Aus für die internationale UN-Klonkonvention

Zum dritten Mal in den letzten drei Jahren hatte sich der Rechtsausschuss der UN-Vollversammlung Ende Oktober in New York versammelt, um eine internationale Klonkonvention zu verabschieden. Nach wie vor sind sich die 191 UN-Mitgliedsstaaten zwar darin einig, das so genannte reproduktive Klonen zu verbieten. Streit gibt es aber seit 2001 um das Forschungsklonen. Dessen Befürworter haben nun einen Etappensieg davongetragen: Die Klonkonvention ist vom Tisch.

Der heutige Tag markiert einen lang erkämpften Sieg für Befürworter der Stammzellforschung", so Bernard Siegel, Direktor des Genetics Policy Institute in Florida, einer Gruppe von Lobbyisten, die in den USA unter anderem eine Kampagne für das Klonen macht. Die Entscheidung des Rechtsausschusses der Vereinten Nationen vom 19. November, das Ziel einer Konvention aufzugeben, stelle "eine große Erleichterung" für Wissenschaftler dar, so auch Kevin Wilson, Pressesprecher der American Society for Cell Biology.(1) Das Signal ist in der Tat eindeutig: Weil ein Kompromiss zwischen Befürwortern und Gegnern des Forschungsklonens nicht gefunden werden konnte, wird es nun gar keine internationale Konvention zum Klonen geben. Ein absurd anmutendes Ergebnis der mehr als dreijährigen Verhandlungen in der UNO. Denn seit im Herbst 2001 auf Betreiben Frankreichs und Deutschlands eine Arbeitsgruppe bei dem für juristische Fragen zuständigen Ausschuss der UN-Vollversammlung eingesetzt wurde, um eine Konvention gegen das Klonen zu erarbeiten, herrschte Einigkeit darüber, dass die Herstellung genetisch identischen Nachwuchses weltweit verboten werden soll. Und nicht nur das: Eine deutliche Mehrheit in der UN-Vollversammlung wollte das Klonen auch ganz unabhängig vom Zweck verbieten, das heißt, ein Totalverbot der Technologie. Aber die von innen- und standortpolitischen Interessen gespeisten Verhandlungsstrategien vieler Staaten haben die Übereinkunft blockiert. Von dem Verhandlungsergebnis profitieren dabei nicht nur die Befürworter des Forschungsklonens.

Zwei Konventionsentwürfe

Zwei Konventionsentwürfe standen seit der Verhandlungsrunde im vergangenen Jahr zur Diskussion: Der von Costa Rica eingebrachte und von den USA, Italien, Portugal und 57 weiteren, mehrheitlich katholischen Ländern unterstützte Entwurf sah vor, jegliche Form des Klonens zu ächten. Dagegen stand die belgische Variante, die 24 Staaten unterstützten, neben Russland, China, Japan, Singapur und Südkorea vor allem Mitgliedsstaaten der EU. Der Entwurf verbot lediglich das so genannte reproduktive Klonen, also die Herstellung von Menschen per Zellkerntransfer. Das Klonen zu Forschungszwecken sollte jedes Land durch nationale Gesetze regeln können. Beide Gruppen standen sich schon im vergangenen Jahr kompromisslos gegenüber. In einigen Staaten sind Klonexperimente ausdrücklich erlaubt, so in Belgien und Großbritannien; als El Dorado des Forschungsklonens gelten Singapur, China und Israel. In anderen Staaten wie zum Beispiel Russland ist das Klonen bisher gar nicht geregelt und in einer beträchtlichen Anzahl von Ländern besteht zumindest indirekt ein generelles Verbot, beispielsweise in der Schweiz, in Deutschland und in vielen katholischen Ländern. Aber diese Verbote unterliegen spätestens seit der Kultivierung embryonaler Stammzellen 1999 einer beständigen Erosion. Der Streit um die UN-Konvention hat diesen Prozess befördert und vor allem eines deutlich gemacht: Jenseits der gern vorgetragenen Bekenntnisse zur Menschenwürde gründen politische Entscheidungen zur Embryonen- und Klonforschung auf dem Imperativ der globalen ökonomischen Konkurrenz. Da das Klonen vielfältige Möglichkeiten bietet, die Entwicklung und Programmierung von Zellen, die Rolle, die Gene dabei spielen, und die Wirkmechanismen von chemischen Stoffen, vor allem von Medikamenten, zu studieren, ist der Forschungsbereich ökonomisch interessant; schon jetzt wird in die Klon- und Stammzellforschung viel investiert. Dieses ökonomische Potenzial des Forschungsfeldes treibt staatliches Handeln; weil niemand auf Optionen in diesem Bereich verzichten wollte, ist die geplante internationale Konvention gegen das Klonen gescheitert.

