Vergiftet - Land, Leute und Debatte
Der Agrarwissenschaftler Charles Benbrook beschäftigt sich seit Jahren mit gentechnisch veränderten Pflanzen. Sein unlängst erschienener Bericht „Die ersten dreizehn Jahre” legt dar, dass der Anbau von gentechnisch veränderten (gv) Pflanzen bisher in den USA zu einem Mehreinsatz von Pestiziden in einer Größenordnung von knapp 150 Millionen Kilogramm geführt hat. Gilles-Eric Séralini hat in den vergangenen Jahren eine Reihe von wissenschaftlichen Publikationen über die Gifte, die in Verbindung mit gentechnisch veränderten Pflanzen auf die Felder kommen, vorgelegt. Séralini, Professor an der Universität der französischen Stadt Caen, kritisiert insbesondere die Zulassungsverfahren für GVO, aber auch die für Pestizide. Während unseres Interviews ergab es sich, dass wir mit ihm auch über die jüngste Arbeit von Charles Benbrook sprachen, die Séralini ausdrücklich begrüßt, an der er aber drei Punkte kritisiert. Auf diese Kritik reagiert Benbrook seinerseits in einem - kurzen - zweiten Beitrag. „Mit Gift und Genen” - der Film der französischen Regisseurin Marie-Monique Robin genießt mittlerweile, zwei Jahre nach seiner ersten Ausstrahlung im März 2008, Kultstatus. Das Portrait des Chemie- und Gentechkonzerns Monsanto und seine Macherin wurden im Dezember 2009 von der Deutschen Umwelthilfe mit deren Medienpreis ausgezeichnet. Eine gute Gelegenheit für ein Interview und einen Blick zurück. Robin ist auch heute noch regelmäßig mit dem Film unterwegs. Dass der Film an dem Verbot des gentechnisch veränderten Mais MON810 in Luxemburg seinen Anteil hatte, wie der Autorin versichert wurde, wundert diejenigen, die ihn gesehen haben, nicht. Neben vielen positiven Erfahrungen zeigt sich - nach Ansicht der Regisseurin - aber auch, dass es bei vielen Menschen ein sehr ausgeprägtes Misstrauen gegenüber der Presse gibt. Der Naturschutzbund (NABU) hat im Dezember des vergangenen Jahres zwei US-Wissenschaftlerinnen eingeladen, die den Einfluss von insektengiftigem Bt-Toxin aus gentechnisch veränderten Pflanzen auf aquatische Lebensräume untersuchen. Die erste Publikation von Emma Rosi-Marshall und Jennifer Tank zu diesem Thema hatte eine stürmische, nicht immer fair geführte Debatte in der Wissenschaftswelt ausgelöst. Die beiden präsentierten in Berlin neuere Ergebnisse und damit Reizstoff für eine Debatte, die seit geraumer Zeit in Deutschland (und anderswo) schwelt: Welches ist das richtige Konzept für die Risikoforschung bei gentechnisch veränderten Organismen? Ihre Erfahrungen boten zudem Anlass, über die Spielregeln zu sprechen, die in der Wissenschaft gelten (GID-Autor Christof Potthof berichtet). Unser Redaktionsmitglied Anja Lägel gibt einen kurzen Überblick über die Pflanzen, die in der Europäischen Union in der näheren Zukunft in Freisetzungsversuchen getestet werden sollen. Zu finden sind hier in erster Linie diejenigen gentechnisch veränderten Pflanzen, die mit Gift in Verbindung stehen: Herbizidtolerante und insektengiftige Linien bestimmen das Bild. Geht es nach den GentechnikerInnen, wird auch in Wäldern und Baumplantagen bald das System von gentechnisch veränderten Pflanzen und zugehörigen Pestiziden Einzug halten. Forschungen an gv-Bäumen betreffen in erster Linie die Herbizidtoleranz der Bäume, deren Produktion von Insektengiften und die Reduzierung des Ligninanteils im Holz. Dabei ist zum Beispiel die Risikoforschung bei den gv-Bäumen um einiges komplizierter als zum Beispiel bei einjährigen Ackerpflanzen, weil die Bäume durch ihre Langlebigkeit besondere Anforderungen stellen. Antje Lorch, freiberufliche Beraterin in den Bereichen Agro-Gentechnik, Landwirtschaft und internationale Politik, betont, dass gentechnische Veränderungen über längere Zeiträume stabil sein müssen. Im übrigen seien die Konzepte der Risikoforschung selbst für einjährige Nutzpflanzen umstritten - oft fehlten zum Beispiel Daten, um auftretende negative Effekte dokumentieren zu können.
GID-Redaktion
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