Gemeinsames Positionspapier: Gentechnik strikt regulieren!

94 Verbände und Organisationen fordern Bundesregierung auf, Gentechnik zu regulieren

94 Verbände und Organisationen fordern die Bundesregierung auf, Gentechnik zu regulieren! Seit Jahren lobbyieren Industrie und gentechnikfreundliche Politiker*innen dafür, neue Gentechnikverfahren wie CRISPR/Cas von der Gentechnik-Gesetzgebung auszunehmen. Sie wollen damit die derzeitige Definition von Gentechnik aufweichen. Das gefährdet die Wahlfreiheit und die Sicherheit von Mensch und Umwelt. Wege hin zu einer nachhaltigen Landwirtschaft würden so langfristig behindert oder verbaut.

Maiskolben mit Blättern

Eine der Forderungen: Die Sicherung von Wahlfreiheit und Transparenz und die Aufrechterhaltung von Kennzeichnung, Rückverfolgbarkeit und Haftung für Gentechnik-Produkte. Foto: Couleur auf Pixabay

Wir Verbände, Organisationen, Institutionen und Stiftungen aus den Bereichen Umwelt-, Tier- und Naturschutz, Entwicklungspolitik, Kirchen, Verbraucherschutz, soziale Gerechtigkeit, Landwirtschaft, Züchtung, Saatguterzeugung, Erhaltung der Nutztier- und Kulturpflanzenvielfalt, Lebensmittelwirtschaft, Lebensmittelhandwerk und Imkerei sowie Jugendbewegungen, Initiativen aus der Klimaschutzbewegung und aus den Bewegungen für sozial und ökologisch verantwortungsvolle Ernährungssysteme stehen zusammen für Umwelt- und Verbraucherschutz.

Unser Standpunkt ist klar: Gentechnik ist Gentechnik.

Wir fordern die Bundesregierung auf, in Deutschland und auf europäischer Ebene alle vorhandenen wie künftigen Gentechnikmethoden und die daraus entstehenden gentechnisch veränderten Organismen (GVO) weiterhin unter dem bestehenden EU-Gentechnikrecht zu regulieren und zu kennzeichnen.

Denn:

  • Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im Juli 2018 klargestellt, dass auch neue Gentechnikverfahren Gentechnik im Sinne des europäischen Gentechnikrechts sind. Deshalb müssen gemäß dem EU-rechtlich verankerten Vorsorgeprinzip Maßnahmen zum Schutz von Umwelt und menschlicher Gesundheit ergriffen werden.
     
  • Weiterhin lehnen über 80 % der Verbraucher*innen in Deutschland Gentechnik auf ihrem Teller und auf dem Acker ab, wie auch die aktuelle BfN-Naturbewusstseinsstudie bestätigt. Deshalb setzen sich Gentechnik-Befürworter*innen dafür ein, dass gentechnisch veränderte Produkte ohne Kennzeichnung auf unsere Teller kommen.
     
  • Neue Gentechniken, wie z. B. CRISPR/Cas können tief in das Erbgut lebender Organismen eingreifen und dieses grundlegend verändern. So können mehrere Gene in demselben Organismus gleichzeitig oder nacheinander manipuliert werden. Mit dieser neuen Dimension der Eingriffstiefe ins Genom sind große Risiken für Mensch, Tier und Umwelt verbunden. Auch die Geschwindigkeit, mit der sich Mutationen erzeugen lassen, erhöht das Risikopotential von CRISPR/Cas und anderen neuen Verfahren. Die grundsätzlichen Probleme der Gentechnik, wie die Auskreuzung, Kontamination und Nicht-Rückholbarkeit, bestehen bei der neuen Gentechnik weiter.
     
  • Sogenannte Gene Drives sind ein Extrembeispiel für die zusätzlichen Risiken und das Missbrauchspotential neuer Gentechnik. Mit ihnen sollen erstmals auch wildlebende Arten jenseits der Landwirtschaft gentechnisch manipuliert werden. Eines der erklärten Ziele ist die Ausrottung unliebsamer Arten oder ganzer Populationen. Einmal freigesetzt, ist die gentechnische Kettenreaktion des Gene Drive nicht mehr rückholbar und zu kontrollieren. Im schlimmsten Fall führt dies zum Kollaps ganzer Ökosysteme.
     
  • Ökologische und konventionell wirtschaftende Betriebe haben ein Recht auf gentechnikfreie Erzeugung. Ökolandbau und die konventionelle Land- und Lebensmittelwirtschaft ohne Gentechnik sind weltweite Wachstums- und Hoffnungsbranchen. Sie bieten Bäuer*innen sichere Absatzmärkte und Perspektiven für ihre Betriebe. Die gentechnikfreie Züchtung, Saatguterzeugung, Land- und Lebensmittelwirtschaft und der Handel sind auf die Kennzeichnung von GVO, auf die Transparenz und Rückverfolgbarkeit sowie auf die Koexistenz- und Haftungsregelungen angewiesen, die das Gentechnikrecht vorschreibt.

