USA & China: Gemeinsames Interesse Gentechnik?
Wie der Herbstheerwurm für wirtschaftliche Interessen genutzt wird
China und die USA nehmen durch enge Zusammenarbeit Einfluss auf die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO). Dieses Verhältnis könnte die globale Nahrungsmittelproduktion auch im Hinblick auf den Einsatz von Gentechnik nachhaltig verändern.

Der Herbstheerwurm befällt Kulturpflanzen aus der Familie der Gräser, insbesondere Mais, und verursacht große Schäden. Foto: Jennifer Johnson/CIMMYT (CC BY-NC-SA 2.0)
Die USA und China dominieren zunehmend das globale System der Nahrungsmittelproduktion und des Handels. Diese gemeinsame Rolle führt zu einem stärkeren Wettbewerb zwischen den beiden Ländern, aber auch zu einer sich vertiefenden gegenseitigen Abhängigkeit. Nun wurde ein US-amerikanischer Botschafter bei der FAO ernannt.1 Damit haben die USA die Möglichkeit, global Einfluss auf das Nahrungsmittelsystem zu nehmen und ihre Prioritäten und Praktiken gegenüber China zu überdenken und anzupassen.
Eine einflussreiche Beziehung
Die beiden Länder sind dominierende Kräfte in der globalen Landwirtschaft und interagieren in einer sich weltweit schnell verändernden Landschaft. Ihre Beziehung kann die zukünftige globale Nahrungsmittelproduktion beeinflussen. Um das genauer zu verstehen, lohnt es sich im Detail zu betrachten, wie die FAO mit der Herausforderung eines invasiven Schädlings, dem Herbstheerwurm, umgegangen ist. Der Herbstheerwurm, eine Raupe, die das Larvenstadium der Herbstheerwurm-Motte darstellt, kann die Erträge von Nutzpflanzen wie Mais, Reis und Sorghum reduzieren. Er migrierte im Jahr 2016 aus seiner Heimat Amerika und begann sich weltweit auszubreiten. Nur zwei Jahre nach seiner Etablierung in Westafrika hatte er Subsahara-Afrika durchquert und seinen Weg nach Indien gefunden. Im Jahr 2019 war der Herbstheerwurm dann auch in China angekommen, dem zweitgrößten Maisproduzenten der Welt.
Gemeinsames Interesse an Gentechnik
Als die FAO begann auf den Schädling zu reagieren, indem sie Landwirt*innen in Afrika und Asien Lösungsansätze anbot, wurde eine neue Interessenübereinstimmung zwischen China und den USA sichtbar. Eine Verschiebung dieser Interessen scheint im September 2019 begonnen zu haben: Während eines Besuchs des chinesischen Generaldirektors der FAO, Qu Dongyu, in den USA handelten chinesische und US-amerikanische Beamt*innen etwas aus, das wie eine ungeschriebene Vereinbarung aussieht und den beiden Ländern eine Zusammenarbeit in der FAO ermöglicht. Diese Übereinkunft scheint auf einem gemeinsamen wirtschaftlichen Interesse der beiden Länder zu beruhen, nämlich der weiteren Verbreitung kommerzieller Technologien im Bereich der Tier- und Pflanzengesundheit, einschließlich Pestiziden und schädlingsresistenten gentechnisch veränderten (gv) Pflanzen. Das betrifft insbesondere Regionen in Subsahara-Afrika und Asien, die vom Herbstheerwurm stark betroffen sind, in denen diese Technologien aber noch relativ wenig eingesetzt werden. Diese Gebiete stellen große potenzielle Märkte für landwirtschaftliche Technologien dar.
Die überwiegend westlichen Konzerne, die diese Technologien herstellen, haben sich gemeinsam mit Unterstützung der US-Agentur für internationale Entwicklung (USAID) seit langem dafür eingesetzt, dass kommerzielle landwirtschaftliche Produkte wie Pestizide und gv-Pflanzen in Subsahara-Afrika und in anderen Teilen des globalen Südens eingeführt werden, die nun durch die Ankunft des Herbstheerwurms alarmiert sind. Gleichzeitig gibt es klare Signale, dass China beabsichtigt, mit dem Westen zu konkurrieren, in der Hoffnung, diese Märkte zu dominieren.
