Rezension: Absurder Laboralltag

Die prekären Arbeitsbedingungen der Wissenschaft werden schon seit geraumer Zeit heiß diskutiert und seit 2021 auf Social Media-Plattformen unter dem Hashtag #IchbinHanna offengelegt. Hanna ist eine fiktive Figur aus einem staatlichen Erklärvideo über die vermeintlichen Vorteile der gesetzlich begrenzten Zeit, die Wissenschaftler*innen an deutschen Unis mit befristeten Verträgen forschen dürfen. Haben sie bis dahin keine Professur ergattert, müssen die allermeisten die Wissenschaft verlassen. Auch die Autorin Anna-Christine Schmidt ist eine Hanna – nachdem sie sich jahrelang für die Forschung krank gearbeitet hatte, musste sie die Universität mit 39 Jahren verlassen. Ihr Buch ist keine trockene arbeitsrechtliche Analyse, sondern ein erstaunlich packender Erfahrungsbericht der Absurditäten des Laboralltags. Schmidt beschreibt lebendig die engen Räume, die Konkurrenz um die Bedienung von teuren Großgeräten und wertvollen Proben, die exzentrischen Verhaltensweisen von Kolleg*innen – bis hin zu Mobbing und Machtmissbrauch. Schmidt wirft die berechtigte Frage auf, warum Menschen wie sie, die Biologie studiert haben, weil sie die Natur lieben, am Ende jahrelang Berge an Plastik- und Giftmüll produzieren. Warum sie unter Neonlicht Lebewesen unter derart künstlichen Bedingungen erforschen, dass die Übertragbarkeit der Ergebnisse zurück auf die Natur höchst fraglich ist. Eine Antwort mag wissenschaftliche Neugier sein, aber eine andere sind die Zwänge des Wissenschaftssystems.

Schmidt, A.C. (2023): A – Albtraum Wissenschaft. Textem, 154 Seiten, Print: 16,- Euro. ISBN: 978-3-86485-286-2.

GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
268
vom Februar 2024
Seite 33 - 34

Dr. Isabelle Bartram ist Molekularbiologin und Mitarbeiterin des GeN.

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