Bessere DNA?
Intrexon: Ein Biotech-Konzern auf Einkaufstour
Die Weltgesundheitsorganisation ruft den globalen Gesundheitsnotstand aus und mindestens ein Unternehmen freut sich: Oxitec, Tochterfirma im Intrexon-Konzern.
www.dna.com - diese URL hat sich das US-Unternehmen Intrexon für seinen Internetauftritt ausgesucht. „A Better World Through Better DNA™“ (Eine bessere Welt durch bessere DNA) ist das Motto des Auftritts und den Ausdruck Better DNA® hat sich das Unternehmen gleich als Marke schützen lassen - und er ist Programm: Intrexons Kerngeschäft besteht - nach eigenen Angaben - darin, „Gene zu korrigieren, zu ersetzen, wiederherzustellen oder alternative Wege zu finden, wenn die Gene nicht wie vorgesehen funktionieren“, so Samuel Broder, Manager der Intrexon-Gesundheitssparte, kürzlich in einem Vortrag.
Gentech-Moskitos
Doch es ist ein anderes Tätigkeitsfeld des Unternehmens, das derzeit in den Medien präsent ist: die gentechnische Veränderung von Moskitos. Globaler Vorreiter dieses zweifelhaften Vorhabens ist die britische Firma Oxitec. Diese hat Intrexon erst im Sommer letzten Jahres übernommen. Oxitec führt seit einigen Jahren Freisetzungsversuche mit gentechnisch veränderten (gv) Moskitos durch, insbesondere im Nordosten Brasiliens. Die Moskitos sollen bei der Bekämpfung des Dengue-Fieber und anderer durch Mücken übertragbaren Krankheiten helfen: Die Insekten werden gentechnisch so verändert, dass sie das Larvenstadium nur überleben, wenn ihnen im Labor ein Antibiotikum ins Futter gemischt wird. Paaren sie sich mit der Wildpopulation und geben diese Eigenschaft an die Nachkommen weiter, soll die Insektenpopulation verringert werden. Da dieselben Moskitos auch das Zika-Virus übertragen können, gilt der Konzern manchen als Hoffnungsträger der aktuellen Situation. Von kritischer Seite wird freilich schon lange vor den enormen Risiken der Freisetzung von gv-Insekten gewarnt.1 Doch das ist bei weitem nicht die einzige Aktivität des Konzerns, die es lohnt kritisch zu betrachten.
Auf Shopping-Tour
Im Verlauf der letzten Jahre hat Intrexon zahlreiche Biotech-Unternehmen aufgekauft. Seit Februar 2015 gehört zum Beispiel die kanadische Okanagan Specialty Fruits zum Konzern. Für ihre gv-Äpfel hat sie bereits Zulassungen in den USA und Kanada enthalten. Die Äpfel sollen nach dem Anschneiden nur sehr langsam braun werden. Auch AquaBounty, das den kürzlich in den USA zugelassenen gv-Lachs entwickelt hat, ist zu etwa 60 Prozent in der Hand von Intrexon.2 Mit der FuturaGene Gruppe, die gv-Eukalyptus und Pappeln mit einem höheren Holzertrag entwickeln will, ist Intrexon durch eine „exklusive Zusammenarbeit“ verbunden.
Auch im Geschäft mit Tieren ist das Firmen-Konglomerat vorne mit dabei: Trans Ova Genetics entwickelt Reproduktionstechnologien für Rinder. Neben dem Klonen von Zuchtbullen und anderen Nutztieren bietet das Unternehmen unter anderem Embryonentransfer, In-vitro-Fertilisation oder die Geschlechtsbestimmung des Spermas an. Kürzlich wurde die Sparte Viagen Pet Service ins Leben gerufen, die das kommerzielle Klonen von Hunden und Katzen anbietet - weitere Haustierarten sollen folgen. Und Exemplar Genetics, das im Januar 2015 vollständig übernommen wurde, entwickelt und vermarktet gentechnisch veränderte Schweine, die als Versuchstiere in der Pharmaforschung dienen. Den Tieren wird künstliche DNA eingebaut, dank derer sie bestimmte bei Menschen auftretende Krankheitssymptome aufweisen, zum Beispiel ein zu hoher Cholesterinspiegel, Herz-Rhythmus-Störungen oder Arterienverkalkung.
Seine Erfindungen versucht Intrexon dabei mit weitgehenden Patentansprüchen abzudecken. Der Konzern hat Patente auf die Manipulation der Genregulation bei Säugetieren angemeldet, wobei die Liste der Tierarten, auf die sich die Patente erstrecken sollen, endlos erscheint und neben Schimpansen auch Mäuse, Ratten, Kaninchen, Katzen, Hunde, Rinder, Ziegen, Schweine, Pferde und Schafe umfasst.3
Weitreichende Netzwerke
Intrexon ist 1998 vom Molekulargenetiker Thomas Reed gegründet worden, der bis heute zum Firmenmanagement gehört. Treibende Kraft hinter dem Unternehmen ist der US-amerikanische Milliardär Randall Kirk, der durch den Verkauf der Pharmafirmen New River Pharmaceuticals und Clinical Data reich geworden ist. Einen Teil des Erlöses steckte er in die Übernahme von Intrexon, das er im August 2013 an die Börse brachte. Kirk ist auch Gründer und Firmenchef der Risikokapitalgesellschaft Third Security, die die Mehrheit der Intrexon-Aktien hält. Mittlerweile gehört er mit einem Privatvermögen von rund vier Milliarden Dollar zu den einhundert reichsten US-AmerikanerInnen.