Chinas Abhängigkeiten wachsen
Die boomende chinesische Wirtschaft und die schnell wachsende Mittelschicht in den letzten 25 Jahren haben Chinas Nahrungsmittelsysteme stark belastet. Das Land ist zunehmend abhängig von landwirtschaftlichen Rohstoffen aus aller Welt geworden, insbesondere von Futtergetreide. Die Importe von Soja und Mais als Tierfutter haben deutlich zugenommen– ein großer Teil dieser Importe kommt aus den USA. China ist zum weltweit größten Maisimporteur geworden, die Maisexporte der USA nach China sind auf Rekordniveau und die beispiellos hohe Nachfrage aus China ist ein ausschlaggebender Faktor für die hohen Preise in den USA. Um die gegenwärtige und zukünftige Versorgung sicherzustellen, hat sich China Quellen für Futtermittel und Tiere aus dem westlichen Lebensmittelsektor gesichert und in Unternehmen und Technologien investiert, die in Zukunft wahrscheinlich eine wichtige Rolle in der globalen Lebensmittelproduktion spielen werden. Gleichzeitig hat China auch seine Rolle in der globalen Nahrungsmittelversorgung ausgebaut, indem es wichtige westliche Agrarkonzerne aufgekauft und in einheimische Unternehmen investiert hat, die landwirtschaftliche Produktionstechnologien entwickeln. So stimmte das chinesische Staatsunternehmen ChemChina im Jahr 2016 zu, 43 Milliarden Dollar für den Kauf von Syngenta zu zahlen. Andere chinesische Agrartechnologieunternehmen haben schnell neue Produkte entwickelt, insbesondere in der Biotechnologie.
FAO: Konfliktthema Gentechnik
Die USA haben seit langem einen großen Einfluss in der FAO. In den letzten Jahren gab es jedoch zunehmend Uneinigkeiten zwischen den USA und anderen Mitgliedsländern der FAO. Diese bezogen sich vor allem auf die Verwendung von gv-Pflanzen, Hormonen und Antibiotika in der Milch- und Tierproduktion – Praktiken, die sowohl in europäischen Ländern als auch in der Anwendung agrarökologischer Standards unerwünscht sind.2
Die FAO unterstützt die Agrarökologie als Alternative zur großflächigen Monokulturproduktion, welche wiederum von der globalen Agrarindustrie gefördert wird. Diese Diskrepanz führte zu hitzigen Diskussionen über gv-Nutzpflanzen in der FAO. Im USA-China-Abkommen der FAO spielt der Einsatz von gv-Nutzpflanzen eine besonders interessante Rolle: Während sich der Einsatz dieser Technologien in einigen Ländern, einschließlich der USA, schnell ausgebreitet hat, war er in China auf Non-Food-Kulturen, hauptsächlich Baumwolle, beschränkt. Chinesische Unternehmen haben zwar schnell gv-Nahrungspflanzen entwickelt, doch die Regierung hat deren kommerziellen Einsatz nicht genehmigt.
Schädlingsbefall nutzen, um Gentechnik einzuführen?
Obwohl die Ertragseinbußen durch den Befall mit dem Herbstheerwurm in der Regel nur sporadisch auftreten und in gesunden Maiskulturen oft nicht signifikant sind, kann der Schaden schwerwiegend sein. In den USA sowie in Brasilien, Argentinien und einigen anderen Ländern bekämpfen Landwirt*innen in großen kommerziellen Betrieben den Schädling, indem sie gentechnisch verändertes Maissaatgut verwenden. Diese Pflanzen enthalten Gene des Bakteriums Bacillus thuringiensis (Bt), das Toxine absondert, die den Herbstheerwurm und andere Raupen abtöten. Dieser Bt-Mais war für große Betriebe, die ihren Mais als Tierfutter verkaufen, kommerziell erfolgreich, vor allem dort, wo die Landwirt*innen durch Ernteversicherungen und staatliche Subventionen unterstützt werden.
