Kurz notiert – Landwirtschaft und Lebensmittel

 

Anbau & Pestizide

Gentechnik-Bananen

Die Technische Universität von Queensland in Australien hat dieses Jahr einen Antrag auf Zulassung für den Anbau von TR4-resistenten Bananen beantragt. Der TR4-Pilz stellte eine weltweite Bedrohung für Bananen der Sorte Cavendish dar, welche die globale Bananenindustrie dominiert. Da der Pilz nicht mit Pestiziden bekämpft werden kann, ist die Cavendish-Pflanze schon seit Jahren Ziel von zahlreichen Forschungsvorhaben. Wissenschaftler*innen der Universität gelang es, ein Resistenzgen aus einer Wildbanane durch klassische Gentechnikverfahren in Cavendish-Sorten einzubauen. Allerdings sei nicht geplant, die sogenannte QCAV-4-Banane zu vermarkten. Die Pflanze diene lediglich als Vorsorgemaßnahme, um die australische Bananenindustrie im Notfall zu schützen. Andere Unternehmen wie Elo Life Systems und Tropic Biosciences arbeiten auch an TR4-resistenten Bananen, die mit neuen Gentechnikverfahren hergestellt wurden. Letztere hat auch eine gentechnisch veränderte Banane hergestellt, die nicht mehr braun wird und vor kurzem zur Vermarktung auf den Philippinen zugelassen wurde. Sowohl Pilzbefall als auch die Verfärbung von Bananen stellen große Herausforderungen für die Bananenindustrie dar, für die vermehrt gentechnische Verfahren als Lösungsansätze herangezogen werden. (Tropic BioSciences, o.D., www.tropic.bio, Australian Government, 06.04.23, www.ogtr.gov.au) (psk)

USA: Bayer-Mais als neuer weltweiter Standard?

Bayer hat eine Zulassung für den Anbau einer neuen gentechnisch veränderten Maissorte in den USA bekommen. Der neue Mais MON94804 soll, Berichten des Konzerns zufolge, auf allen Kontinenten eingeführt werden und bis 2030 der neue weltweite Standard werden. Mit Verfahren der klassischen Gentechnik wurde der Haushalt des Pflanzenwachstumshormons Gibberellinsäure verändert, um kürzere Pflanzen zu produzieren, die beim Lagern nicht mehr einknicken sowie resilienter gegenüber starkem Wind sind [Fehler in der Printausgabe, nachträgliche Korrektur, 31.08.23]. Aufgrund ihres geringen Wachstums soll die neue Maissorte dichter angepflanzt werden können und eine optimierte Anwendung von Pestiziden ermöglichen. Die Behörde zur Risikoprüfung von Tieren und Pflanzen des U.S. Landwirtschaftsministeriums hat die Maissorte als sicher für Anbau und Zucht in den USA bewertet. Bevor die Maissorte vermarktet werden darf, bedarf es noch einer Genehmigung der amerikanischen Umweltschutzbehörde und der von den Importen betroffenen Länder. Voraussichtlich soll das innerhalb der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts der Fall sein. (U.S. Department of Agriculture, 07.06.23 www.aphis.usda.gov) (psk)

USA: Grünes Licht für Signal­pflanzen

Ende Juni hat die US-Landwirtschaftsbehörde USDA den Anbau von InnerSoy als unbedenklich für die Umwelt eingestuft. Die von der Firma InnerPlant entwickelte gentechnisch veränderte (gv) Sojabohne kann nun ohne weitere Auflagen auf die Felder. Sie ist gentechnisch so verändert, dass sie bei Schädlingsbefall Signale aussendet – die Pflanzen leuchten sozusagen. Diese Signale lassen sich mit Fernerkundungsgeräten von Traktoren, Drohnen, Flugzeugen oder auch Satelliten empfangen und sollen die Landwirt*innen frühzeitig darüber informieren, dass Schädlinge in ihren Sojafeldern auftreten. 2024 soll InnerSoy als weltweit erste Signalpflanze auf den US-Markt kommen. Mit InnerTomato und InnerCotton dürften weitere folgen. Die Signalpflanzen besitzen alle ein Gen, das für ein fluoreszierendes Protein kodiert, sowie einen damit verbundenen Genschalter, der nur durch bestimmte Trigger – wie etwa Schädlinge, Krankheitserreger oder auch Nährstoffmangel – aktiv wird. Neben InnerSoy erhielten zwei weitere gv-Pflanzen von InnerPlant grünes Licht von der USDA – eine Tomate und eine Sojabohne, die beide zum Kalibrieren der Fernerkundungsgeräte notwendig sind. (USDA, 27.06.23, www.aphis.usda.gov; InnerPlant, o.D., www.innerplant.com) (bv)