Hinzu kommt, dass die Versprechungen der Gentechnik-Befürworter*innen falsch sind und in die Irre führen. Denn genmanipulierte Pflanzen tragen nicht zur Klimaanpassung der Landwirtschaft oder zur Pestizidreduktion bei. Stattdessen verbaut die Konzentration auf technische Lösungen den Weg zu einer dringend benötigten Ökologisierung der Landwirtschaft.

Nicht die gentechnische Optimierung weniger, anfälliger Hochleistungsexemplare, sondern eine möglichst große Vielfalt an Sorten und Rassen und vielfältige Anbausysteme sorgen für eine optimale lokale Anpassung und minimieren das Risiko von Missernten und Krankheiten. Vor dem aktuellen Hintergrund des größten Artensterbens seit dem Verschwinden der Dinosaurier müssen wir dringend die genetische Vielfalt, die Vielfalt an Rassen und Sorten sowie die der Lebensgemeinschaften fördern.

Gentechnik dient dagegen als Werkzeug der Aufrechterhaltung der exportorientierten, klima- und biodiversitätsschädigenden Ausrichtung auf industrielle Landwirtschaft und industrielle Tierhaltung.

Denn mit neuen gentechnischen Verfahren wie CRISPR/Cas soll ein Agrarsystem fortgeschrieben werden, das viele der Probleme geschaffen hat, mit denen die Landwirtschaft heute konfrontiert ist. So zählt die industrialisierte Landwirtschaft zu den großen Emittenten von Treibhausgasen und trägt zu Bodendegradation und weiteren Umweltbelastungen bei. Gerade in Kombination mit Gentechnik ist sie für den massiven Einsatz von Pestiziden und den Verlust der (Agro-)Biodiversität verantwortlich.

Solange sich Forschung und Politik einseitig auf Gentechnik ausrichten und Milliarden für die Entwicklung von GVO vergeben, werden gleichzeitig andere Entwicklungspfade verbaut. Mit den neuen Gentechniken rollt eine weitere Welle der Patentierung von Lebewesen und deren Eigenschaften sowie der Methoden ihrer Manipulation an, die zu einer noch größeren Konzentration des Agrarmarktes in der Hand weniger Konzerne führt. Im globalen Süden erzeugen Bäuerinnen und Bauern etwa 85 Prozent allen Saatgutes außerhalb des kommerziellen Marktes. Diese bäuerlichen Saatgutsysteme sind durch Anbau oder Importe von Gentech-Pflanzen, hohe Lizenzgebühren für Patente und das Verbot von Nachbau gefährdet.


Wir fordern deshalb:

  • Die weitere strikte Regulierung, auch der neuen Gentechniken, unter dem bestehenden EU-Gentechnikrecht.
     
  • Auch für mit neuen Gentechniken veränderte Organismen müssen weiterhin Zulassungsverfahren mit umfassender Risikoprüfung gelten. Gemäß dem Vorsorgeprinzip müssen dabei die technologiebedingten Risiken bewertet werden.
     
  • Die Sicherung von Wahlfreiheit und Transparenz für Verbraucher*innen, Bäuer*innen, Imker*innen, Züchter*innen, Saatguterzeugung, Lebensmittelunternehmen und Handel und die Aufrechterhaltung von Kennzeichnung, Rückverfolgbarkeit und Haftung für Gentechnik-Produkte.
     
  • Die schnelle Entwicklung von Nachweisverfahren auch für neue Gentechnik und die konsequente Kontrolle von Importen auf gentechnisch veränderte Pflanzen, Tiere und Produkte.
     
  • Ein globales, öffentlich zugängliches Register, das transparente Informationen über alle GVO enthält, die freigesetzt, angebaut oder vermarktet werden.
     
  • Die Ökologisierung der gesamten Landwirtschaft (und der vor- und nachgelagerten Bereiche) - dazu braucht es den Ausbau systemorientierter, lösungsbasierter Ansätze für ökologischere, nachhaltige, sozial gerechte und selbstbestimmte, klima- und biodiversitätsfreundliche Ernährungssysteme.
     
  • Das Ende von gentechnisch veränderten herbizidtoleranten und Insektizid-produzierenden Pflanzen.
     
  • Ein Verbot von Gentechnik für die Tierzucht. Wir brauchen eine tiergerechte Haltung und eine entsprechende Züchtung – statt massenhafter Tierversuche, die der Anpassung der Tiere an krankmachende Höchstleistungsziele mit Hilfe neuer Gentechnikmethoden dienen sollen.
     
  • Eine angemessene Förderung der Erforschung und Entwicklung agrarökologischer Systeme und Anbaumethoden und ihrer regionalen Anpassung und Umsetzung, sowie der ökologischen und herkömmlichen gentechnikfreien Züchtung.
     
