Zuerst: Respekt!

Die Nutzung genetischer Ressourcen soll reguliert werden

Bei den Vertragsstaaten der Konvention über die biologische Vielfalt (CBD) steht derzeit die Entwicklung einer Regulierung der Nutzung genetischer Ressourcen weit oben auf der Agenda. Nichtregierungsorganisationen aus sieben Ländern unterstützen mit ihrem Forderungskatalog die Positionen von Netzwerken indigener Gruppen. Die Kritik an der CBD kann jedoch darüber hinaus gehen.
Wie werden die Gewinne aus der gewerblichen Nutzung genetischer Ressourcen und traditionellen Wissens aufgeteilt? Wer darf über diese Nutzungen entscheiden? Wie können die Rechte und Zuständigkeiten international geregelt werden? Dies sind Kernfragen der Verhandlungen um ein internationales Access and Benefit-Sharing (ABS)-Regime im Rahmen der Konvention über biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity - CBD) von 1992. Dieses zu entwickelnde ABS-Regime ist ein Versuch, auf das Problem der Biopiraterie zu reagieren. Biopiraterie liegt vor, wenn biologisches Material aus den Wäldern, den Gewässern, der Land- und Fischereiwirtschaft vor allem von Entwicklungsländern und indigenen und lokalen Gemeinschaften genommen, weiterentwickelt und in Form von Medikamenten und andere Produkten patentiert wird - mitunter ohne deren Wissen oder gar Zustimmung. Es geht um mehr als Peanuts: Schon 1999 wurde der globale Marktwert der Industrie, die biologisches und genetisches Material nutzt, auf 500 bis 800 Milliarden US-Dollar geschätzt.(1) Ein wichtiges Forum für die Entwicklung eines ABS-Regimes sind die Vertragsstaaten-Konferenzen der CBD, deren 9. Folgekonferenz im Mai 2008 in Bonn stattfinden wird. Die Verpflichtung zu ABS-Verhandlungen ergibt sich aus den Artikeln 15.3 bis 15.7 der CBD. Ein erster Schritt auf dem Weg zu einem ABS-Regime waren die so genannten Bonn Guidelines von 2001, doch sind sie nicht rechtsverbindlich. Die Weltkonferenz über nachhaltige Entwicklung in Johannesburg 2002 verlangte von den Vertragsstaaten daraufhin, ein verbindliches internationales Regime zu erarbeiten.

ABS-Verhandlungen im Rahmen der CBD

Ein internationales ABS-Regime im Rahmen der Konvention über biologische Vielfalt sollte Regeln setzen, wie Gewinne aus der Nutzung genetischer Ressourcen und damit verbundenen traditionellen Wissens fair geteilt und wie andere Vorteile ausgeglichen werden können. Dies müsste zwischen verschiedenen Parteien geschehen. Auf der einen Seite stehen die Länder, indigenen und lokalen Gemeinschaften, die die Ressourcen in der Regel bereitstellen, sie bislang bewahrt und weiterentwickelt haben - die so genannten Provider (Anbieter); und diesen gegenüber die hauptsächlich aus Industrieländern stammenden Konzerne und Forschungseinrichtungen, die diese Ressourcen nutzen wollen - die so genannten User (Nutzer). Verschiedene Interessensträger haben sich zusammengeschlossen: 17 biodiversitätsreiche Länder bilden seit 2002 die Gruppe der Like Minded Megadiverse Countries (LMMC) (2), ihre Mitglieder sind alles so genannte Entwicklungsländer, die die Verhandlungen voranbringen wollen und sich Gewinn aus ABS-Regelungen versprechen. Die Bremser-Staaten sind vor allem die CBD-Vertragsstaaten Kanada, Australien und Neuseeland sowie das Nicht-Vertragsland USA. Diese vier wollen sich kaum auf das Festschreiben von Rechten indigener Gruppen festlegen lassen. Das International Indigenous Forum on Biodiversity (IIFB) gründete sich 1996 anlässlich der 3. Vertragsstaaten-Konferenz. Seit 2000 hat es den Status eines Beraters der Konferenzen in Bezug auf die Umsetzung des Artikels 8(j) der CBD über den Schutz, die Erhaltung und die Nutzung traditionellen Wissens und traditioneller Praktiken indigener Völker(siehe auch das Interview mit Lucy Mulenkei, Kittisak Rattanakrajangsri und Minnie Degawan auf Seite fünf in diesem Schwerpunkt).