Alle oder keiner: Das Beispiel Deutschland

Absehbar war das Scheitern der Übereinkunft bereits in der Verhandlungsrunde des vergangenen Jahres. Damals wie heute gab es zwar eine deutliche Mehrheit unter den UN-Mitgliedsstaaten, die einem totalen Klonverbot zustimmen wollten; die kleine Gruppe der Befürworter des Forschungsklonens ließ sich davon aber nicht beeindrucken. Eine entscheidende Rolle für das Scheitern einer sämtliche Formen des Klonens verbietenden Konvention spielte die Bundesregierung. So wurde der Antrag auf Vertagung der Verhandlungen im letzten Jahr nur mit einer Stimme Mehrheit angenommen – hätte der deutsche Vertreter dagegen gestimmt, wäre über die beiden zur Auswahl stehenden Anträge abgestimmt und aufgrund der Mehrheitsverhältnisse zwischen beiden Gruppen ein totales Klonverbot verabschiedet worden. Daran aber hatte und hat die Bundesregierung kein Interesse. Obwohl der Bundestag die Regierung im Februar 2003 per Beschluss direkt aufgefordert hatte, eine UN-Konvention anzustreben, "die sowohl das reproduktive wie das so genannte therapeutische Klonen verbietet", votierte Deutschland in den UN-Verhandlungen des vergangenen Jahres unverdrossen für den belgischen Konventionsentwurf, der lediglich die Herstellung geklonter Menschen verbot und das Forschungsklonen den jeweiligen nationalen Gesetzgebungen überließ.(2) Das Mandat des Bundestages stand der Strategie der Regierung diametral entgegen; sie setzt seit Jahren via Förderpolitik auf die biotechnologische Forschung und ist darum bemüht, die in Deutschland bestehenden strikten Begrenzungen der Embryonenforschung aufzuweichen. Bundeskanzler Gerhard Schröder ließ daran noch kurz vor dem Bundestagsvotum keinen Zweifel: "Es muss noch diskutiert werden, ob das therapeutische Klonen von einem Verbot ausgenommen werden kann oder muss", so der Kanzler in einem Zeitungsinterview.(3) Die deutschen Vertreter bei den UN-Verhandlungen äußerten sich taktischer: Um ein umfassendes Klonverbot zu erreichen, versuche man "Brücken zu bauen zu den Staaten, die schon forschen", begründete etwa die deutsche UN-Vertreterin Kerstin Müller das Votum Deutschlands gegen ein Totalverbot des Klonens.(4) Dass es bei solchen Brückenschlägen um ein Klonverbot ging, darf bezweifelt werden. ‘Schon forschende Staaten’ sind zum Beispiel Israel und Schweden; von dort beziehen deutsche Forscher die begehrten embryonalen Stammzellen. Die standortpolitischen Erwägungen geschuldete Argumentationsstrategie der Deutschen eröffnete in den UN-Verhandlungen im vergangenen Jahr einen Königsweg für die Staaten, die trotz interner juristischer, politischer oder religiöser Widerstände auf dem globalen Forschungsmarkt bestehen wollen. Die Schweiz beispielsweise begründete ihr Votum für ein auf das reproduktive Klonen beschränktes Verbot mit Pragmatismus. "Zu viele Staaten wollen sich (...) die Option des therapeutischen Klonens offen halten", heißt es unumwunden in einem Papier des Eidgenössischen Departements für Auswärtige Angelegenheiten. Ein "rasches Verbot" könne deshalb nur beim reproduktiven Klonen erreicht werden.(5)

