Monsantos Brokkoli

Protestaktionen gegen ein umstrittenes Patent

Im Juli fand in München am Europäischen Patentamt eine öffentliche Anhörung zu den umstrittenen Patenten auf Brokkoli und Tomaten statt - begleitet von zahlreichen Protestaktionen.

Der Hammer kam ganz zum Schluss: „Ja, der Brokkoli ist sehr interessant für unsere Gemüse-Leute“, sagte der Monsanto-Sprecher Andreas Thierfelder nach dem Ende der öffentlichen Anhörung zum Brokkoli-Patent der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes. Der Branchenprimus der Gentechnik steht, wie sich herausstellte, hinter diesem Patent. Monsanto hält die Lizenzen und wird den Brokkoli, dem eine besondere gesundheitsfördernde Wirkung zugeschrieben wird, vermarkten. Das Brokkoli-Patent sorgt bereits seit Jahren für Aufsehen: Konventionell gezüchteter Brokkoli wurde 2002 patentiert. Spätestens seit der Gründung der Koalition No Patents on Seeds im Jahre 2007 laufen Initiativen aus Bäuerinnen und Bauern, VerbraucherInnen und viele andere Sturm gegen diese neue Stufe der Privatisierung genetischer Ressourcen. So auch im Juli in München: Eine öffentliche Anhörung zu den Patenten auf Brokkoli EP 1069819 und Tomaten EP 1211926 1 wurde von einer Kundgebung der Patent-KritikerInnen begleitet. Mehrere hundert Demonstrantinnen und Demonstranten vor dem Europäischen Patentamt zeigten, was sie von Biopatenten halten: Geschreddert haben sie die Patentschriften. Nach den vielen Reden und Stellungnahmen, die während der Kundgebung nochmals die Gründe für ihre Ablehnung der Biopatente verdeutlicht hatten, war das ganz nach ihrem Geschmack. Mit Verve wurden die Papier-Stapel in Streifen geschnitten. Und man konnte es in den Gesichtern der Menschen vor dem großen Palast aus Stahl und Glas des Patentamtes in der Münchener Erhardtstraße lesen, wie sehr ihnen diese Aktion aus dem Herzen sprach. Einer nach dem anderen, eine nach der anderen standen sie vor den kleinen Maschinen und schredderten all‘ die Patente, die in den letzten Jahren für so viel Unmut gesorgt hatten: auf Sonnenblumen (EP 1185161), auf Milchkühe (EP 1330552), auf Schweine (EP 1651777), auf Mais (EP 744 888), auf Soja (EP 2148885) und natürlich auf Brokkoli und Tomaten. Die Schredderreste wurden verbrannt oder in die Tonne geworfen. Die Tonnen schoben sie direkt zum Haupteingang des Amtes hinein: „Mit freundlichen Grüßen!“. Neben dem, was von den geschredderten Patentschriften übrig blieb, konnten die Initiatoren der Kundgebung wieder tausende von Unterschriften gegen die Patentierung von Pflanzen und Tieren und gegen die „Monsantosierung“ der Lebensmittel beim Europäischen Patentamt abgeben - mittlerweile sind das insgesamt knapp 100.000.

Breites Bündnis

Zu der Kundgebung hatten neben der Initiative Kein Patent auf Leben! auch das Gen-ethische Netzwerk, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, die Bäuerliche Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall, Bioland, die Bundesvereinigung deutscher Milchviehhalter, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, der Bund Naturschutz in Bayern, die Erklärung von Bern (CH), die Gentechnikfreien Regionen in Deutschland, die Interessengemeinschaft Nachbau, die Initiative Save our Seeds und Zivilcourage - Agro-Gentechnik-freie Landkreise aufgerufen. Zudem beteiligten sich unzählige kleine und große Initiativen, Vereine, Verbände, Parteien und Firmen, die in dieser Sache - zum Teil seit vielen Jahren - an einem Strang ziehen: natürlich Greenpeace, das Umweltinstitut München, kirchliche Gruppen wie die AG der evangelischen Umweltbeauftragten (agu), Bündnis 90/ Gie Grünen, SPD und ÖDP, Die Linke und die Piratenpartei. Gäste aus Cos­t Rica, Indien und Nepal betonten die globale Bedeutung der Patentierung von Pflanzen, Tieren und Lebensmitteln. In München zeigte sich zum wiederholten Mal, dass es kein Zufall ist, wenn im Bundestag in Berlin nun an einem fraktionsübergreifenden Antrag gegen die Patentierung von Pflanzen und Tieren gearbeitet wird. Dabei darf die Fraktion Die Linke nach Informtionen des GID auf Betreiben der Koalitionsparteien nicht mitspielen. Die Gründe für die wachsende Unterstützung aus dem Bundestag sind auch in der Breite des Protest-Bündnisses zu suchen, das sich mittlerweile praktisch im Jahrestakt vor der Behörde des Anstoßes versammelt.2 Die politische Debatte hat nach vielen Jahren der Kritik an den Biopatenten - endlich, möchte man sagen - an Fahrt aufgenommen. Nicht nur, dass sich alle Parteien im Deutschen Bundestag gegen Patente auf Pflanzen und Tiere aussprechen. Selbst der Deutsche Bauernverband tut mittlerweile so, als habe er schon immer gegen Patente auf Pflanzen und Tiere demonstriert - was definitiv nicht der Fall ist.