Gegenwärtige NGO-Forderungen

Anfang Oktober fand die 5. Sitzung der offiziellen CBD-Arbeitsgruppe zu ABS in Montreal statt. Auf dieser Konferenz konnte eine Koalition verschiedener NGO aus Deutschland (EED, Forum Umwelt und Entwicklung und Misereor), den USA, der Schweiz, Südafrika, Indien, Malaysia und Paraguay(3) eine Stellungnahme abgeben. Die NGO erklärten sich darin solidarisch mit der Position der indigenen Völker, vertreten durch das IIFB. Sie verlangten, dass zunächst überhaupt ein internationales Regelwerk zustande kommt. Darin müssten die entsprechenden Punkte der kürzlich verabschiedeten UN-Deklaration über die Rechte indigener Völker aufgenommen werden und schließlich müssten Mindeststandards gegen Biopiraterie gesetzt und damit die Rechte indigener Völker und lokaler Gemeinschaften geschützt werden. Zehn Punkte umfasst ihr Forderungskatalog für ein internationales Regime:
1. Freie und vorherige informierte Zustimmung (Prior Informed Consent - PIC) Erst wenn die Zustimmung indigener Völker, lokaler Gemeinschaften und Ursprungsländer als Basis einer Verwertung gilt, haben die ursprünglichen Provider überhaupt eine Chance, in Verhandlungen einzutreten. PIC wirkt der verdeckten so genannten Bioprospektion entgegen, bei der beispielsweise Forschungsinstitute junge WissenschaftlerInnen auf Exkursionen schicken, um Wissen um traditionelle Heilpflanzen und Heilmethoden zu sammeln, wie das wiederholt im Rahmen der großen Bioprospektionsprojekte geschah.
2. Veto-Recht Das Recht, den Zugriff auf genetisches Material und traditionelles Wissen auch abzulehnen, würde die Position indigener Gemeinschaften stärken. Es käme ihrem Anspruch auf kulturelle Selbstbestimmung entgegen, bestimmtes Wissen und manche Praktiken auch für sich behalten zu können und nicht der Öffentlichkeit zugänglich machen zu müssen.
3. Definition des Aufteilungsprozesses Vor dem Zugriff auf genetische Ressourcen und traditionelles Wissen müssen die Bedingungen und Prozesse festgelegt werden, die eine faire und gerechte Aufteilung der Gewinne gewährleisten. Einvernehmlich festgelegte Bedingungen (Mutually Agreed Terms - MAT) sollen eine Grundvoraussetzung für ABS sein. Hier werden verfälschende Tendenzen der deutschen Übersetzungen der englischen Fachbegriffe deutlich. Während der Begriff „Benefit-Sharing” in den Providern und den Usern von Biodiversität gleichberechtigte Verhandlungspartner impliziert, steht hinter dem im Deutschen oft verwendeten Terminus „Vorteilsausgleich” der Gedanke an solche Provider-Gruppen, die lediglich für entgangenen Nutzen entschädigt werden.
4. Erneuerung des PIC bei veränderter Nutzung Wenn die Nutzer oder die Art der Benutzung der genetischen Ressourcen sich ändert, soll eine erneuerte Zustimmung nötig werden. Diese wäre dann in Bezug auf die neue Nutzung vorherig, informiert und frei. Ein solcher Fall tritt zum Beispiel ein, wenn die Nutzungsrechte an ein anderes Unternehmen veräußert werden oder wenn neben der Nutzung von Pflanzenwirkstoffen als Medikament auch die Herstellung von Kosmetika auf dieser Basis erfolgen soll.