 

Nahrungsmittel

Erneut unbewilligter gv-Reis gemeldet

Ende Juni meldete Deutschland im Europäischen Schnellwarnsystem für Lebens- und Futtermittel (RASFF), dass Reisnudeln aus Vietnam entdeckt worden sind, die Spuren von nicht zugelassenem gentechnisch verändertem (gv) Reis enthalten. Dies ist der dritte derartige Fund innerhalb eines Jahres. Wie die beiden Male zuvor, informierten die Behörden zwar ihre europäischen Kolleg*innen, nicht aber die deutschen Verbraucher*innen. Der Informationsdienst Gentechnik (IG) kritisiert dieses Vorgehen: Da die Kontaminationen mit dem gv-Reis als „potenzielles Risiko“ eingestuft sind, bestehe durchaus ein öffentliches Interesse an einer Warnung. Reisprodukte, die einen unbewilligten gentechnisch veränderten Organismus enthalten, tauchen seit Jahren wiederholt im EU-Handel auf. Neben Vietnam sind China, Indien und Thailand meist die Herkunftsländer. Wie gv-Reis immer wieder in die Produkte kommt, bleibt rätselhaft. Erst seit 2022 findet überhaupt gv-Reisanbau statt und dies auch nur auf den Philippinen. (RASFF-Meldung, 28.06.23, https://food.ec.europa.eu; IG, 25.06.23, www.keine-gentechnik.de) (bv)

USA: CRISPR-Salat in Restaurants

Mitte Mai lancierte die Genome Editing-Firma Pairwise ihr erstes Produkt: Conscious™ Greens – ein Brauner Senf, dessen Blätter nicht mehr scharf schmecken, weil in seinem Erbgut mit CRISPR alle 17 Myrosinase-Gene ausgeschaltet worden sind. Ohne diese Gene fehlt dem gentechnisch veränderten (gv) Senf das Enzym, das für die Bildung der scharfen und bitteren Öle zuständig ist. Der Anbau des Senfs ist in den USA bereits seit 2020 möglich. Jetzt landen seine „entschärften“ Blätter erstmals auf den Tellern – und zwar in Mischsalat, den die Firma Performance Food Group an ausgewählte US-Restaurants liefert. Ab Ende 2023 soll Conscious™ Greens dann auch in Läden erhältlich sein. Da der gv-Senf in den USA rechtlich kein genetisch veränderter Organismus ist, musste Pairwise keinen Sicherheitsnachweis erbringen. Nach Einschätzung von Testbiotech bleibt es daher fraglich, ob der gv-Senf sicher für Mensch und Umwelt ist. Denn tief greifende gentechnische Veränderungen, wie sie der gv-Senf aufweist, könnten dazu führen, dass die Pflanze unerwünscht auf Mensch und Umwelt wirkt. (Pairwise, 16.05.23, www.pairwise.com; Testbiotech, 25.05.23, www.testbiotech.org) (bv)

