Auf wessen Kosten?

Risiken für das Tierwohl von gv-Tieren

Die neue Gentechnik hat die Entwicklung von gentechnisch veränderten Tieren wieder angetrieben. Der Prozess basiert allerdings auf fehleranfälligen Techniken und mitunter fraglichen Zielen. Beides kann mit Schmerz und Leid für die Tiere verbunden sein.

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Genome Editing soll beispielsweise Schweine immun gegen wirtschaftlich bedeutende Erkrankungen wie PRRS machen. Foto: gemeinfrei auf pixabay.com (214349)

In der Entwicklung von gentechnisch veränderten (gv) Tieren und Pflanzen gibt es grundlegende Unterschiede. Aus einer einzelnen veränderten Pflanzenzelle kann eine vollständige Pflanze erwachsen. Bei Tieren ist die Manipulation der Zygote, der befruchteten Eizelle oder ihrer Komponenten notwendig. Dann muss das Tier sich entwickeln, geboren werden und aufwachsen. Der Aufwand und die Ressourcen, die es für den Versuch ein gv-Tier zu erhalten bedarf, sind daher um ein Vielfaches höher als bei Pflanzen. Gleichzeitig kann das Auftreten von Nebeneffekten durch die angewendeten Techniken bei Pflanzen zu keinem oder einem schlechten Wachstum führen. Bei Tieren ist dies meist unweigerlich mit Schmerzen und Leid gleichzusetzen.

Klonen als Teil des Prozesses

Ein unerlässlicher Schritt beim Erzeugen von gv-Tieren ist die Manipulation der Zygote, wofür momentan zwei Prozesse existieren. Der erste vorhandene Weg war die Manipulation der Zygote durch Mikroinjektion. Diese Technik war in Kombination mit der alten Gentechnik extrem unpräzise, führte häufig zu einer sogenannten Mosaikbildung (einige Körperzellen trugen die Genveränderung in sich und andere nicht) und hatte viele weitere Nachteile. Durch die spätere Technologie des somatischen Zellkerntransfers (auch Klonen genannt) wurde die Erzeugung von gv-Tieren effizienter.1 Die größten Vorteile dieser Methode sind: keine Mosaik-Bildung und die Möglichkeit, die Zellen auf die DNA-Veränderung (gewollt und ungewollt) kontrollieren zu können.

Erst durch die Entwicklung von neuen Gentechnikverfahren wie CRISPR, die an spezifischen Stellen im Genom schneiden sollen, sowie einer insgesamt weiterentwickelten Biotechnologie, erlebt die Manipulation der Zygote ein Revival. Das Problem der Mosaik-Bildung bleibt jedoch bestehen. So nutzen, laut eines Übersichtsartikels, heutzutage 50 bis 70 Prozent der Studien zur gentechnischen Veränderung von Nutztieren das Klonen.2

Die Technik des Klonens von Tieren, ob gentechnisch verändert oder nicht, ist 25 Jahre nach dem ersten erfolgreichen Klon, dem Schaf Dolly, noch immer fehleranfällig und ineffizient. Häufig werden die Embryonen während der Schwangerschaft abgestoßen, sodass nur ein bis fünf Prozent lebend geboren werden.3 Aber auch nach der Geburt kommt es immer wieder zu gesundheitlichen Problemen wie Organversagen, Atemproblemen oder Immunschwäche, wodurch viele Tiere bald nach der Geburt sterben. Die Bedenken hinsichtlich des Tierleids bei der Technik sind so groß, dass die EU 2015 ein Verbot von geklonten Tieren ausgesprochen hat.4

Probleme durch die Genveränderung

Aber auch der Prozess der gentechnischen Veränderung des Genoms bei Tieren kann Probleme mit sich bringen. Die ehemals gängige Lehrmeinung „ein Gen, eine Funktion“ ist wissenschaftlich längst überholt und heutzutage weiß man, dass eine DNA-Sequenz Einfluss auf verschiedene Proteine und Prozesse haben kann. Diese Mechanismen sind bei Tieren weiterverbreitet als in Pflanzen.5 Die beabsichtigte Veränderung einer bekannten Gensequenz kann daher unbeabsichtigte Konsequenzen wie z.B. eine veränderte Proteinbildung zur Folge haben.6 So ist beispielsweise das Protein CD163 in Schweinen nicht nur relevant für die wirtschaftlich bedeutendste Erkrankung von Schweinen, dem Porzinen Respiratorischen und Reproduktiven Syndrom (PRRS), sondern auch für andere immunologische Prozesse und die Blutzusammensetzung.7 Jede Veränderung der für CD163 relevanten Gensequenz muss daher genauestens beobachtet werden. Eine weitere Eigenschaft, die Probleme verursachen kann und gleichzeitig wirtschaftlich stark nachgefragt ist, ist ein gesteigertes Muskelwachstum. Bei der Manipulation dieses Merkmals kommt es immer wieder zu unerwünschten Nebeneffekten wie zum Beispiel einer vergrößerten Zunge, da diese auch ein Muskel ist. Dieser Effekt kann zu Schwierigkeiten bei der Atmung und Futteraufnahme führen.8