  • Ein Verbot von Patenten auf Leben. Konzerne dürfen sich nicht die Jahrtausende andauernde züchterische Arbeit von Bäuer*innen und regionalen Züchter*innen aneignen.
     
  • Keine Freisetzung von Gene Drive-Organismen in die Natur! Zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Biodiversität braucht es ein globales Moratorium auf die Anwendung der Technologie, mit der wildlebende Arten durch gentechnische Varianten ersetzt, dezimiert oder ganz ausgerottet werden sollen.
     
  • Biodiversitätsverlust stoppen und genetische Vielfalt, Artenvielfalt und Vielfalt an Lebensgemeinschaften erhalten und fördern.

Die vorliegende Position wurde im April 2021 von den folgenden Akteur*innen unterzeichet:
Agrar Koordination
Aktion 3. Welt Saar e. V.
Aktion Agrar – Landwende jetzt! e. V.
Aktionsbündnis für gentechnikfreie Landwirtschaft in Sachsen
Aktionsbündnis gentechnikfreie Landwirtschaft Baden-Württemberg
apfel:gut e. V. – Förderverein zur Entwicklung und Durchführung ökologischer Obstzüchtung
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) e. V.
Arbeitsgemeinschaft der Umweltbeauftragten in der EKD (AGU)
Arbeitskreis Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der
Schöpfung der Konföderation evangelischer Kirchen
in Niedersachsen
Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg (ALSO) e. V.
Assoziation ökologischer Lebensmittelhersteller e. V.
Aurelia Stiftung
Bioland e. V.
Biopark e. V.
Bodensee-Stiftung
Brot für die Welt
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND)
BUND Naturschutz in Bayern e. V. (BN)
Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e. V. (BÖLW)
Bundesverband Beruflicher Naturschutz (BBN)
Bundesverband für Umweltberatung e. V.
Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) e. V.
Bündnis für eine agrogentechnikfreie Region (um) Ulm
Bündnis für gentechnikfreie Landwirtschaft Niedersachsen, Bremen, Hamburg
Bündnis Junge Landwirtschaft e. V.
Campact e. V.
Dachverband Kulturpflanzen- und Nutztiervielfalt e. V.
De Immen e. V.
Demeter e. V.
denkhausbremen e. V.
Deutscher Berufs und Erwerbs Imker Bund e. V. (DBIB)
Deutscher Naturschutzring e. V.
Deutscher Tierschutzbund
Die Freien Bäcker e. V.
Dreschflegel e. V.
Ecoland e. V.
Ecoropa
Europäisches BürgerInnen Forum
FDCL - Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika e. V.
FIAN Deutschland
Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau
Berlin Brandenburg e. V. (FÖL)
Fördergemeinschaft Ökologischer Obstbau e. V.
Foodwatch
Forum CSR International
Forum Ökologie & Papier
Forum Umwelt & Entwicklung
Gäa e. V. Vereinigung ökologischer Landbau
Gen-ethisches Netzwerk e. V.
Gen-ethische Stiftung
Gentechnikfreie Regionen in Deutschland
Gentechnikfreie Regionen Mecklenburg Vorpommern
Global Nature Fund
GLS Bank
Grassroots Foundation
Greenpeace
IG Nachbau
Initiative gentechnikfreie Metropolregion Hamburg
Inkota Netzwerk e. V.
Institut für Welternährung e. V. Berlin
Interessengemeinschaft der Bio-Märkte (IGBM)
Interessengemeinschaft für gentechnikfreie Saatgutarbeit (IG Saatgut)
Jugend im Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUNDjugend)
Junge Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (jAbL)
Junges Bioland e. V.
Kampagne „Meine Landwirtschaft“ | Wir haben es satt!
Kampagne für Saatgutsouveränität
Katholische Landvolkbewegung Deutschland
Kein Patent auf Leben
Keyserlingk-Institut
Kultursaat e. V.
Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg e. V.
Mellifera e. V.
Misereor
Naturschutzbund Deutschland e. V. – NABU
Naturland – Verband für ökologischen Landbau e. V.
Netzwerk Solidarische Landwirtschaft e. V.
Neuland e. V.
Nyéléni.de
oekom e. V. – Verein für ökologische Kommunikation e. V.
open house e. V.
Pestizid Aktions-Netzwerk e. V. (PAN Germany)
Pomologen-Verein e. V.
Save Our Seeds
Seeds Action Network
Slow Food Deutschland e. V.
Slow Food Youth
Stiftung für Mensch und Umwelt
Stiftung GEKKO
Umweltinstitut München e. V.
Verbund Ökohöfe e. V.
Vereinigung der Freizeitreiter und -fahrer
in Deutschland e. V.
WWF Deutschland
Yeşil Çember – ökologisch interkulturell gGmbH
Zukunftsstiftung Landwirtschaft

21. April 2021

Gen-ethisches Netzwerk e.V.

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