USA: Grillwürste aus gv-Schweinen

Wie die Washington State University (WSU) Anfang Mai bekannt gab, hat ihr Fleischlabor fünf gentechnisch veränderte (gv) Schweine zu Würsten verarbeitet. Damit die Würste gegrillt und verspeist werden durften, hatte die WSU zuvor eine Investigational Food Use-Genehmigung eingeholt. Die amerikanische Lebensmittelbehörde FDA erteilt solche Genehmigungen, damit Tiere aus Forschungsprojekten als Lebensmittel verwendet werden können und nicht anderweitig entsorgt werden müssen. Die verwursteten gv-Schweine stammen aus einem Projekt zur Entwicklung von Ebern, die in ihren Hoden Spermien anderer Eber produzieren. Mit solchen „Leihvätern“ soll es möglich werden, die Spermien von „Elitevätern“ rasch und in größeren Mengen zu verbreiten. Das Konzept dahinter beruht methodisch auf Genome Editing und Stammzelltransplantation. Als erstes schalten die Forschenden im Erbgut der Eber das NANOS2-Gen aus, sodass die Tiere keine eigenen Spermien bilden. Dann transplantieren sie spermabildende Stammzellen anderer Eber in die Hoden der gv-Tiere. Da Routinemethoden für den Transfer der Stammzellen derzeit fehlen, ist das Leihvater-Konzept noch nicht marktreif. (WSU, 01.05.2023, www.news.wsu.edu) (bv)

 

Wissenschaft

CRISPR-induzierte Chromothripsis bei Pflanzen

Zum ersten Mal wurde nachgewiesen, dass die Genome Editing-Methode CRISPR-Cas9 zu unbeabsichtigten chromosomalen Neuanordnungen bei der Herstellung von gentechnisch veränderten Pflanzen führen kann. Chromothripsis beschreibt eine Reihe von extremen Veränderungen im Erbgut, wie zum Beispiel die Verlagerung oder das Verschwinden von großen DNA-Abschnitten. Durch die Anwendung von CRISPR-Cas9 entstehen Doppelstrangbrüche (DSB) im Erbgut, die normalerweise durch zellinterne Mechanismen repariert werden. In Ausnahmefällen greifen diese Reparaturmechanismen jedoch nicht, wodurch Chromothripsis-Effekte entstehen können. Diese Ereignisse konnten bisher nur in Säugetierzellen beobachtet werden. Ende Mai haben Wissenschaftler*innen der Cornell Universität (USA) und des Weizmann Institute of Science (Israel) den Vordruck einer Studie publiziert, in der durch CRISPR-Cas9-induzierte Chromothripsis-Effekte zum ersten Mal in Pflanzenzellen nachgewiesen werden. (BioRxiv, 24.05.23, www.biorxiv.org, Testbiotech, 20.06.23, www.testbiotech.org) (psk)

Identifikation genomeditierter Pflanzen

Lassen sich mittels Genome Editing veränderte Pflanzen, die frei von artfremder DNA sind, eindeutig identifizieren? Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit und das Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt haben diese Frage an vier gentechnisch veränderten (gv) Pflanzen abgeklärt: dem Falcon-Raps von Cibus, der Calyno-Sojabohne von Calyxt (heute Cibus), der High-GABA-Tomate von Sanatech und dem Wachsmais von Corteva. Die im Fachmagazin Food Control veröffentlichten Ergebnisse: Bei allen vier gv-Pflanzen gelingt der Nachweis der im Labor erzeugten Veränderung. Bei der Calyno-Sojabohne und dem Wachsmais dürfte zudem die eindeutige Identifizierung als Genome Editing-Produkt möglich sein. Laut den Behörden braucht es neue Multi-Target-Strategien zur Identifizierung genomeditierter Pflanzen. Sie begrüßen deshalb, dass die EU-Kommission im Rahmen ihres „Horizont Europa“-Forschungsprogramms bereits Ende März zehn Millionen Euro für die Entwicklung neuer Nachweismethoden versprochen hatte. (EU-Kommission, 31.03.23, https://ec.europa.eu; Food Control, 29.05.23, www.doi.org/10.1016/j.foodcont.2023.109869) (bv)

