Farmers Empowerment

Interview mit Charito (Chito) P. Medina

Deutsche LobbyistInnen machen in Asien Werbung für den Goldenen Reis. Die Bäuerinnen und Bauern von MASIPAG auf den Philippinen wehren sich in einem lokalen Bündnis und haben eigene Lösungen parat - für den Mangel an Vitamin A und für andere Probleme. 

Lassen Sie mich mit einer allgemeineren Frage beginnen. Wie müssen wir uns die Landwirtschaft auf den Philippinen vorstellen?

Die Landwirtschaft auf den Philippinen ist geprägt von kleinbäuerlichen Strukturen, das bedeutet, die Farmen der meisten Familien haben eine Größe von ein bis zwei Hektar. Sehr viele Menschen besitzen überhaupt kein Land. Übers Jahr gesehen kann sich ein großer Teil von ihnen nicht selbst versorgen. Die Regierungspolitik zielt in erster Linie darauf ab, die Ernten zu erhöhen, um damit eine Ernährungssicherheit zu erreichen. Dabei achtet sie vor allem auf die volkswirtschaftliche Ebene und vernachlässigt die Frage, ob es lokal in den Familien genug Einkommen und ausreichend Nahrungsmittel gibt.

Für unser Landwirtschaftsministerium stellt die konventionelle Mainstream-Landwirtschaft den Rahmen ihrer Politik dar. Moderne Landwirtschaft bedeutet demzufolge steigende Ernten, hoher Einsatz chemischer Düngemittel, mehr Pestizide und - in ihrem Sinne - modernes Hybridsaatgut. Dazu zählt mittlerweile auch gentechnisch verändertes Saatgut.

 

Wie verträgt sich das mit der kleinbäuerlichen Struktur?

Nehmen wir zum Beispiel die modernen Saatgutsorten. Sie garantieren nicht, dass die Erträge hoch sind. Das liegt daran, dass die Familien nicht genügend Geld haben, um sich die für einen erfolgreichen Anbau notwendigen Chemikalien leisten zu können. Wenn diese Sorten aber nicht gedüngt und gespritzt werden, liefern sie keine guten Erträge. In derartigen Situationen fahren die Bäuerinnen und Bauern mit den den wesentlich billigeren traditionellen Sorten besser.

In geringem Umfang fördert unsere Regierung auch den ökologischen Anbau - wenngleich das dafür zur Verfügung stehende Budget sehr klein ist. Seit 2010 gibt es das entsprechende Gesetz. Allerdings sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landwirtschaftsbehörde, die für die Implementierung zuständig sind, selbst nicht von dieser Art der Landwirtschaft überzeugt. Das führt dazu, dass sie zum Teil den Einsatz von chemischen Düngemitteln innerhalb der ökologischen Programme empfehlen. Es kann also passieren, dass am Ende des Jahres vom ökologischen Programm nichts mehr übrig ist.

 

Was sind die wichtigsten Probleme für die Landwirtschaft?

Auf den Philippinen gibt es sehr regelmäßig Wirbelstürme, die ganze Ernten vernichten können. Es gibt Probleme mit Trockenheit und es gibt Regionen an der Küste, in denen salzhaltiges Grundwasser ein Problem ist. Die FAO, die Landwirtschafts- und Ernährungsorganisation der Vereinten Nationen, zählt die Philippinen zu den Ländern, die weltweit am schlimmsten von Naturkatastrophen bedroht sind. Allerdings sind nicht alle der genannten Probleme natürlichen Ursprungs: Das versalzene Grundwasser hängt mit zu starker Wasserentnahme durch die Landwirtschaft zusammen. Das Meerwasser läuft sozusagen in die unterirdischen Reservoirs, wenn zu viel Süßwassser zum Bewässern der Felder genutzt wird.

 

Sind die verschiedenen Ereignisse vorhersehbar?

Im Grunde ist es nicht vorhersehbar. In gewissen Grenzen wissen wir, dass Wirbelstürme in einer bestimmten Jahreszeit in bestimmten Regionen zu erwarten sind, mehr nicht. Gleichzeitig beobachten wir, dass sich diese Konstanten verschieben. Es gibt Teile unseres Landes, in denen es zum Beispiel früher überhaupt keine Wirbelstürme gegeben hat. Außerdem werden die Stürme stärker. Erst im November 2013 hatten wir den stärksten Taifun, der - weltweit betrachtet - je auf eine Landmasse getroffen ist.