Als der Schädling Afrika heimsuchte, versuchten US-Konzerne ihre Nutzpflanzen in Subsahara-Afrika zu verkaufen. Mit Unterstützung der USAID nutzten sie den Schädlingsbefall als Vorwand, Regierungen dazu zu drängen, den Einsatz von gv-Nutzpflanzen im Kampf gegen den Schädling zu erlauben und die Technologie für gv-Nutzpflanzen in der Region einzuführen. Das USAID wird schon lange von US-amerikanischen Konzernen beeinflusst, um die landwirtschaftliche Biotechnologie zu fördern, insbesondere die Verwendung von gv-Pflanzen. Seit Beginn der Entwicklung und Vermarktung von Bt-Mais durch Monsanto (heute Bayer) und andere Konzerne Mitte der 1990er Jahre hat USAID darauf gedrängt, dass die Länder die Vermarktung von gv-Nutzpflanzen erlauben. Die Unterstützung der US-Regierung für Länder, in denen der Herbstheerwurm auftrat, hatte stets eine starke Komponente zur Förderung des Einsatzes von gv-Pflanzen. Subsahara-Afrika ist nun zu einem Brennpunkt für diesen Druck der USA geworden. Denn die meisten Länder in der Region lassen den Einsatz von gv-Pflanzen nicht zu oder gehen bei der Zulassung der Technologien langsam und vorsichtig vor.
Die FAO setzt auf Agrarökologie
Bis jetzt ist die FAO nicht auf die von den USA geführte Kampagne für gv-Mais als Antwort auf den Herbstheerwurm aufgesprungen. Der Grund ist, dass 98 Prozent der Maisbäuer*innen in Afrika Kleinbäuer*innen sind, die in der Regel weniger als zwei Hektar Mais anbauen und daher kein gv-Saatgut benötigen. Mais ist typischerweise keine kommerzielle Nutzpflanze in Subsahara-Afrika, mit Ausnahme von Südafrika. Die Landwirt*innen bauen die Ernte größtenteils für den Eigenbedarf an, und wenn sie einen Überschuss verkaufen, dann in der Regel an lokale Märkte oder Zwischenhändler*innen, die einen niedrigen Preis bieten. Kleinbäuer*innen haben kaum Zugang zu Ernteversicherungen oder staatlichen Subventionen, und ihre wirtschaftlichen Umstände und ihre Abneigung gegen Risiko schließen den Einsatz von Betriebsmitteln (einschließlich Dünger) für ihre Maiskulturen im Allgemeinen aus.
Statt gv-Mais zu fördern, arbeitete die FAO in ihrem Herbstheerwurm-Programm mit Kleinbäuer*innen und assoziierten Organisationen zusammen, um das tatsächliche Ausmaß der Ernteverluste zu quantifizieren und lokal verfügbare, kostengünstige und effektive Umgangsweisen zu identifizieren. Die meisten dieser Methoden basieren auf dem Verständnis des lokalen Kontextes. Kleinbäuer*innen auf der ganzen Welt haben eine Reihe von natürlichen Feinden beobachtet, die bei der Bekämpfung des Schädlings helfen, darunter Parasiten, Räuber und Insektenpathogene. Sie haben auch beobachtet, wie einige Begleitpflanzen chemische Signale aussenden, die die Motten des Schädlings von den Maispflanzen fernhalten. Die FAO förderte die Zusammenarbeit von Wissenschaftler*innen mit Landwirt*innen, um die ökologischen Grundlagen der kleinbäuerlichen Herbstheerwurmbekämpfung weiter zu erforschen und ihre Ergebnisse in wissenschaftlichen Zeitschriften zu veröffentlichen. Leider stand dieser kleinbäuerliche, agrarökologische Ansatz zur Bekämpfung des Schädlings im Gegensatz zu den Interessenvertreter*innen aus der Industrie, die gv-Mais fördern wollen und die politischen Prioritäten der FAO so stark beeinflussen. Die USA drückten wiederholt ihre Frustration über die Verweigerung der FAO aus, ein Pro-gv-Mais-Narrativ zur Lösung des Herbstheerwurmproblems in Subsahara-Afrika anzunehmen.
