Ein Genfeld in der Tagesschau

Eine Aktion mit 300 GentechnikgegnerInnen schafft es in die Tagesschau, fast sämtliche Tageszeitungen berichten ausführlich. Verbände distanzieren sich bereits im Vorfeld und die forschungspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Katherina Reiche spricht von "Bio-Terroristen". Noch nie hat eine Aktion gegen die Agrogentechnik in Deutschland so viele Reaktionen produziert und ein so hohes Medienecho hervorgerufen. Was ist passiert?

Bereits vor einigen Monaten startete in Baden-Württemberg die Initiative "Gendreck weg". Eine kleine Gruppe um die beiden Imker Michael Grolm und Jürgen Binder kündigte öffentlich an, am 31. Juli 2005 ein Genmaisfeld in Deutschland zerstören zu wollen und suchten dafür MitstreiterInnen. Diese konnten sich schriftlich dazu verpflichten sich "im Rahmen von Gendreck weg ... am Ausreißen von Gendreckpflanzen" zu beteiligen. Eine Woche vor der Aktion konnten die Initiatoren vermelden, dass der Aufruf von über 300 Menschen unterzeichnet wurde und über 500 Menschen sich mit der Aktion solidarisch erklärten. Unter ihnen solche prominente Stimmen wie der französische Bauernführer und Globalisierungsgegner Jose Bove, der sich selbst schon oft in Frankreich an solchen Ernteaktionen beteiligt hat und die Preisträger des alternativen Nobelpreises Vandana Shiva aus Indien, Melaku Worede aus Äthiopien und Prof. Dr. Michael Succow aus Deutschland. Mit dabei auch der Leiter der äthiopischen Umweltbehörde Tewolde Berhan Egziabher und der kanadische Bauer Percy Schmeiser, weltweit bekannt durch seine patentrechtlichen Auseinandersetzungen mit Monsanto.

Mitten im Naturpark

Der Ort der Aktion, Hohenstein, ein kleines Dorf, , inzwischen Ortsteil der Stadt Strausberg, nur wenige Kilometer östlich von Berlin, war klug gewählt. Der Weg für die in Berlin ansässigen MedienvertreterInnen war kurz. Die Region, der Osten Brandenburgs, ist am meisten vom Genmaisanbau betroffen: Über ein Drittel der 300 Hektar Genmais in Deutschland wachsen dort, aber auch der Widerstand gegen die Anbau von gentechnisch verändertem (gv) Mais war dort in den letzten Monaten besonders stark. Zudem wächst der Mais in Hohenstein mitten im Naturpark Märkische Schweiz, einem europäischen Vogelschutzgebiet. Nach Auffassung des Naturschutzbundes (Nabu) ist das illegal, weshalb der Umweltverband gegen das Land Brandenburg, die zuständige Kontrollbehörde, klagen will. Und an keinem Genfeld in Brandenburg steht der anbauende Landwirt so isoliert da wie in Hohenstein. Er heißt Jörg Piprek, ist Geschäftsführer der Hohensteiner Agrargenossenschaft. Er wohnt nicht im Ort, sondern im 30 km entfernten Bad Freienwalde. Angebaut hat er zehn Hektar Bt-Mais des Weltmarktführers beim Verkauf transgener Saaten Monsanto, versteckt in einem Feld mit 40 Hektar konventionellem Mais. Verkaufen will er den Mais als Viehfutter an die MÄRKA, das größte Landhandelsunternehmen in der Region, das mit Monsanto eine strategische Partnerschaft abgeschlossen hat. Doch das wird in Strausberg überhaupt nicht gern gesehen. Der Hauptausschuss der Stadt hat sich bereits mit großer Mehrheit dafür ausgesprochen, dass Strausberg sich zu einer gentechnikfreien Stadt erklären soll. Die Versammlung der Stadtverordneten wird diesem Ansinnen im August mit Sicherheit folgen. Der Bürgermeister hat sich klar gegen den Genmais ausgesprochen, ebenso wie der Ortsbürgermeister von Hohenstein. Auf mehreren Ortsversammlungen wurde auch schnell klar, dass die BewohnerInnen wenig begeistert von Pipreks Anbauplänen sind. Die VertreterInnen der Kirche haben mehrmals das Gespräch mit ihm gesucht und gedroht, keine Felder mehr an ihn zu verpachten. Die betroffenen Nachbarbauern, GärtnerInnen und ImkerInnen, unter ihnen die Biobauerfamilie Ewald, baten Piprek darum, auf den Anbau zu verzichten. Sie sehen sich wirtschaftlich bedroht, blieben aber mit ihren Versuchen genauso ohne Erfolg wie die Leitung des Naturparks Barnim, die sich um Flora und Fauna und wohl auch um den Ruf ihres Schutzgebiets sorgt. Das sind vermutlich die Gründe für die Sympathie, die die Aktion bei vielen Menschen in Strausberg genießt. Regionale Bäuerinnen und Bauern und GärtnerInnen beteiligten sich mit Spenden an der Versorgung der TeilnehmerInnen mit Essen und die Ewalds - zum Beispiel - stellten eine Wiese für Camp und Kundgebung zur Verfügung. Dort reisten bereits am Tag vor der Aktion etwa 140 GentechnikgegnerInnen aus der Region, aus ganz Deutschland, aus Österreich, Frankreich und der Schweizan. Tagsüber bereiteten sie sich mit einem gewaltfreien Aktionstraining auf den nächsten Tag vor. Am Abend gab es dann eine Podiumsdiskussion, an der sich auch Piprek beteiligte. Dabei wurden die allseits bekannten Argumente ausgetauscht. Zu einer Annäherung der konträren Positionen kam es erwartungsgemäß nicht.