Alles oder nichts: Das Beispiel USA

Aber nicht nur die an der Embryonenforschung interessierten Staaten hielten sich mit ihrer Verhandlungsstrategie die Türen zum Forschungsklonen mehr oder weniger explizit offen. Insbesondere die USA als exponierte Vertreterin eines totalen Klonverbotes kochte ihr innenpolitisches Süppchen, ohne auf das standortpolitische Hauptgericht verzichten zu müssen. Die Bush-Administration und ihre Klientel aus Abtreibungsgegnern und religiösen Fundamentalisten will Experimente mit menschlichen Embryonen landesweit verbieten. Ein Entwurf für ein Bundesgesetz, das jegliche Form des Klonens untersagt, wurde bereits im Juli 2001 mit einer deutlichen Mehrheit im Repräsentantenhaus angenommen, scheiterte aber danach immer wieder an der demokratischen Mehrheit im Senat. Eine Lobby aus Forschern, Unternehmen und ihnen angeschlossenen Patientenorganisationen dagegen promoten das Forschungsklonen mit medienwirksamen Kampagnen.(6) Das Land ist in dieser Frage so gespalten, dass die Bush-Administration aus Angst vor Stimmverlusten sehr daran interessiert war, die diesjährige Verhandlungsrunde über ein internationales Klonverbot bis nach den US-Wahlen am 2. November zu verlängern. Nachdem die Konvention gescheitert ist, kann die konservative, aber industriefreundliche Bush-Regierung nun den Status Quo der Embryonenforschung ohne Gesichtsverlust beibehalten. Das heißt, Forschungen an menschlichen Embryonen dürfen nicht mit Bundesmitteln gefördert werden, sind aber nur in neun Bundesstaaten ausdrücklich verboten. In allen übrigen darf weiter geklont und an Embryonen geforscht werden – finanziert mit Mitteln aus der Industrie. Es erscheint jedenfalls zumindest fragwürdig, ob die Bush-Administration nach dem Ende des Wahlkampfes das Bundesgesetz zum generellen Klonverbot noch einmal ausgräbt. Schließlich bestünde die Gefahr, dass der jetzt mehrheitlich von Republikanern besetzte Senat zustimmt – nach dem Scheitern einer internationalen Übereinkunft zum Klonen ein erheblicher Standortnachteil.

Sprachregelungen

In jedem Fall bleibt das Thema aber auf der Agenda der UNO. Nachdem klar war, dass es keinen Kompromiss geben und die Befürworter des Forschungsklonens wie etwa Großbritannien oder Südkorea sich nicht an eine Mehrheitsentscheidung in der UNO gebunden fühlen würden, einigte man sich auf einen neuen Plan: Eine politische Erklärung, die das Klonen ächtet. Italien hatte kurz vor dem Termin zur Abstimmung einen Textvorschlag eingebracht. "Die Idee hinter der Deklaration besteht darin", so der belgische Botschafter bei den Vereinten Nationen, Marc Pecsteen, "eine allgemeine Sprachregelung zu finden, mit der wir alle leben können."(7) Eine Arbeitsgruppe soll in den nächsten Monaten ‚Konsultationen durchführen’ und sich im Februar 2005 versammeln, um an dem Text zu feilen. "Es ist aber zu befürchten", schreibt der CDU-Bundestagsabgeordnete Hubert Hüppe in einer Pressemitteilung, "dass im Februar der Streit um Schlüsselformulierungen fortgesetzt wird."(8) Jenseits des Gerangels um politische Sprachregelungen hat mit dem Scheitern der Klonkonvention vor allem die Lobby aus Embryonenforschern, Unternehmen, Patientenorganisationen und Wirtschafts- und Gesundheitspolitikern gewonnen. "Eine Deklaration ist wichtig für das, was nicht darin steht", sagt Bernard Siegel. "Sie ist kein Vertrag, sie ist nicht bindend, sie wird keine dramatischen Auswirkungen auf das therapeutische Klonen haben und die Stammzellforschung wird auch voranschreiten. Wir betrachten das als Triumph."(9)

Fußnoten:

