DNA und Strafverfolgung: GeN bezieht Stellung anlässlich der aktuellen Diskussion

(Berlin, 27.03.09) Jetzt ist es klar: Das „Phantom von Heilbronn“ ist keine mordlustige Monsterfrau, sondern das Trugbild eines „Glaubens an die DNA“, von dem die deutsche Polizei nur ungern abrücke, so der Kriminologe Thomas Feltes im Morgenmagazin des ZDF. Anlässlich des jüngst bekannt gewordenen Ermittlungsfehlers wendet sich das Gen-ethische Netzwerk e.V. gegen die Sammelwut von Polizei und Sicherheitsbehörden und kritisiert eine fragwürdige Praxis.
 

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+++ Pressemitteilung des Gen-ethischen Netzwerkes e.V. (GeN) +++ Fragwürdige DNA-Überwachung – wider die Sammelwut

(Berlin, 27.03.09) Jetzt ist es klar: Das „Phantom von Heilbronn“ ist keine mordlustige Monsterfrau, sondern das Trugbild eines „Glaubens an die DNA“, von dem die deutsche Polizei nur ungern abrücke, so der Kriminologe Thomas Feltes heute morgen im Morgenmagazin des ZDF. Auch wenn Forensiker und Ermittler allseits versuchen, die alarmierte Öffentlichkeit mit Aussagen über die Sicherheit der Methode zu beruhigen – ihr Einsatz ist fehleranfällig. Weil die DNA-Analyse nichtsdestotrotz als unfehlbar gilt, gefährdet ihr exzessiver Einsatz in ganz besonderer Weise Grundsätze des Rechtsstaates wie etwa die Unschuldsvermutung („in dubio pro reo“).

Wir warnen vor falschen Schlussfolgerungen aus den Lehren des „Phantoms“: Der Reflex, auf diese Panne mit einer erneuten Erweiterung der biotechnologischen Überwachung - auf MitarbeiterInnen von Medizinfachfirmen oder Laboren - zu antworten, führt die Notwendigkeit eines Umdenkens ad absurdum. Es ist an der Zeit, die routinemäßige Erhebung und Sammlung von DNA-Identifizierungsmustern prinzipiell in Frage zu stellen. Insbesondere muss der seit Jahren zu beobachtenden, sukzessiven Ausweitung der DNA-Analyse auf immer neue Straftatbestände und der damit verbundenen, zunehmend wahlloseren Anhäufung von DNA-Profilen in polizeilichen Datenbanken Einhalt geboten werden.

Das Gen-ethische Netzwerk e.V. (GeN) macht seit vielen Jahren auf gravierende Probleme aufmerksam, die aus der Fokussierung von Ermittlungsmethoden auf die DNA-Analyse resultieren. Gerade erst wieder haben wir in unserer Fachzeitschrift GiD unter dem Titel „Datenmassen und Fehlerquellen“ diverse Dimensionen der kriminalistischen DNA-Analyse und der mit ihr untrennbar verbundenen Sammelwut dokumentiert. Aus dem Inhalt: Fehlerquellen fußen zum einen auf der Ausweitung der Analyse auf immer winzigere Proben, die zudem überwiegend nicht mehr zur Aufklärung von schweren Straftaten, sondern zur Untersuchung von Diebstählen und Einbrüchen gesammelt werden. Meist handelt es sich um Abriebspuren, die oft die DNA mehrerer Personen enthalten. (Interview mit Rechtsmediziner Peter Schneider) Fehler entstehen außerdem durch das stetige Wachstum der polizeilichen DNA-Datensammlungen in ganz Europa und ihrer Vernetzung. Angesichts der Datenmassen werden „falsche Treffer“ statistisch immer wahrscheinlicher (siehe Beitrag von Eric Töpfer). Nicht zuletzt gilt es zu bedenken, dass eine vorhandene DNA-Spur noch nichts darüber aussagt, wie sie an einen Tatort oder eine Tatwaffe gekommen ist und auch deswegen allein noch kein Beweis ist. Es ist aber derzeit extrem schwierig für Strafverteidiger, gegen den vorherrschenden Glauben an die DNA bei deutschen Gerichten und Ermittlungsbehörden durchzudringen (siehe Beitrag des Strafverteidigers Thomas Bliwier).

GiD (Gen-ethischer Informationsdienst) 191: DNA-Analyse in der Kriminalistik: Datenmassen und Fehlerquellen, Dezember 08, 6,50 Euro, ISSN 0935-2481

Kontakt: Gen-ethisches Netzwerk e.V. Brunnenstrasse 4 - 10119 Berlin - Fon: 030-44017254 od. 6857073 (AB)- Fax: 030-6841183 Ansprechpartnerinnen: Susanne Schultz, Uta Wagenmann eMail: susanne.schultz@gen-ethisches-netzwerk.de uta.wagenmann@gen-ethisches-netzwerk.de Das Gen-ethische Netzwerk e.V. arbeitet seit mehr als 20 Jahren kritisch und kompetent zu den Themen Gentechnologie und Fortpflanzungsmedizin. Es gibt regelmäßig zweimonatlich eine Fachzeitschrift heraus (GiD).

27. März 2009