Der Tag der Befreiung

Am nächsten Tag führten einige das Training für die Aktion weiter, während gleichzeitig in Hohenstein ein Gottesdienst stattfand. Mittags begründeten einige der Initiatoren ihre Aktion auf einer Kundgebung, doch eigentlich warteten alle darauf, was nun passieren würde. Denn mit der Kundgebung endete der offizielle und angemeldete Teil. Pünktlich um 14 Uhr formierten sich etwa 300 DemonstrantInnen, um gemeinsam zum einige Kilometer entfernten Genfeld aufzubrechen. Gleich zu Beginn blockierte eine Polizeikette die nicht angemeldete Demonstration. Nach langen Verhandlungen konnte dann eine Spontandemonstration nach Hohenstein angemeldet werden. Bei sonnigem Wetter und mit einer feurigen Sambagruppe setzten die DemonstrantInnen sich in Bewegung. In Hohenstein hatten sich viele Schaulustige aus dem Ort zusammengefunden und beobachteten, wie die Polizei mit einem Großaufgebot die Straßen in Richtung Genfeld abriegelten. Insgesamt 280 Polizisten sollen nach offiziellen Angaben das Genfeld beschützt haben. Mit dabei viele HundeführerInnen, berittene Polizei, Räumpanzer und ein Hubschrauber. Nach einer kurzen Kundgebung gelang es einem Großteil der DemonstrantInnen, die Polizeisperren zu umgehen und sich in Richtung Genfeld in Bewegung zu setzen. Nun begann ein Katz und Maus-Spiel zwischen den GentechnikgegnerInnen und der Polizei. Die Demonstranten teilten sich in viele Kleinstgruppen auf, um so über die benachbarten Felder zum Genmais zu gelangen, immer auf der Flucht vor den Polizisten, die sie über die Felder jagten. Dabei kam es immer wieder zu Gewalttaten der teilweise überforderten Polizisten. Eine Frau musste mehrere Tage ins Krankenhaus, nachdem sie von einem Polizeihund in der Arm gebissen wurde. Insgesamt nahm die Polizei 78 GentechnikgegnerInnen in Gewahrsam, die zum Teil erst nach Mitternacht wieder freigelassen wurden. Trotzdem gelang es drei "ErntehelferInnen", einzeln auf Pipreks Maisfeld zu gelangen. Auf insgesamt 600 Quadratmetern wurden Maispflanzen ausgerissen und umgetreten. Das ist zwar nicht viel mehr als ein Tausendstel des 50 Hektar großen Feldes, aber die symbolische Wirkung ist wohl nicht zu unterschätzen. Nicht einmal mit einem Großaufgebot der Polizei lässt sich der Genmais wirksam schützen. Bisher lehnt Piprek die angebotene Entschädigung durch die OrganisatorInnen der Ernteaktion ab. So bleibt es abzuwarten, ob die Aktion strafrechtliche beziehungsweise zivilrechtliche Folgen haben wird. Gleich im Anschluss an die Aktion wurden weitere "Ernteeinsätze" angekündigt: "Die heutige Feldbefreiung ist auch ein Signal an alle Landwirte. Wer weiterhin gentechnisch veränderte Organismen in Deutschland anbaut, muss damit rechnen, dass er keine Genernte einbringen kann." so ein Teilnehmer.

GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
171
vom August 2005
Seite 48 - 49

Thomas Janoschka ist Mitglied im Barnimer Aktionsbündnis gegen Gentechnik. Das Bündnis im Netz unter: www.dosto.de/gengruppe.

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