DNA und Strafverfolgung

Der Gen-ethische Informationsdienst (GID) Nr. 191 befasst sich mit den Details der DNA-Tests im Zusammenhang der Strafverfolgung. Siehe die Inhaltsübersicht im nebenstehenden Kasten.
GiD 191: DNA-Analyse in der Kriminalistik: Datenmassen und Fehlerquellen, Dezember 08, 6,50 Euro, ISSN 0935-2481

DNA-Sammelwut stoppen Überwachung ist das politische Thema dieser Tage und eine Demonstration dagegen brachte im letzten Oktober einige zigtausend Menschen auf die Beine. Im Zentrum der derzeitigen Debatte stehen die Online-Überwachung von Computern im BKA-Gesetz oder die seit Anfang 2008 geltende Vorratsdatenspeicherung in der Telekommunikation. Aus dem Blick geraten ist demgegenüber die biotechnologische Überwachung – und ihr wohl öffentlichkeitswirksamstes Zugpferd, die DNA-Analyse. Die gesetzliche Grundlage für den derzeitigen Boom dieser „Vorratsdatenspeicherung” ist seit 2005 längst etabliert. Lesenswert sind deshalb auch die Artikel aus dem GID Nr. 170, in dem wir das Thema schon vor einigen Jahren genauer untersucht haben.

DNA-Datenbanken: nur die Spitze des Eisbergs Die DNA-Speichelprobe hat erst jüngst für Aufregung gesorgt. Kontaminierte Wattestäbchen hatten die Polizei auf eine falsche Spur gebracht. Die heftige Reaktion hat gezeigt, dass die Öffentlichkeit für das Thema sensibilisiert ist. (Pressemitteilung des GeN) Gute Argumente sind gefragt: Mit der Verunreinigung von Wattestäbchen lässt sich nicht prinzipiell gegen die DNA-Fingerprints argumentieren. DNA-Tests müssen in einem gesellschaftlichen Kontext von staatlicher Überwachung, Kontrolle und individuellem Zugriff gesehen werden. Das Land mit der weltweit größten polizeilichen Datenbank und mit inzwischen über 4,5 Millionen gespeicherten Personenprofilen ist Großbritannien. Hier müssen inzwischen selbst Kinder ab zehn Jahren, die mit dem Schneeball eine Scheibe eingeworfen haben, ihre Speichelprobe abgeben. [img_assist|nid=1270|title=|desc=|link=url|url=http://www.gen-ethisches-netzwerk.de/finger-weg-v…|align=left|width=130|height=100]Verschiedene europäische Länder sammeln und benutzen DNA-Informationen zur Kontrolle von Migration nach Europa - auch die Bundesrepublik. Die Koalitionsregierung aus SPD und CDU/CSU hat ein Gesetz auf den Weg gebracht (Gendiagnostikgesetz), das diese Praxis von der rechtlichen Grauzone in ein legales Instrument der Migrationskontrolle wandeln soll. Aus Protest gegen die Pläne der Bundesregierung hat das Gen-ethische Netzwerk die Kampagne "Finger-weg-von-meiner-DNA!" gestartet: Infos dazu finden Sie hier.

Ein Netz der Datensammlung: DNA-Datenbanken und Biobanken Die DNA-Speichelprobe ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Zumindest im medialen Alltag gehören Vaterschaftstests, Abstammungs-Gentests oder Lifestyle-Gentests zur Routine. Datenmassen werden zurzeit in gigantischer Dimension im Rahmen biomedizinischer Forschung und der Genomforschung angelegt. (zu Biobanken siehe z.B. GID 167 und den aktuellen GID 193 von April 2009). Naiv wäre anzunehmen, dass diese Informationen vor staatlichem Zugriff geschützt wären. Präzedenzfälle in England und Skandinavien zeigen, dass die Polizei sich solche Biobanken zunutze zu machen versteht.
Es sind gerade die vielfältigen Formen staatlicher Datenanhäufung als Symptom eines „präventiven Sicherheitsstaates“ verstanden werden müssen – staatliche Eingriffsbefugnisse werden unter dem Motto der Risikoerkennung und Risikoabwehr immer weiter ausgedehnt.

    3. April 2009

    Das Gen-ethische Netzwerk e.V. (GeN) arbeitet seit mehr als 20 Jahren kritisch und kompetent zu den Themen Gentechnologie und Fortpflanzungsmedizin. Es gibt zweimonatlich die Fachzeitschrift Gen-ethischer Informationsdienst (GID) heraus. Das GeN macht bereits seit einigen Jahren auf gravierende Probleme aufmerksam, die aus der Fokussierung von Ermittlungsmethoden auf die DNA-Analyse resultieren. Gerade erst wieder haben wir in unserer Fachzeitschrift GiD unter dem Titel „Datenmassen und Fehlerquellen“ diverse Dimensionen der kriminalistischen DNA-Analyse und der mit ihr untrennbar verbundenen Sammelwut dokumentiert.

    GID 191 "DNA-Analyse in der Kriminalistik"
    Inhaltsverzeichnis
    Aus dem Inhalt: Peer Stolle und Tobias Singelnstein zeigen, dass die vielfältigen Formen staatlicher Datenanhäufung als Symptom eines „präventiven Sicherheitsstaates“ verstanden werden müssen. Was das konkret für die DNA-Analyse bedeutet, das erklärt der Jurist und DNA-Experte Thomas Bliwier. Er zeigt, was die Gesetzesreform von 2005 bewirkte: eine enorm gewachsenen DNA-Datenbank des Bundeskriminalamts, eine stark abgesenkte Schwelle für zwangsweise DNA-Proben und der Aufstieg des Massen-Gentests zur Polizei-Routine. Verschiedene Artikel benennen die Fehlerquellen, die mit der Ausweitung der Analyse auf immer winzigere Proben und das stetige Wachstum der polizeilichen DNA-Datensammlungen in ganz Europa verbunden sind. Für Strafverteidiger ist es allerdings zur Zeit sehr schwierig, gegen den vorherrschenden Glauben an die DNA bei deutschen Gerichten und Ermittlungsbehörden durchzudringen (Beitrag des Strafverteidigers Thomas Bliwier). Schließlich fragen wir danach, wie es möglich ist, seine Rechte in diesem Rahmen dennoch durchzusetzen, „freiwillige“ Tests zu verweigern oder eine nachträgliche Löschung des persönlichen DNA-Profils zu erreichen.