 

Sie arbeiten für MASIPAG. Erzählen Sie uns bitte von Ihrer Organisation.

Zunächst muss ich sagen, dass MASIPAG gegründet wurde als Reaktion auf die negativen Konsequenzen der Grünen Revolution. Das Internationale Reisforschungszentrum IRRI hatte Mitte der 1960er Jahren begonnen, die sogenannten Hochertragssorten von Reis zu verteilen. Die negativen Effekte wurden ab zirka 1972 sichtbar. Zum Beispiel hatten wir bestimmte Schädlinge, die vermehrt auftraten. Aktiv wurden Bäuerinnen und Bauern dann erst ab Anfang der 1980er Jahre. 1985 hatten wir eine Reiskonferenz, bei der Bäuerinnen und Bauern mit Leuten aus Nichtregierungsorganisationen und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zusammensaßen.

Die sichtbaren negativen Effekte waren unter anderem der Verlust der Diversität der Reissorten und die Vergiftung der Felder. Damit einher ging auch, dass bestimmte Fischarten, die in den überschwemmten Feldern lebten, verschwanden. Der Einsatz von chemischen Düngemitteln führte dazu, dass die Böden versalzten. Noch schlimmer ist aus unserer Sicht jedoch, dass die Bäuerinnen und Bauern das Wissen über die Landwirtschaft verloren haben. Es kamen BeraterInnen und Firmen und die ExpertenInnen des Internationalen Reisforschungsinstituts. Sie kamen mit neuen Sorten, neuen Chemikalien und neuen Anbaumethoden und das Wissen, das die Farmer selbst hatten, war nichts mehr wert. Wenn ein Problem auftauchte, mussten sie auf die Berater warten. Hinzu kommt, dass die Berater Provisionen von den Chemiefirmen bekamen, was sich natürlich auf ihre Ratschläge auswirkte.

 

Wie ist Ihr Vorgehen?

Für MASIPAG geht es darum, die Fähigkeiten der Bäuerinnen und Bauern zu stärken. Farmers empowerment steht im Fokus unserer Arbeit. Wir arbeiten nicht nur auf der technischen oder agronomischen Ebene, sondern auch auf der sozialen. Ich glaube das ist auch das Besondere an unserer Organisation. Für uns stellt sich nur die Frage „Was ist wichtig für die Farmer?“ Wenn etwas den Interessen der Bäuerinnen und Bauern schadet, dann arbeiten wir dagegen. Wenn ihnen etwas nützen kann, dann arbeiten wir dafür.

 

Ein Schwerpunkt Ihrer Arbeit betrifft das Saatgut.

MASIPAG hat mittlerweile mehr als 1.300 Reissorten gesammelt. Die benutzen wir zum Züchten neuer Sorten. Über 1.000 weitere haben wir entwickelt und mehr als 500 Sorten sind von unseren Bäuerinnen und Bauern gezüchtet worden. Das Konzept der partizipatorischen Züchtung ist für uns sehr wesentlich. Wir haben etwa 70 Bäuerinnen und Bauern, die selbst züchten.

Insgesamt sind 35.000 Bäuerinnen und Bauern in dem MASIPAG-Netzwerk zusammengeschlossen. Alle sind Mitglied in einer Organisation. Bevor jemand bei uns Mitglied werden kann, muss er oder sie mit anderen eine eigene Organisation gründen oder einer bestehenden beitreten. Einzelmitglieder gibt es bei uns nicht. Die Idee dahinter ist, dass die Bäuerinnen und Bauern vor Ort zusammen aktiv sein sollen. Und so ist es auch mit der Entwicklung der lokalen Sorten. Die Organisationen vor Ort haben die Verantwortung für die lokal angepassten Sorten. Wenn wir über technische Lösungen sprechen, dann geht es bei uns aber nicht nur um Saatgut, sondern es kann zum Beispiel auch das Anbausystem betreffen. Wir haben zum Beispiel gute Erfahrungen mit der Nutzung von Hühnern und Ziegen gemacht, die in einem integrierten System mit den Pflanzen genutzt werden. Auch haben wir alternative Systeme zur Bekämpfung von Schädlingen entwickelt. Gleichzeitig ist Bildungsarbeit für uns wichtig, viele Probleme lassen sich mit technischen Lösungen alleine nicht beheben.

