Zu viele Unbekannte

Ein neu erschienener Bericht der Vereinten Nationen gibt einen "vorläufigen Überblick über Biotechnologie in der Forstwirtschaft, einschließlich gentechnischer Veränderungen". Diese Bestandsaufnahme weist jedoch deutliche Informationslücken auf.

225 Freisetzungsversuche in der Forstwirtschaft weltweit, verteilt auf 16 Länder, das ist das Ergebnis des Überblicks der FAO (United Nations Food and Agriculture Organization). Unglücklicherweise wird darin nicht unterschieden zwischen Versuchen, die gerade stattfinden und solchen, die in der Vergangenheit durchgeführt worden sind. So ergibt sich ein etwas verzerrtes Bild. Von den 225 Feldversuchen werden 150 in den Vereinigten Staaten lokalisiert. Die übrigen finden - laut Bericht - hauptsächlich in Europa statt: in Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Spanien, Portugal, Finnland und Schweden, aber auch in Kanada und Australien. Es wird auch von Feldversuchen in sich entwickelnden Ländern berichtet: in Indien, Südafrika, Indonesien, Chile und Brasilien. China wird als einziges Land genannt, von dem bekannt ist, dass kommerzielle Freisetzungen von gentechnisch veränderten (gv) Bäumen durchgeführt werden: Über eine Million Bäume wachsen dort in zehn Provinzen.

Forscher befragt

Die Forschung konzentriert sich auf Pappel (47 Prozent), Kiefer (19 Prozent) und Eukalyptus (7 Prozent). Dabei geht es vor allem um Herbizid- und Insektenresistenz, Holzeigenschaften wie zum Beispiel den Ligningehalt und die Fruchtbarkeit. Für den Bericht der FAO wurden Forscher, die sich mit der gentechnischen Veränderung von Bäumen befassen, zu ihrer Einschätzung der möglichen Chancen und Risiken befragt. Thematisiert wurden Chancen und Risiken ökonomischer und ökologischer Art sowie Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. Die Forscher äußerten hauptsächlich zwei Bedenken: Zum einen waren sie besorgt über die fehlende Akzeptanz von gv-Bäumen innerhalb der Bevölkerung. Außerdem hatte mehr als die Hälfte der befragten Forscher die größten Bedenken bezüglich einer möglichen Verbreitung von gv-Pollen oder Pflanzen in umliegende Ökosysteme und Wälder sowie die Auswirkungen, die dies auf Nicht-Zielorganismen haben könnte. Die Forscher tun gut daran, Bedenken zu haben. Schon jetzt zeigen sich negative Auswirkungen von gv-Bäumen. Gv-Papayas der Sorte "Sun Up", die in Hawaii kommerziell angebaut werden, verursachen schwerwiegende Probleme. Die Papayabäume, die gentechnisch verändert wurden, um resistent gegen das Ringspot-Virus zu sein, zeigen sich ihrerseits sehr anfällig für eine Krankheit, deren Erreger als Black-spot-(Schwarzfleck)-Pilz bezeichnet wird. Dies führt dazu, dass die Bauern große Mengen von Fungiziden auf ihren Papayaplantagen einsetzen müssen, um den Pilz in Schach halten zu können. Inzwischen werden bei über 50 Prozent der konventionell (nicht-gv-) und ökologisch angebauten Papayas, die aus Hawaii stammen, Verunreinigungen durch gentechnisch veränderte Papayas gefunden. Biobauern in Hawaii verlieren ihre Zertifizierung aufgrund der Kontamination und manche haben ihren gesamten Papayabestand vernichtet, da sie keine gentechnikfreien Papayas garantieren können.