  1. Beide Zitate aus: UN ditches cloning ban, nature online, 22.11.04, www.nature.com/news/2004/041122/full/041122-2.html
  2. Deutscher Bundestag, Drucksache 15/463, 18.2.03
  3. Financial Times Deutschland, 20.2.03
  4. Financial Times Deutschland, 1.10.03
  5. Antwort des Eidgenössischen Departements für Auswärtige Angelegenheiten, 14.1.03, in: Schweiz votierte bei der UNO auch für minimalistisches Klonverbot!, www.gene.ch
  6. Laut Ärztezeitung hatten anlässlich der diesjährigen Verhandlungsrunde mehr als 120 Wissenschaftler und Selbsthilfegruppen überwiegend aus den USA die UN-Vollversammlung aufgefordert, einem komplette Klonverbot nicht zuzustimmen (Ärztezeitung Online, 15.10.04). Der Appell blieb nicht ohne Erfolg: So wechselte eine Gruppe von 12 afrikanischen Ländern, die bis dahin für ein totales Verbot waren, unter Hinweis auf mögliche therapeutische "Benefits" auf die Seite der Unterstützer des belgischen Vorschlags.
  7. http://news.scotsman.com/latest.cfm?id=3777299, zitiert nach Human Genetics News, 19.11.04
  8. Pressemitteilung des CDU-Bundestagsabgeordneten Hubert Hüppe, 20.11.04 Nach der Vorlage des Entwurfes für die Deklaration kamen sofort Differenzen über die Frage auf, ob bei der Verurteilung des Klonens von der Erzeugung von "human life" oder von "human beings" die Rede sein soll.
  9. U.S. Drops Effort for Treaty Banning Cloning, New York Times, 20.11.04.
GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
167
vom Dezember 2004
Seite 48 - 51

Uta Wagenmann war Mitarbeiterin des GeN und GeN-Vorstandsmitglied.

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Ein Brückenschlag? Preis für Grenzverschiebungen an Ian Wilmut

Nahezu zeitgleich zum Scheitern der UN-Klonkonvention erreichte die Medien die Meldung, dass Ian Wilmut, so genannter Vater des Klonschafes Dolly, den mit 100.000 Euro dotierten Paul-Ehrlich- und Ludwig-Darmstädter-Preis 2005 erhält. Mit der international zu den renommiertesten Medizinpreisen zählenden Auszeichnung sollen die "bahnbrechenden Experimente" des Klonforschers gewürdigt werden. Seine Versuche hätten "die Visionen in der Embryologie grundlegend verändert", heißt es in der Pressemitteilung des wissenschaftlichen Stiftungsrates der Paul-Ehrlich-Stiftung. "Neue Grenzen in der Tierzucht und in der Humanmedizin werden die Folge sein." In ihrer Begründung hob die Jury Wilmuts Ansicht hervor, "dass das reproduktive Klonen beim Menschen verboten sein sollte." Unter den Tisch fallen ließ sie, dass der Forscher vom Roslin-Institut in Schottland eine Lizenz der dafür zuständigen britischen Behörde, der Human Fertility and Embryology Authority, zum Klonen menschlicher Embryonen hält. Nach eigenen Angaben will er mit den Experimenten Therapien entwickeln, und zwar gegen tödliche Nervenleiden. "Die Entscheidung der Paul-Ehrlich-Stiftung ist ein unverständlicher Affront", heißt es in einer Pressemitteilung des CDU-Bundestagsabgeordneten Hubert Hüppe. "Sie ehrt mit Wilmut jemanden, dessen Klonexperimente mit Embryonen in Deutschland strafbare Handlungen wären." Pikant in diesem Zusammenhang: Die Hälfte des Preisgeldes kommt aus dem Bundesgesundheitsministerium, wird also aus Steuermitteln bezahlt. Die andere Hälfte besteht aus zweckgebundenen Spenden von Unternehmen. Ihnen dürfte die Entscheidung des Stiftungsrates besonders recht sein: Wilmut erhält des öfteren finanzielle Unterstützung aus der Industrie, aus der Bundesrepublik zuletzt 2002 den mit 50.000 Euro dotierten Ernst-Schering-Preis, den die Schering Forschungsgesellschaft vergibt.
(www.idw-online.de/pages/de/news91499, 23.11.04 / www.faz.net, 23.11.04 / Pressemitteilung Hubert Hüppe, 24.11.04) (uw)

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