Gesetze müssen geändert werden

Gezeigt hat sich in München auch, dass von den Gremien des Europäischen Patentamtes derzeit keine Klärung der Sachlage zu erwarten ist. In der Anhörung mühten sich die ExpertInnen um eine klare Interpretation eines völlig unklaren Textes. Dazu Christoph Then, der die Anhörung zu den Patenten über Brokkoli und Tomaten für die Umweltorganisation Greenpeace verfolgte: „Es ist schon skurril, mit welchem Eifer hier die verschiedenen Positionen vorgetragen werden, wie die Sachlage zu werten sei. Dabei ist völlig klar, dass die Gesetze geändert werden müssen. Wären die Mitglieder der Großen Beschwerdekammer ehrlich, dann würden sie zugeben, dass der Text unsinnig ist und deswegen an die Stelle von Rechtsicherheit weitgehende Willkür getreten ist. Die beste Lösung wäre noch, die Aussetzung der Erteilung derartiger Patente, bis die Politik eine klare Gesetzeslage geschaffen hat.“

Ergebnis erst Ende des Jahres

Was die Mitglieder der obersten Beschwerdekammer des EPA tatsächlich auf die gestellten Fragen antworten, dazu kann derzeit noch trefflich spekuliert werden. Ruth Tippe von der Initiative Kein Patent auf Leben! erwartet, dass die Patente auf der Verfahrensebene, das heißt an den Stellen, wo sie die Züchtung von Sorten und Linien betreffen, vielleicht sogar zurückgewiesen werden, mit Bezug auf die Produkte aber unterstützt werden. Damit ist die Große Beschwerdekammer den wesentlichen Punkten - den Patenten auf konventionell gezüchtete Pflanzen - aus dem Wege gegangen, lässt sie als Patent bestehen, und hat nur einen Nebenschauplatz, die Züchtungsverfahren, behandelt. Genaueres wird man aber vermutlich erst Ende des Jahres erfahren. Was diese Entscheidung in der Zukunft für die Frage der Patentierbarkeit von konventionell gezüchteten Pflanzen bedeutet, bleibt also abzuwarten. Das Interesse des Monsanto-Konzerns geht aber über diese Grundsatzfragen hinaus. Sein Interesse liegt eben auch ganz konkret in diesem speziellen Patent. Die „Gemüseleute”, von denen Thierfelder so lapidar meinte, dass der Brokkoli für sie interessant sei, das sind zum Beispiel die Leute von Seminis. Der damals größte Gemüsesaatgut-Anbieter der Welt wurde 2005 von Monsanto übernommen. Auch de Ruiter Seeds aus den Niederlanden und International Seed Group firmieren mittlerweile unter dem Dach von Monsanto - der Konzern hat in den vergangenen Jahren auf der ganzen Welt dutzende von Saatgutunternehmen übernommen. Das hat den Konzern aus St. Louis im US-Bundesstaat Missouri zu dem gemacht, was er heute ist: der größte Saatgutkonzern der Welt, eben nicht nur bei Getreide oder Soja, sondern auch für Gemüse.

  • 1Sowohl gegen das 2002 erteilte Brokkoli-Patent, wie gegen das 2000 angemeldete Tomaten-Patent wurde Einspuch erhoben. Die dann zuständige Technische Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes „befand, dass zur Feststellung der Patentfähigkeit beider Anmeldungen zunächst die grundsätzliche Frage zu klären ist, wie der Begriff ‚im wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzensorten und Tierrassen‘ zu verstehen sei. Im Jahr 2007 legte sie die Fragen der Großen Beschwerdekammer (GBK) des Europäischen Patentamts vor. Aufgrund der vergleichbaren Fragestellungen behandelt die GBK beide Fälle zusammen“. Konkrete Fragestellungen in der Anhörung (Zitat): 1. Fällt ein nicht mikrobiologisches Verfahren zur Züchtung von Pflanzen, das aus Schritten der Kreuzung und Selektion von Pflanzen besteht, nur dann unter das Patentierungsverbot des Artikels 53 b EPÜ, wenn diese Schritte Phänomene widerspiegeln oder Phänomenen entsprechen, die in der Natur ohne menschliches Zutun auftreten könnten? 2. Falls die Frage 1 verneint wird, entgeht ein nicht mikrobiologisches Verfahren zur Züchtung von Pflanzen, das aus Schritten der Kreuzung und Selektion von Pflanzen besteht, dem Patentierungsverbot des Artikels 53 b) EPÜ allein schon deswegen, weil es als Teil eines der Schritte der Kreuzung und Selektion ein zusätzliches Merkmal technischer Natur umfasst? 3. Falls die Frage 2 verneint wird, welche sind die maßgeblichen Unterscheidungskriterien dafür, ob ein nicht mikrobiologisches Verfahren zur Züchtung von Pflanzen nach Artikel 53 b) EPÜ vom Patentschutz ausgeschlossen ist oder nicht? Ist insbesondere maßgebend, worin das Wesen der beanspruchten Erfindung liegt und/oder, ob der Beitrag des zusätzlichen technischen Merkmals zur beanspruchten Erfindung über etwas Unwesentliches hinausgeht? Quelle: www.epo.org (Weitere Erläuterungen aus Sicht des Patentamtes unter „Pressemitteilungen”, Datum: 13.07.10.)
  • 223. Oktober 2008: Bis zu diesem Tag wurden 35.000 Unterschriften gegen das Patent auf Brokkoli gesammelt. Diese Unterschriften wurden dem Europäischen Patentamt im Rahmen der Demonstration offiziell übergeben. 15. April 2009: Anlässlich des Endes der Einspruchsfrist gegen das „Schweine-Patent” (EP 1651777) wurden mehr als 4.000 Einsprüche im Rahmen einer Demonstration mit Kundgebung an das Europäische Patentamt übergeben.
GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
201
vom September 2010
Seite 45 - 47

Christof Potthof war bis Ende April 2020 Mitarbeiter im GeN und Redakteur des GID.

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