Zweifelhafter Erfolg mit gv-Papaya

Die Gentechnik-Industrie dagegen betrachtet die hawaiianische gv-Papaya als eine Erfolgsstory. Ihre Vertreter betonen gerne, dass die Gentechnik die Papaya auf Hawaii gerettet habe. Aber, wie oben genanntes schon erwarten lässt: Gv-Papaya hat den biologisch und konventionell wirtschaftenden Bauern, wie auch den Bauern, die die transgenen Papayas angebaut haben, gleichermaßen ein ökonomisches Desaster beschert, und der Natur ein ökologisches noch dazu. Dies sollte für die Allgemeinheit Anlass genug sein, wegen der Auswirkungen von kommerziellen Freisetzungen anderer gentechnisch veränderter Bäume in die Umwelt alarmiert zu sein. Auch wenn kommerzielle Freisetzungen die meisten Bedenken hervorrufen, müssen Feldversuche ebenso kritisch betrachtet werden, da auch hier die Gefahr besteht, dass natürliche Verwandte durch gv-Pollen kontaminiert werden. (...) Wissenschaftler der Duke University in North Carolina, USA, haben mit Modellierungs-Studien gezeigt, dass Pollen von Versuchswäldern im Südosten der USA durch Luftströmungen über 2.000 Kilometer weit bis in die östlichen Provinzen Kanadas getragen werden können. Da eine Kontamination über solche Entfernungen stattfinden kann, sind nationale Regelungen nicht ausreichend. Ein weltweites Moratorium muss erlassen werden, das die Freisetzung von gv-Bäumen so lange verbietet, bis eindeutig nachgewiesen wurde, dass gv-Bäume sicher für Mensch und Umwelt sind.

Weltweites Anbau-Moratorium?

Aus diesem Grund hatten Aktivisten in Finnland eine Kampagne für eine Petition für ein weltweites Verbot von gv-Bäumen initiiert und mehr als 2.500 Unterschriften verschiedener Organisationen gesammelt. Außerdem haben Aktivisten bei Treffen der Vereinten Nationen auf der ganzen Welt über die Gefahren, die von gv-Bäumen ausgehen, informiert. Gruppen wie das Peoples Forest Forum aus Finnland, das Global Justice Ecology Project aus den USA, World Rainforest Movement aus Uruguay und die internationale Sektion der Friends of the Earth (1) haben am UN-Waldforum (2) in Genf und New York City teilgenommen, um die Delegierten über die Bedrohung zu informieren, die gv-Bäume für die Wälder weltweit darstellen. Auch bei der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (United Nations Framework Convention on Climate Change - UNFCCC) in Buenos Aires wurden die Gefahren präsentiert. Denn beim Treffen der UNFCCC im Dezember 2003 in Mailand war die Entscheidung gefällt worden, dass Plantagen aus gentechnisch veränderten Bäumen als Klimasenken (3) eingesetzt werden können. Diese Entscheidung der UNFCCC ist besonders problematisch für die sich entwickelnden Länder, wo solche Plantagen zur Reduzierung Klima-relevanter Gase in der Atmosphäre in der Regel gepflanzt werden. Gelangen Pollen oder Samen von gv-Baumplantagen in einheimische Wälder und übertragen Eigenschaften wie Insektenresistenz oder geringeren Ligningehalt, so bringen sie das Ökosystem Wald weiter ins Ungleichgewicht, so dass die globale Erwärmung nicht etwa abnehmen, sondern noch zunehmen wird. Hinzu kommt noch, dass Bäume mit reduziertem Ligningehalt sich schneller zersetzen und dabei Kohlendioxid - ein den Treibhauseffekt erzeugendes Gas - in die Atmosphäre freisetzen. Die Entscheidung der UNFCCC ist aus einem weiteren Grund problematisch. Jetzt kann die Errichtung von Plantagen mit gv-Bäumen, die bislang für viele Länder zu teuer gewesen ist, von den Weltbank-Programmen zur Senkung der Klimagase unterstützt werden. Somit schafft die Weltbank in sich entwickelnden Ländern finanzielle Anreize, armen und indigenen Gemeinden ihre landwirtschaftlichen Flächen und einheimische Wälder zu nehmen, sie in gv-Baumplantagen umzuwandeln, um diese auf die Kohlenmonoxidemissionen der Länder Nordamerikas und Europas als Ausgleich anzurechnen. Die Folgen eines solchen Vorgehens werden für die Umwelt, die menschliche Gesundheit und für das soziale Gefüge in den entsprechenden Regionen der Welt weit reichend sein und - in den meisten Fällen - unwiderruflich. Die Weltbank finanziert in Lateinamerika schon jetzt und ohne den Einsatz gentechnisch veränderter Organismen die Anpflanzung von Baumplantagen zur Reduzierung von Treibhausgasen in der Erdatmosphäre. Dies hat schwerwiegende Auswirkungen auf benachbart lebende Gemeinschaften und Ökosysteme. Es kommt unter anderem zu Vergiftungserscheinungen durch die auf den Plantagen eingesetzten Chemikalien, zum Absinken des Grundwasserspiegels und zur Austrocknung der Böden aufgrund der mit schnellwachsenden Bäumen intensiv bewirtschafteten Plantagen. Gentechnisch veränderte Bäume in solchen Plantagen würden diese Probleme noch um einiges verschärfen. Nachdem beim UN-Waldforum wie auch auf dem Treffen der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen so gut wie keine Unterstützung zu finden war, wenden sich Aktivisten und Wissenschaftler nun an die Delegierten der UN-Konvention über die Biologische Vielfalt (CBD), um herauszufinden, ob auf diesem Wege internationale Regelungen für transgene Bäume vorangebracht werden können. Sogar die FAO, die Organisation für Ernährung und Landwirtschaft der Vereinten Nationen, die selber dazu beigetragen hat, den kommerziellen Anbau von gv-Bäumen in China zu etablieren, scheint solche internationalen Regelungen zu begrüßen, denn sie schließt in ihrem Bericht folgendermaßen: "Neue Biotechnologien, besonders gentechnische Veränderungen, erwecken Bedenken. Zugegebenermaßen sind viele Fragen zu landwirtschaftlichen Nutzpflanzen und Bäumen noch ungeklärt; insbesondere zu den Auswirkungen gentechnisch veränderter Nutzpflanzen auf die Umwelt. Da mit gv-Pappeln in China gentechnische Veränderungen bei Bäumen schon in die kommerzielle Phase eingetreten sind, ist es sehr wichtig, dass Studien zur Umwelt-Risikoabschätzung nach national und international abgestimmten Protokollen und Methoden durchgeführt werden. Außerdem müssen die Ergebnisse solcher Studien allgemein zugänglich gemacht werden."