Wiederzulassung von Glyphosat

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat in einem am 06. Juli veröffentlichten Gutachten „keine kritischen Problembereiche“ bezüglich des Breitbandherbizids Glyphosat festgestellt. Allerdings weist sie auf Unvollständigkeiten in der Einschätzung der Risiken für Wasserpflanzen, der ernährungsbedingten Risiken für Konsument*innen und einer unzureichenden Bewertung von Verunreinigungen in Glyphosat hin. Sie stellt auch eine Vergiftungsgefahr für Säugetiere fest, die über einen längeren Zeitraum dem Pestizid ausgesetzt sind. Bezüglich der umstrittenen Frage, ob Glyphosat als krebserregend gilt, übernimmt die EFSA den Standpunkt der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA): „Glyphosat ist nicht als karzinogener, mutagener oder reproduktionstoxischer Stoff einzustufen“. Alle fünf Jahre unterliegen Pflanzenschutzmittel einem neuen Bewertungsverfahren zur Wiederzulassung in der EU. Das Gutachten der EFSA ist Produkt eines dreijährigen Prozesses, der die Aussicht auf eine erneute Zulassung von Glyphosat im Dezember dieses Jahres sehr wahrscheinlich macht. (EFSA, 06.07.23, www.efsa.europa.eu) (psk)

 

Politik & Handel

Europäische Saatgutreform

Die europäische Kommission hat am 5. Juli eine Anpassung der bisherigen Rechtsvorschriften zu Pflanzenvermehrungsmaterial (PVM) und forstlichem Vermehrungsmaterial (FVM) in zwei Verordnungen vorgeschlagen. Da die elf betroffenen Richtlinien teilweise aus den 1960er Jahren stammen, ist eine Reform notwendig, um Innovation und Wettbewerbsfähigkeit der Forstwirtschaft und Saatgutindustrie zu fördern – so die EU-Kommission. Abgesehen davon soll sie dazu beitragen, Nachhaltigkeitsziele im Zusammenhang mit dem europäischen Green Deal zu erreichen. Zu den Neuregelungen gehört die Registrierung und Zertifizierung von Pflanzensorten und deren Merkmalen durch angepasste Monitoring Verfahren. Abgesehen davon soll die Weitergabe von Saatgut im wirtschaftlichen Sektor neuen Dokumentationsanforderungen unterliegen, um die Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten. Der private Sektor, zum Beispiel Hobby-Gärtner*innen, soll dagegen von bürokratischen Auflagen entlastet werden. Bäuer*innen-Verbände kritisieren eine exzessive Einschränkung im freien Handel mit Saatgut. Sowohl öffentliche Genbanken als auch private Saatgut-Sammlungen wären laut dem neuen Entwurf nicht mehr möglich. Kommerzielle Saatguthersteller und Züchtungsunternehmen begrüßen die Bemühungen. In den kommenden Wochen werden sich der Ministerrat und das EU-Parlament über das Vorhaben austauschen. (EU-Kommission, 06.07.23, https://food.ec.europa.eu) (psk)

CH: Gentechnikregulierung

Das Schweizer Parlament hat den Bundesrat damit beauftragt, bis Mitte 2024 einen Regulierungsvorschlag für die neuen gentechnischen Verfahren, wie die sogenannte Genschere CRISPR-Cas, zu erarbeiten. Ein breites Bündnis aus rund 60 zivilgesellschaftlichen Organisationen aus der Schweiz hat sich deshalb jetzt zu den Verfahren der sog. neuen Gentechnik positioniert. Das Bündnis fordert, dass auch diese gentechnischen Verfahren im schweizerischen Gentechnikgesetz reguliert werden. In einem Positionspapier werden der Bundesrat und das Parlament aufgefordert, alle vorhandenen wie künftigen gentechnischen Methoden und die daraus entstehenden gentechnisch veränderten Organismen (GVO) und Produkte weiterhin unter dem bestehenden Gentechnikrecht zu regulieren und zu kennzeichnen. Wie in der EU, so sind auch in der Schweiz Bestrebungen aus industrienahen Kreisen im Gange, die sog. neuen Gentechnikverfahren von der Gentechnikgesetzgebung auszunehmen. Im Jahr 2021 wurde das Gentechmoratorium, das den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen verhindert, vom Schweizer Parlament bis Ende 2025 verlängert. Gleichzeitig soll geprüft werden, ob eine Koexistenz zwischen GVO und konventionell und biologisch angebauten Landwirtschaftsprodukten möglich wäre. (Keine Neue Gentechnik, 01.06.23, www.keine-neue-gentechnik.ch) (gp)

GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
266
vom August 2023
Seite 20 - 21

GID-Redaktion

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