Gute Nachrichten aus Luxemburg: Europäischer Gerichtshof stärkt Vorsorge
Auch neue Gentechnik-Verfahren werden nach dem EU-Gentechnikrecht reguliert
(25. Juli 2018, Berlin) Der Europäische Gerichtshof hat heute über die Regulierung neuer Gentechnik-Verfahren entschieden. Das Gericht vertritt die Meinung, dass auch neue Gentechnik-Verfahren nach dem Gentechnikrecht reguliert werden. Das bedeutet auch: die aktuelle Gentech-Regulierung der Europäischen Union ist ausreichend klar und es besteht kein Handlungsbedarf, diese Regulierung zu überarbeiten oder zu ergänzen.

Präzise Technik?
Das Gericht bezieht sich in wesentlichen Punkten seiner Entscheidung auf den Erwägungsgrund 17 der EU-Freisetzungsrichtlinie (2001/18). Erwägungsgrund 17 klärt, dass bestimmte Techniken - und die mit ihnen hergestellten Pflanzen - aus der Regulierung ausgenommen werden können, da sie seit langer Zeit genutzt werden und als sicher gelten. Dazu zählt zum Beispiel die klassische Mutagenese, die schon seit mehr als 50 Jahren im Verlauf der Entwicklung neuer Pflanzensorten zum Einsatz kommt. Neue Gentechnik-Verfahren wie CRISPR-Cas verfügen nicht über eine langjährige sichere Nutzung - für sie kann eine solche Ausnahme entsprechend nicht gelten.1
Gerade vor dem Hintergrund jüngster Entwicklungen erklärt sich der Sinn dieser Argumentation: WissenschaftlerInnen des britischen Sanger-Instituts haben zum Beispiel erst kürzlich gefunden, dass CRISPR-Cas9 zu größeren Schäden im Genom führt als bisher bekannt.2 Zudem haben - unter anderem - MitarbeiterInnen von verschiedenen Bundesbehörden im Juni dieses Jahres bestätigt, dass Methoden des sogenannten Genome Editing in der Regel identifizierbare Spuren („Signaturen“) im Genom der veränderten Organismen hinterlassen.3
Christof Potthof, Mitarbeiter des Gen-ethischen Netzwerks (GeN), dazu:
„Diese Entwicklungen zeigen insbesondere eines: dass die neuen Gentechnik-Verfahren neu sind. So banal, so wichtig: Im Monatstakt werden neue Details bekannt. Um das mit den neuen Gentechnik-Verfahren verbundene Risiko überhaupt einschätzen zu können, müssen sie eingehend geprüft werden. Das wollen wir nicht einzelnen Behörden-MitarbeiterInnen überlassen, sondern an dieser Stelle wollen wir mitreden. Das Gentechnikrecht der Europäischen Union hat sich - bei allen Schwächen - in der Vergangenheit bewährt. Es bietet eine Grundlage, auf der Bewertungen von neuen Gentechnik-Verfahren und den mit ihnen hergestellten Produkten in Verbindung mit der Beteiligung von Bevölkerung und Verbänden möglich sein sollten.“
„Wir freuen uns sehr, dass der Europäische Gerichtshof das Vorsorgeprinzip in dieser umfassenden Art und Weise gestärkt hat“, so Christof Potthof. Und weiter: „Das Gericht greift unser zentrales Argument auf - ein großer Erfolg! Der Bremer Jurist Ludwig Krämer hatte bereits 2015 umfassend begründet, dass zwei der heute bedeutenden Techniken (CRISPR-Cas und Oligunuklotid-gerichtete Mutagenese) in den Regulierungsbereich der EU-Gentechnik-Gesetzgebung fallen. Auch Krämer hatte das Prinzip der Geschichte der sicheren Nutzung aus der Freisetzungsrichtlinie als zentrales Argument identifiziert.“
Die Regulierung von neuen Gentechnik-Verfahren darf nicht mit ihrem Verbot verwechselt werden.
Ansprechpartner im GeN:
Christof Potthof
eMail: cp@gen-ethisches-netzwerk.de
Tel.: 01521/758 2723
Resolution von 21 Verbänden (4. Juli 2018):
https://gen-ethisches-netzwerk.de/gen/pm/180703_p…
- 1Rechtssache C‑528/16, http://curia.europa.eu/juris/document/document.js…
- 2https://www.sanger.ac.uk/news/view/genome-damage-….
- 3Der Aspekt, dass die mit Genome Editing-Verfahren hergestellte Pflanzen und Produkte möglicherweise nicht von konventionellen oder biologischen Pflanzen und Produkten unterschieden werden könnte, wurde von verschiedenen Akteuren als Grund ins Feld geführt, dass diese nicht reguliert werden dürften. Siehe z.B.: http://www.keine-gentechnik.de/nachricht/33300 oder https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fbio…
Gen-ethisches Netzwerk e.V.