Kontamination kann nicht verhindert werden

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt beschränken sich die so genannten Containment-Strategien, die Methoden gegen eine uneingeschränkte Verbreitung transgener Konstrukte und ganzer Organismen für gv-Bäume, hauptsächlich auf das Fällen der Bäume, bevor sie fortpflanzungsfähig werden. Diese Vorgehensweise hat sich in manchen Fällen als problematisch herausgestellt: Gv-Bäume auf Testfeldern begannen zu blühen, Jahre bevor man dies von ihnen erwartet hätte. Die Forscher hoffen, eines Tages sterile gv-Bäume zu entwickeln. Doch weisen diese Forscher selbst darauf hin, dass dies wahrscheinlich nicht möglich sein wird. Dies liegt zum einen an den komplizierten Genomen und der großen Anzahl von Genen, die mit der Fortpflanzung zu tun haben. Zum anderen liegt dies an der langen Lebensdauer von Bäumen. Daraus lässt sich schließen, dass kommerziell angebaute gentechnisch veränderte Bäume mit ihren Pollen oder Samen unweigerlich die einheimischen Wälder kontaminieren werden. Im Bericht der FAO schreibt der Forscher Huoran Wang über kommerzielle Pappelplantagen in China: "Es ist fast unmöglich, das Risiko des Gentransfers von gv-Bäumen zu nicht gentechnisch veränderten Bäumen durch Isolationsabstände zu verringern, aufgrund der Leichtigkeit natürlicher Hybridisierung der Pappeln. Zudem sind Pappeln in Nordchina so weit verbreitet, dass die Ausbreitung von Pollen und Samen nicht verhindert werden kann."

