Gentechnikgesetz: Bundesregierung verschleiert die zentralen Änderungen

"Gentechnikgesetz vielleicht ganz abschaffen, das wäre wenigstens konsequent" "Der Bundesregierung ist es unserer Meinung nach gelungen, die zentralen Änderungen am Gentechnikgesetz zu verschleiern, indem sie die Diskussion auf den Abstand zwischen Feldern mit und ohne Gentechnik und die damit zusammenhängende Haftungsfrage reduziert hat.

Ernsthafte Maßnahmen zum Schutz der gentechnikfreien Landwirtschaft und Lebensmittel-Herstellung einzurichten ist selbstredend wichtig, allerdings sollte das eine Selbstverständlichkeit sein, um die nicht so viel Gewese gemacht werden darf", sagt Christof Potthof, Mitarbeiter des Gen-ethischen Netzwerkes in Berlin. "Die Bundesregierung sollte das Gentechnikgesetz vielleicht ganz abschaffen, das wäre wenigstens konsequent." Das so genannte "Vierte Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes" wurde in der vergangenen Nacht in erster Lesung im Bundestag behandelt.

Deregulierung im Vordergrund

Mit den geplanten Änderungen unterläuft die Bundesregierung den Grundgedanken der Gentechnikgesetzgebung. Dieser ist, dass gentechnisch veränderte Organismen (GVO) in einer eigenen Gesetzgebung reguliert werden. Die Bundesregierung höhlt dieses Ansinnen mit ihrem aktuellen Gesetzentwurf aus. An verschiedenen Stellen steht die Deregulierung im Vordergrund, zum Beispiel, wenn sich zwei Nachbarn darüber einigen können, ob Koexistenzmaßnahmen des Gesetzes (in der Regel Abstände zwischen Feldern mit und ohne GVO) nötig sind - oder nicht.

Behörden schauen bei Gelegenheit mal rein

An anderer Stelle - und das wird sogar von den Parteikolleginnen und -kollegen der Großen Koalition im Bundesrat kritisiert - will die Bundesregierung das Verfahren für die Zulassung neuer Sicherheitslabore ändern. Die jetzt nötige Anmeldung, die von der zuständigen Behörde mit einem Bescheid bestätigt wird, soll durch eine Anzeigepflicht ersetzt werden. Das bedeutet im Prinzip, dass Firmen oder Forschungseinrichtungen erst einmal anfangen sollen ihre Gentechnik-Labore zu bauen und einzurichten. Auchmit der Arbeit mit den transgenen Organismen kann schon mal begonnen werden ... die Behörden schauen dann - bei Gelegenheit - mal rein, ob alles ok ist. Bei einer Risikotechnologie ist das unverantwortlich, zeigt aber deutlich, dass sich die Bundesregierung den Interessen bestimmter gesellschaftlicher Gruppen verschrieben hat, allen voran einer immer lauter werdenden Wissenschaftsgemeinde in den so genannten Lebenswissenschaften.

Transgene Pflanzen aus der Regulierung des Gesetzes entlassen

Ein weiteres Beispiel für den Rückzug des Staates aus der Regulierung der Gentechnik ist die neu vorgesehene Möglichkeit, bestimmte "gentechnisch veränderte höhere Organismen" aus der Zuständigkeit des Gesetzes zu entlassen. Damit sind transgene Pflanzen gemeint, aber auch gv-Tiere wären von der vorgesehenen Änderung gedeckt. Die Regelung ist zwar theoretisch beschränkt auf die Verwendung im so genannten geschlossenen System, was aber mitnichten automatisch ein Bioreaktor oder ein abgeschlossenes Labor ist. Als geschlossenes System kann unter bestimmten Bedingungen auch die Einfriedung einer Fläche verstanden werden. Hält der Bundesrat diese geplante Neuregelung in erster Linie für überflüssig oder kontraproduktiv - unter anderem, da es nicht erkennbar sei, dass "bis zur nächsten notwendigen Regulierung" solche Organismen "bestimmbar seien"-, sehen wir demgegenüber mit Sorge, dass durch diese neu erschaffene rechtliche Lücke der Bedarf auf dem Fuße folgen wird.
Die detaillierte Stellungnahme des Gen-ethischen Netzwerkes zum aktuellen Entwurf der Bundesregierung für die Novellierung des Gentechnikrechts finden Sie auf den Internetseiten des GeNs unter
http://gen-ethisches-netzwerk.de/gen/2007/jul/stellungnahme-zur-novelli…
oder
www.gen-ethisches-netzwerk.de/files/0707_zum_GenTG_GeN.pdf
(direkter Link - pdf-Dokument, 266 KB) oder bei Bedarf per Post oder eMail.
Das Gen-ethische Netzwerk ist zudem an einem Offenen Brief an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages beteiligt, mit dem sich 36 Verbände kritisch zu den Regelungen des Gentechnikgesetzes äußern. Den Offenen Brief finden Sie hier unten auf der Seite zum Herunterladen.
Kontakt: Christof Potthof (Gen-ethisches Netzwerk – GeN) 0163 – 2606 359
Der Entwurf der Bundesregierung für ein viertes Gesetz zur Änderung des Gentechnikgesetzes. Die Stellungnahme des Bundesrates und die Gegenäußerung der Bundesregierung im Internet unter: http://dip.bundestag.de/btd/16/068/1606814.pdf (direkter Link - pdf-Dokument, 468 KB)
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Das Gen-ethische Netzwerk ist seit mehr als zwanzig Jahren kritischer Begleiter von Gen-, Bio- und Reproduktionstechnologien. Wir publizieren zweimonatlich die Fachzeitschrift Gen-ethischer Informationsdienst (GID). Das GeN und der GID im Internet unter: www.gen-ethisches-netzwerk.de - Gen-ethisches Netzwerk e.V. - Brunnenstrasse 4 - 10119 Berlin - Tel: 030 685 70 73

9. November 2007