie in Winterthur und in Berlin. Mehr zu seinen Tätigkeiten erfahren Sie unter www.bennovogel.eu.

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Christof Potthof war bis Ende April 2020 Mitarbeiter im GeN und Redakteur des GID.

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