5. Partizipation aller Rechte-Inhaber Die Einbeziehung aller möglichen Rechte-Inhaber ist wichtig, um zu verhindern, dass ABS-Vereinbarungen Konflikte zwischen Gemeinschaften hervorrufen, die die gleichen genetischen Ressourcen und traditionelles Wissen teilen. Ohne die Verpflichtung zur Partizipation aller Rechte-Inhaber können verschiedene Individuen als Repräsentanten ihrer jeweiligen Untergruppen einer indigenen Gruppe gegeneinander ausgespielt werden und die „billigste” Zustimmung als Basis für einen ABS-Vertrag genutzt werden.
6. Multilateraler Mechanismus Wenn genetische Ressourcen und traditionelles Wissen aus mehr als einem Land stammen, muss der Gewinn international geteilt werden. Der Hoodia-Kaktus (siehe Kasten) etwa wird von verschiedenen San-Gruppen genutzt, diese aber leben ohne zentrale Organisation in verschiedenen Staaten des südlichen Afrika. Einen Mechanismus zu finden, der etwaige Gewinnbeteiligungen gerecht aufteilt, ist schwierig. Im Falle der Hoodia-Verwertung wurde versucht, dies über die Gründung einer Stiftung zu regeln.
7. Rechtssysteme in Nutzerländern Wenn die Rechtssysteme in Nutzerländern nicht garantieren, dass Nutzer biologischen Materials den PIC und die MAT einhalten, ist ein ABS-Abkommen zahnlos. Daraus folgt auch die Notwendigkeit von Sanktionen für die Nichteinhaltung von PIC und MAT.
8. Sicherstellung der Rechtsdurchsetzung Inhaber von Rechten an genetischen Ressourcen und traditionellem Wissen müssen die Chance haben und mit den Mitteln ausgestattet werden, in den Rechtssystemen der Nutzerländer ihre Ansprüche vertreten und durchsetzen zu können. Die allermeisten Nutzer-Staaten, unter ihnen auch die EU, weigern sich, ein Ursprungs-Zertifikat zur Vorbedingung für die Patentierung oder für die Marktzulassung von neuartigen pflanzlichen Produkten zu machen. Erst diese Maßnahme gäbe aber den ursprünglichen das biologische Material bereitstellenden Gruppen, den Providern, die regelmäßige Chance, von der Verwendung ihres Materials Kenntnis zu erhalten und dann gegen etwaige Verletzungen ihrer Rechte vorgehen zu können und nicht auf zufällige Entdeckungen von Biopiraterie angewiesen zu sein. Die Frage nach der Rechtsdurchsetzung ist aber auch eine finanzielle Frage; die Honorare von Patentanwälten sind ob der oft erheblichen Streitwerte nicht gering.
9. Sicherstellung weiterer freier Nutzbarkeit Beim Hoodia-Fall mussten die San im ABS-Vertrag auf die eigene Vermarktung von Hoodia verzichten und die vorangegangene Patentierung des Wirkstoffes „P57” akzeptieren. Die NGO fordern, dass auch nach einer Vereinbarung über den Zugang, die genetischen Ressourcen und das traditionelle Wissen frei von geistigen Eigentumsrechten bleiben müssen, die den weiteren Zugriff einschränken. Damit wäre eine Patentierung unzulässig und eine Verzichtsklausel wie bei den San in einem Vertrag unwirksam.
10. Bewahrung und nachhaltige Nutzung biologischer Vielfalt Ein Problem ist immer der drohende Raubbau an natürlichen Ressourcen und die Verteuerung ursprünglich günstiger einheimischer Produkte. Begehrten Heilpflanzen droht bei unkontrollierter Wildsammlung die Ausrottung, und schon die Verteuerung kann sie für einkommensschwache Bevölkerungsgruppen unerschwinglich machen. So geschah es bei den Neem-Produkten(5): Früher standen sie in den Herkunftsländern des Neem-Baumes der ganzen Bevölkerung günstig zur Verfügung, durch die weltweite Nachfrage stiegen die Preise stark an.