In der Biotech-Branche ist Intrexon bestens vernetzt. Im Firmenvorstand sitzen ehemalige MitarbeiterInnen von Monsanto, Glaxo SmithKline sowie Pfizer. Und Corey Huck, über zwei Jahrzehnte lang in verantwortlichen Positionen bei Syngenta tätig, gehört heute zum Intrexon-Management. Ebenso Jack A. Bobo, der zwölf Jahre für das US-Außenministerium arbeitete und dort unter anderem für die Global Biotech Outreach-Programme verantwortlich war. Diese sollen die gentechnikfreundliche Stimmung im Ausland fördern. Bobo nahm auch an den Verhandlungen für verschiedene internationale Abkommen teil, wofür er mehrfach ausgezeichnet wurde - unter anderem deswegen, weil es ihm in diesem Rahmen gelungen ist, „bedeutende Störungen des internationalen Handels mit Biotech-Produkten“ zu verhindern.4 Auch in der Finanzwelt verfügt das Unternehmen über beste Kontakte: Zu den wichtigsten Investoren zählen Großbanken wie Morgan Stanley und JPMorgan Chase, und ein Vorstandsmitglied sitzt ebenso im Vorstand der Finanzdienstleister Citigroup und Citibank.5
Rote Zahlen
Anfang Januar verkündete eine Tochterfirma der Investmentbank JMP Group die Einrichtung eines 245 Millionen Dollar schweren Fonds, der ausschließlich die Entwicklung und Nutzung von Intrexon-Technologien fördern soll - ein äußerst ungewöhnliches Unterfangen bei einem Fonds in diesem Größenumfang. Intrexon soll dadurch seine Firmeneinkäufe noch weiter ausbauen können oder die Entwicklung eigener Technologien verschnellern. Der Börsenwert des Unternehmens lag Ende des dritten Quartals 2015 bei knapp einer Milliarde US-Dollar.
Doch all diese Zahlen von Firmenübernahmen, steigenden Börsenwerten und Heilsversprechen der synthetischen Biologie sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass Intrexon eines noch nicht gelungen ist: aus seinem Geschäftsmodell Gewinne zu machen. Der allergrößte Teil der Einkünfte geht auf Trans Ova Genetics zurück, die mit dem Verkauf von „Produkten“ wie Zuchtbullen und trächtigen Kühen sowie mit Dienstleistungen wie dem Klonen und der In-vitro-Fertilisation 2014 etwa 22 Millionen Dollar erwirtschaftete - zu wenig, um die fast 700 MitarbeiterInnen sowie die zahlreichen Firmeneinkäufe zu finanzieren. Intrexon schreibt rote Zahlen: 2014 lag der Gesamtverlust bei 82 Millionen Dollar, 2015 soll er er nach eigenen Angaben bei knapp 52 Millionen Dollar liegen. Und daran wird sich auch in absehbarer Zukunft nichts ändern. Potentielle InvestorInnen werden im Intrexon-Jahresbericht 2014 darauf hingewiesen, dass das Unternehmen seit seiner Gründung „signifikante Verluste“ gemacht hat, und dass es „möglicherweise niemals profitabel sein wird“.6 Der zukünftige wirtschaftliche Erfolg hänge unter anderem von der Zulassung und der erfolgreichen Etablierung des AquaBounty-Lachses ab, schrieb das Unternehmen Anfang März 2015. Seitdem ist fast ein Jahr vergangen - und trotz der Zulassung, die im November erteilt wurde, liegt eine Markteinführung noch in weiter Ferne. „Der Markt operiert momentan vollkommen außerhalb der Realität“ urteilte ein Börsenanalyst im März 2015.7
Wie weiter?
Als Intrexon 2011 von Kirk übernommen wurde, war das Unternehmen völlig unbekannt. Das Wirtschaftsmagazin Forbes erkundigte sich damals bei mehreren Koryphäen der Synthetischen Biologie - keiner von ihnen hatte je von Intrexon gehört. Davon unbeeindruckt kündigte Kirk an, dass es sich innerhalb von zehn Jahren zum „Google der Lebenswissenschaften“ entwickeln und das „größte und bedeutendste“ Unternehmen der Branche werden solle.8 Die Hälfte dieser Zeit ist vorbei, und Kirk ist auf dem Weg. Wir sollten ihm entgegentreten.
- 1Siehe zum Beispiel den Artikel „Oxitec's Gentechnik-Moskitos“ im GID 214, Oktober 2012. Zumindest in Europa konnten sich die KritikerInnen bisher durchsetzen: Ein seit einigen Jahren geplanter und sehr umstrittener Freisetzungsversuch von gv-Olivenfliegen in Spanien (Katalonien) konnte bis heute nicht gestartet werden. Oxitec zog im vergangenen Jahr seinen Antrag zurück, nachdem die Behörden eine wahrscheinliche Ablehnung signalisiert hatten.
- 2Siehe dazu auch den Beitrag von Christof Potthof auf Seite 29.
- 3Christoph Then, 2015: „Stoppt Investitionen in Tierleid“. Download unter www.testbiotech.org/node/1265. Siehe auch den Beitrag von Christoph Then auf Seite 20.
- 4USDA Honor Awards Program 2010, siehe www.usda.gov/documents/HonorAwardsProgram-2010.pdf.
- 5Barbara Kuepper, 2015: Links between selected pharmaceutical companies and financial institutions. A research paper prepared for TestBiotech. Download unter www.testbiotech.org/node/1261.
- 6Form 10-K vom 02.03.2015, Download unter http://investors.dna.com.
- 7The Motley Fool, 05.03.2015.
- 8Forbes, 22.02.11.
Anne Bundschuh arbeitet beim Forum Umwelt und Entwicklung und koordiniert dort das Netzwerk Gerechter Welthandel. Von 2012 bis 2017 war sie Mitarbeiterin des GeN.