Unbeabsichtigte Effekte

Es kann aber auch zu anderen Nebeneffekten kommen, die abhängig von Technik und Organismus sehr unterschiedlich sein können. Wissenschaftler*innen beobachteten bei der Anwendung von CRISPR bei Tieren die Umwandlung oder Löschung von einzelnen Bausteinen der DNA. Es sind jedoch auch komplexere Veränderungen wie dem Einbau oder der Löschung von ganzen DNA-Sequenzen möglich.9 Beachtenswert ist, dass Veränderungen mit CRISPR auch die Organisationsstruktur des Genoms beeinflussen können und damit unter anderem die epigenetische Genregulation.10 In einer aktuellen Studie zu Zebrafischen beobachteten die Wissenschaftler*innen verschiedene unbeabsichtigte Effekte der Technik auf das Genom, die sich auch in die nächste Generation vererbten.11

Diese Nebeneffekte müssen keinen Nachteil für den Organismus mit sich bringen, können es aber, wenn diese tatsächlich die Proteinproduktion verändern oder z.B. zu einer erhöhten Krebsrate führen. Im Gegensatz zu Pflanzen hat man es bei Tieren mit leidensfähigen Wesen zu tun, was einen deutlich sensibleren Umgang mit ihnen gebietet. Ein technischer Weg, mit den Risiken von Nebeneffekten umzugehen, ist es, das Genom zu untersuchen bevor man die Zygote sich weiterentwickeln lässt. Um alle Nebeneffekte zu entdecken und die Auswirkungen eventueller Sequenz-Veränderungen einschätzen zu können, braucht es allerdings eine aufwendige Analyse des gesamten Genoms sowie Vergleichsgenome und viel Wissen.

Mehr Tierwohl durch Gentechnik?

Wo man mit mehr Wissen und besseren Technologien durchaus Verbesserungen in der technischen Anwendung der neuen Gentechnikverfahren erzielen kann, bleiben Fragen des Tierleids im Forschungsprozess bestehen und drängen die Frage der grundsätzlichen Notwendigkeit auf. Verschiedene (ethisch fragliche) Merkmale sind heute schon durch konventionelle Züchtungsmethoden und Selektionsverfahren zu erreichen. Der Einsatz der neuen gentechnischen Verfahren erweitert das Spektrum und die Ausprägung der veränderbaren Eigenschaften jedoch enorm. Trotz verschiedenster konventioneller Ansatzpunkte konnte bisher kein PRRS-resistentes Schwein gezüchtet werden, was mittels Gentechnik erreicht wurde. Ob eine Virusresistenz allerdings dazu führt, dass langfristig tatsächlich weniger Schweine erkranken – was durchaus ein wirtschaftlicher Erfolg wäre –, ist fraglich. Zudem bestünde die Anschlussgefahr, dass die Resistenz als Rechtfertigung für schlechtere Haltungsbedingungen (höherer Besatz, weniger Hygiene) genutzt werden könnte.

  • 1Polejaeva, I.A. (2021): 25th Anniversary of cloning by somatic cell nuclear transfer: Generation of genetically engineered livestock using somatic cell nuclear transfer. In: Reproduction, 162(1), S.F11-F22, www.doi.org/10.1530/REP-21-0072.
  • 2Perisse, I.V. et al. (2021): Improvements in Gene Editing Technology Boost Its Applications in Livestock. In: Front. Genet., 11:614688, www.doi.org/10.3389/fgene.2020.614688.
  • 3Van der Berg, J.P. et al. (2019): Regulation and safety considerations of somatic cell nuclear transfer-cloned farm animals and their offspring used for food production. In: Theriogenology, 135, S.85-93, www.doi.org/ 10.1016/j.theriogenology.2019.06.001.
  • 4PM Europäisches Parlament (08.09.15): EP wants animal cloning ban extended to offspring and imports. Online: www.kurzelinks.de/gid263-jr.
  • 5Ramírez-Sánchez, O. et al. (2016): Plant proteins are smaller because they are encoded by fewer exons than animal proteins. In: Genomics, Proteomics & Bioinformatics,14, S.357-370, www.doi.org/10.1016/j.gpb.2016.06.003.
  • 6Kapahnke, M. et al. (2016): Random splicing of several exons caused by a single base change in the targetexon of CRISPR/Cas9 mediated gene knockout. In: Cells, 5, S.45, www.doi.org/10.3390/cells5040045.
  • 7Reiner, G. (2016): Genetic resistance – an alternative for controlling PRRS? In: Porcine Health Management, 2, S.27, www.doi.org/10.1186/s40813-016-0045-y.
  • 8Wang, K. et al. (2015): Efficient Generation of Myostatin Mutations in Pigs Using the CRISPR/Cas9 System. In: Sci.Rep., 5, 16623, www.doi.org/10.1038/srep16623.
  • 9Anderson, K.R. et al. (2018): CRISPR off-target analysis in genetically engineered rats and mice. In: Nature Methods, 15, S.512-514, www.doi.org/10.1038/s41592-018-0011-5.
  • 10Die Epigenetik beschreibt wie z.B. die Faltstruktur der DNA und andere Faktoren, die nicht die Basenabfolge der DNA sind, die Eigenschaften eines Organismus prägen und verändern können.
  • 11Höijer, I. et al. (2022): CRISPR-Cas9 induces large structural variants at on-target and off-target sites in vivo that segregate across generations. In: Nat. Commun., 13, S.627, www.doi.org/10.1038/s41467-022-28244-5.
GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
263
vom November 2022
Seite 14 - 15

Judith Düesberg ist Ökologin und Mitarbeiterin des GeN.

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