Herbstheerwurm als Wendepunkt für China?
Das Auftreten des Herbstheerwurms in China könnte durchaus die entscheidende Wende für Chinas Entscheidung über die kommerzielle Nutzung von gv-Mais bringen. Neben dem weltweit führenden Unternehmen für landwirtschaftliche Biotechnologie, Syngenta, das jetzt in chinesischem Besitz ist, treiben auch andere chinesische Biotechnologieunternehmen die Entwicklung von gv-Produkten zügig voran. Die USA haben hart daran gearbeitet, die Gesetze und die Politik afrikanischer Länder zu ändern, um gv-Mais zuzulassen, und dessen Verwendung energisch gefördert. Gleichzeitig könnten die chinesischen Unternehmen, die sich den Bemühungen erst kürzlich angeschlossen haben, diejenigen sein, die am meisten von den neuen Märkten profitieren.
Gemeinsame Agenda in der FAO
Das gemeinsame Interesse an der Förderung von gv-Pflanzen war ein Grund für die offene Unterstützung des chinesischen FAO-Generaldirektors durch die USA. Ein weiterer Ausdruck der gemeinsamen Agenda von China und den USA zur Förderung konventioneller Pestizide und gv-Pflanzen wurde in einer Vereinbarung von 2020 sichtbar, die zwischen der FAO und dem internationalen Handelsverband CropLife, zustande kam.3 In der Vergangenheit waren die Beziehungen zwischen der FAO und CropLife angespannt, es gab jahrelangen Streit über den Einsatz von Pestiziden.
Die USA haben jetzt die Möglichkeit, das derzeitige Abkommen mit China sorgfältig zu prüfen und ihre Position innerhalb der Organisation neu zu definieren. Die Biden-Administration wird nun nicht nur entscheiden müssen, wie sich die USA in der FAO in wesentlichen Fragen engagieren werden. Dazu gehört, wie man am besten mit den Herausforderungen des Herbstheerwurms umgeht und, allgemeiner, wie man die Führungsrolle der USA in der globalen Entwicklung unter USAID fördern kann. Die neue Regierung wird sich außerdem mit dem Erbe der mächtigen Konzerninteressen an landwirtschaftlichen Pestiziden und gv-Pflanzen bei FAO und USAID auseinandersetzen müssen. Sie wird einen Weg finden müssen, um Partnerschaften wieder aufzubauen, die sich aufrichtig darauf konzentrieren, eine Vielzahl von landwirtschaftlichen, ökologischen und wirtschaftlichen Zielen zu erreichen.
Ursprünglich veröffentlicht als A. Hruska, „What the Global Battle Against the Fall Armyworm Reveals About How the US and China See the Future of Global Food Production“, Issues in Science and Technology (6. Mai 2021). Nachdruck mit Genehmigung. Übersetzt und gekürzt von Pia Voelker.
- 1Die FAO ist mit der Bekämpfung des Hungers und der Verbesserung der Ernährung und der Nahrungsmittelsicherheit auf der ganzen Welt beauftragt.
- 2Agrarökologie ist die Wissenschaft von der Anwendung ökologischer Konzepte und Prinzipien auf die Gestaltung und das Management nachhaltiger Lebensmittelsysteme.
- 3CropLife ist ein internationaler Handelsverband, der die chemische und gentechnische Pflanzenschutzindustrie vertritt.
Allan Hruska ist Direktor des Projekts „Global IDEAS“ an der Michigan State University in den USA.