 

Hilft MASIPAG auch bei der Vermarktung der Produkte?

Insgesamt kommt dem Handel, besonders dem Export, kein sehr hoher Stellenwert zu. Unsere Prämisse liegt auf der Versorgung der Familien oder lokaler Organisationen. Nichtsdestotrotz haben wir einen eigenen Standard für ökologische Produktion, der von der Internationalen Ökolandbau-Organisation IFOAM anerkannt wird.

 

Und was sind die wichtigen politischen Aspekte Ihrer Arbeit?

Insbesondere innerhalb der Organisation ist für MASIPAG wichtig, dass Frauen und Männer gleichberechtigt sind. Derzeit engagieren wir uns in verschiedenen Auseinandersetzungen, dazu zählen unter anderem eine stockende Landreform, Tagebau-Projekte, bei denen die Spitzen der Berge einfach aufgesprengt werden, das Ausbringen von Pestiziden mit Flugzeugen und die Nutzung von gentechnisch veränderten Pflanzen. So ist es uns gelungen, die Zulassung von gentechnisch veränderten Auberginen auf den Philippinen - zumindest vorerst - zu stoppen. Die wichtigsten Gründe sind für uns: Erstens, wir haben weiter Vorbehalte gegenüber der Gentechnik an sich. Was bisher an Untersuchungen gemacht wurde, reicht uns nicht. Damit verbunden ist, zweitens, dass wir beim Reis, über ein Grundnahrungsmittel reden, das von vielen Menschen mehrmals täglich gegessen wird und in unserer Kultur eine immense Bedeutung hat. Aber unser größtes Problem mit der Gentechnik ist die Entwicklung des sogenannten Goldenen Reis. Es ist bekannt, dass es gute Alternativen gibt, um die Menschen mit Vitamin A zu versorgen.

 

Wie ist Ihre Haltung zu diesem Reis, der ja helfen soll, die Unterversorgung mit Vitamin A zu bekämpfen.

Gerade erst vor Kurzem war eine Gruppe von deutschen LobbyistInnen auf den Philippinen und in anderen asiatischen Ländern unterwegs, um für den Goldenen Reis zu werben. Dabei gibt es den Reis überhaupt nicht. Das IRRI, das internationale Reisforschungszentrum, hat schon vor einer Weile gesagt, dass es von heute aus gerechnet noch mindestens zwei oder drei, vielleicht mehr Jahre braucht, bis der Reis dann möglicherweise kommerziell genutzt werden kann.

Wir stehen diesem Reis sehr kritisch gegenüber, das ist kein Geheimnis. Wir halten den Reis für einen Vesuch, mit dem die Akzeptanz gegenüber gentechnisch veränderten Pflanzen erhöht werden soll. Goldener Reis, als ein humanitäres Projekt beworben, soll der Türöffner sein. Uns wurde vorgeworfen, dass Bäuerinnen und Bauern von MASIPAG ein Versuchsfeld mit gentechnisch verändertem Goldenem Reis zerstört hätten. Das ist etwas sehr verkürzt dargestellt. Es stimmt aber insofern, als dass MASIPAG-Bäuerinnen und Bauern Teil eines regionalen Bündnisses waren, das gegen Versuchsfelder mit Goldenem Reis vorgegangen ist. Das war im August 2013. Dieses lokale Bündnis hatte im Winter des gleichen Jahres, also gut sechs Monate vor der Episode auf dem Feld, mit den VertreterInnen des vor Ort zuständigen Philippinischen Reisforschungsinstituts ausgemacht, dass es keine weiteren Freisetzungen geben würde. Nur drei Monate später, im Mai desselben Jahres, säten sie dann den Goldenen Reis aus. Das hat die Bäuerinnen und Bauern dort wirklich sehr geärgert. Deshalb sind sie im August auf die Felder gegangen, um - wie sie es nannten - ‚das unerwünschte Unkraut‘ zu zerstören.

 

Herr Medina, wir danken für das Gespräch und wünschen weiter alles Gute.

 

Das Gespräch führte Christof Potthof.

GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
230
vom Juli 2015
Seite 12 - 14

Charito (Chito) P. Medina ist National Coordinator für MASIPAG.

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