Unbeantwortete Fragen

Der international anerkannte Genetiker Dr. David Suzuki stellt klar: "Wir haben keine Kontrolle über die Bewegungen der Insekten, Vögel und Säugetiere, den Wind und den Regen. Durch all diese natürlichen Ereignisse werden die Pollen transportiert. Gv-Bäume haben das Potential, Pollen über Hunderte von Meilen zu verbreiten. Tragen diese Pollen die Gene für Insekten- oder Herbizidresistenz, für Sterilität oder reduzierten Ligningehalt, so haben sie dadurch das Potential, einen verheerenden Schaden in den einheimischen Wäldern der Welt anzurichten. Gv-Bäume könnten ebenso die Tierwelt und die ländlichen und indigenen Gemeinschaften beeinträchtigen, die in Bezug auf ihre Ernährung, ihre Unterkunft, ihre Versorgung mit Wasser, allgemein ihren Lebensunterhalt und ihre kulturelle Praktiken auf intakte einheimische Wälder angewiesen sind. Als Genetiker glaube ich, dass es bei weitem zu viele Unbekannte und unbeantwortete Fragen gibt, um gentechnisch veränderte Pflanzen - Nahrungsmittelpflanzen oder Bäume - im Freien anzubauen. Gv-Bäume sollten nicht im Zuge eines kommerziellen Anbaus in die Umwelt entlassen werden, und alle existierenden Testfelder und vorhandenen Pflanzungen sollten vernichtet werden." In Bezug auf die Zertifizierungskriterien von gv-Bäumen berichtet die FAO: "Es gibt weltweit viele Zertifizierungsorganisationen, und manche, wie das Forest Stewardship Council (FSC) (4), haben gv-Bäume von einer Zertifizierung ausgeschlossen. Gleiches gilt für das Land, auf dem sie wachsen und andere Produkte, die von den Flächen stammen, auf denen diese Bäume wachsen. Manche forstwirtschaftlichen Methoden, wie das Klonen, werden zertifiziert, aber die meisten Agenturen für die Zertifizierung haben keine klaren Richtlinien, was die Anwendungen der Gentechnik betrifft. Industrielle Prozesse, in welchen Enzyme eingesetzt werden, die mit gv-Mikroorganismen hergestellt worden sind, die auf chemischem Wege das Lignin aus dem schon geschlagenen Holz entfernen, sind zertifiziert worden, da diese den Einsatz und den Ausstoß giftiger Chemikalien reduzieren. Somit weichen die Zertifizierungskriterien der verschiedenen Agenturen, Länder, Produkte, Prozesse und Anwendungen stark voneinander ab." Dieser Mangel an Übereinstimmung bezüglich der Zertifizierung von gv-Bäumen macht deutlich, dass ein Moratorium für den kommerziellen Anbau benötigt wird, bis internationale Standards und Regelungen für diese Technologie entwickelt wurden.

Gravierende Mängel

Wie oben bereits angedeutet besteht ein gravierender Mangel des FAO-Berichts in der fehlenden Befragung von Personen aus der Privatwirtschaft. Es finden sich also nur wenige Informationen über den Entwicklungsstand transgener Bäume in privatwirtschaftlichen Unternehmen. Der Bericht enthält überhaupt keine Angaben darüber, welche Unternehmen mit der Entwicklung beschäftigt sind, in welchem Ausmaß und für welchen Zeitpunkt ein kommerzieller Anbau von gv-Bäumen anvisiert wird. Außerdem fehlen Angaben über die Länder, in denen gv-Baumplantagen angelegt werden sollen. Die Bestandsaufnahme der FAO weist somit große Informationslücken auf. Diese sollten durch eine umfassendere, weltweit angelegte Untersuchung dieser Technologie geschlossen werden. Dabei muss der Sektor der Privatwirtschaft natürlich mit einbezogen werden. Solange wird es unmöglich sein, festzustellen, wie weit die Kommerzialisierung von gv-Bäumen fortgeschritten ist oder welche Ökosysteme oder Gemeinschaften am unmittelbarsten durch diese gefährdet sind. Übersetzung: Theresia Scheierling

Fußnoten:

  1. Friends of the Earth International, in Deutschland: Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, in Österreich: Global 2000, in der Schweiz: Pro Natura.
  2. Siehe www.un.org/esa/forests/about.html
  3. Klimasenken - zum Beispiel Wälder - sind Maßnahmen, die laut den Regelungen des Kyoto-Protokolls mit den jeweiligen Emmissionsreduktionsverpflichtungen eines Landes verrechnet werden können. Das Kyoto-Protokoll ist ein Zusatzprotokoll zur Ausgestaltung der Klima-Rahmenkonvention (UNFCCC) der Vereinten Nationen für den Klimaschutz. Es schreibt verbindliche Ziele für die Verringerung des Ausstoßes von Treibhausgasen fest, welche als Auslöser der globalen Erwärmung gelten. Es ist am 16.2.2005 in Kraft getreten. Siehe dazu den Artikel "Gv-Bäume: keine Lösung zum Klimawandel" von Chris Lang im GID 168, S.21
  4. Siehe zum Beispiel: www.fsc-deutschland.de
GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
171
vom August 2005
Seite 6 - 8

Anne Petermann ist Co-Direktorin der Non-Profit-Organisation Global Justice Ecology Project. (www.globaljusticeecology.org)

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