Grundsätzliche Kritik an der CBD

Die BUKO-Biopiraterie-Kampagne hatte schon 2004 kritisiert, dass „die CBD mit der Zuweisung von Biodiversität unter staatliche Souveränität und dem Ansatz des Benefit-Sharing von einem Konzept der Festschreibung von Eigentumsrechten an der Natur ausgeht”. Damit werde „die kapitalistische Verwertung von Natur unterstützt”. Speziell zum Benefit-Sharing wurde festgestellt, dass es „nicht gerecht sein kann, wenn ein Vertrag mit einer indigenen Gemeinschaft geschlossen wird, aber mehrere Gemeinschaften - auch über Grenzen hinweg - die entsprechende Pflanze nutzen”. Außerdem seien „die oft existierenden Formen kollektiver Entscheidungsfindung in indigenen und lokalen Gemeinschaften nicht notwendigerweise mit einer Verhandlungssituation, wie sie die CBD vorsieht, vereinbar”. Betont wird auch, dass „die konkrete Ausgestaltung eines Benefit-Sharing-Vertrages immer von den Kräfteverhältnissen zwischen den Verhandlungspartnern abhängt und damit in vielen Fällen die Akteure des Nordens begünstigt”. Viele der Aspekte des Diskussionspapiers von 2004 finden sich auch in den Forderungen des NGO-Statements von Montreal. Doch bleibt die grundsätzliche Kritik an der CBD außen vor: Sie fördert und legitimiert die Inwertsetzung biologischen Materials als genetische Ressource. Die BUKO-Kampagne will sich jedoch nicht an einer Optimierung kapitalistischer Naturverwertung beteiligen, vielmehr setzt sie sich für deren Überwindung ein. So bleiben auch die drei abschließenden Forderungen von 2004 aktuell: − Patente auf Mikroorganismen, Pflanzen, Tiere, Menschen und ihre Teile dürfen nicht vergeben werden. Dies soll in der CBD festgeschrieben werden. − Alle Bioprospektionsprojekte sollen so lange eingestellt werden, bis die marginalisierten Akteure gehört wurden und ihre Forderungen Berücksichtigung gefunden haben. − Nicht gewinnorientierte Forschung in öffentlicher Hand soll gestärkt und Forschungsförderung und (Quer)-Subventionierung für Private eingestellt werden.
  • Ten Kate, K. & S.A. Laird (1999): The commercial use of biodiversity. Access to genetic resources and benefit-sharing
  • Etwa: gleichgesinnte megadiverse Länder (das heißt, Länder mit einer außergewöhnlich großen Biodiversität).
  • African Center for Biosafety (Südafrika), Erklärung von Bern (CH), EED (D), Ecoropa, Edmonds Institute (USA), Forum Umwelt und Entwicklung (D), Global Forest Coalition, Global Justice Ecology Project (USA), Misereor (D), Research & Action in Natural Wealth Administration (Indien), Sobre Vivencia (Paraguay), Third World Network (Malaysia), Worldwide Fund for Nature

    Quellen

    Diskussionspapier zur „Konvention über Biologische Vielfalt“ (CBD), erstellt von der BUKO-Kampagne gegen Biopiraterie, im Netz unter: www.biopiraterie.de/fileadmin/pdf/cbd_diskpapier.pdf. NGO Statement on an International ABS-Regime (Oktober 2007), im Netz unter: www.eed.de > Umwelt
  • GID Meta
    Seite 15 - 18

    Andreas Riekeberg ist aktiv im Dachverband „Kulturpflanzen- und Nutztiervielfalt“ und in der Kampagne für Saatgut-Souveränität, www.saatgutkampagne.org.

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    Der Hoodia-Kaktus

    Der Hoodia-Fall war einer der ersten auch in den Medien bekannter gewordenen Biopiraterie-Fälle. Das Center for Scientific and Industrial Research (CSIR) in Südafrika hatte den in der Hoodia-Pflanze vorkommenden Appetit zügelnden Wirkstoff bereits 1996 patentiert. Das in der Kalahari (einer Wüste, die sich über mehre Länder im südlichen Afrika erstreckt) lebende Volk der San hat mit dem CSIR einen Vertrag ausgehandelt, der den San einen - wenn auch kleinen - finanziellen Anteil an verkauften Hoodia-Produkten zugesteht. Zuletzt hatten die San - vertreten durch die Arbeitsgemeinschaft der indigenen Völker von Südafrika (WIMSA) - im Frühjahr 2006 Beschwerdebriefe an die Regierungen von Südafrika, Deutschland und der Schweiz geschickt, in denen die WIMSA fordert, gegen den illegalen Verkauf von Hoodia-Produkten in diesen Ländern vorzugehen. Hoodia ist eine Pflanze, die ein Sättigungsgefühl hervorruft. Sie wird von den San seit mehr als hundert Jahren als Appetitzügler eingesetzt. (Siehe auch www.eed.de und www.evb.ch.) (pau)

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