El Salvador: Ein langwieriger Prozess
Offiziell gibt es in El Salvador keine Gentechnik. Nichtsdestotrotz sind genetisch veränderte Organismen im Umlauf, die gesetzlichen Regelungen lassen jedoch auf sich warten. Mitglieder des Zivilen Netzwerkes gegen Gentechnik in El Salvador haben nun dem Parlament einen eigens erarbeiteten Gesetzesentwurf zur biologischen Sicherheit vorgelegt.
Im Schatten des mächtigen Kautschukbaums vor dem Parlament treffen sich am Morgen des 14. Oktober 2004 die Mitglieder des Zivilen Netzwerkes gegen Gentechnik in El Salvador. Das Netzwerk ist ein Zusammenschluss aus circa 20 Organisationen aus den Bereichen Umwelt- und Verbraucherschutz, Indígenarechte, aus Universitäten und unabhängigen AktivistInnen, die seit 2001 auf nationaler Ebene Aufklärungsarbeit zum Thema Gentechnik betreiben. Im Gepäck haben sie an diesem Tag keine Transparente oder Unterschriftenlisten, sondern einen eigens ausgearbeiteten Gesetzesentwurf zur biologischen Sicherheit. "Von offizieller Seite wird gesagt, dass es keine Gentechnik in El Salvador gibt, aber wir haben nachgewiesen, dass sehr wohl genetisch veränderte Organismen (GVO) in Umlauf sind. Darum reichen wir einen Gesetzesentwurf zur biologischen Sicherheit ein. Zuerst wollten wir, ähnlich wie in anderen Ländern Lateinamerikas und Europas, ein Moratorium einfordern. Als sich aber der Verdacht erhärtete, dass es bereits GVO im Land gibt, haben wir vor gut anderthalb Jahren beschlossen, einen Gesetzesentwurf zu erarbeiten, der Mechanismen zur Regulierung von GVO festlegt, mit der Zielsetzung, Leben zu schützen, die Gesundheit, die Umwelt und die Landwirtschaft zu erhalten. Dieser Gesetzentwurf kommt der Mehrheit der Bevölkerung und nicht den transnationalen Unternehmen zugute", erklärt Morena Murillo, Aktivistin des Netzwerkes, die maßgeblich an der Ausarbeitung des eingereichten Dokuments beteiligt war.
Partizipation
Bei dem Entwurf der Gesetzesvorlage wurde vor allem auf Partizipation Wert gelegt: "Der Prozess war sehr langwierig, weil alle Mitglieder des Netzwerkes befragt wurden. Die Kommentare wurden dann im Team eingearbeitet. Das Team wurde von einem Juristen unterstützt. Das bedeutet, dass der ganze Prozess von der Basis aus erarbeitet wurde. Es handelt sich nicht um ein Gesetz von oben, sondern um ein Gesetz, das von der Basis kommt", so Murillo.
Gefahrenabwehr und Risikovorsorge
Die Grundlage dieser von der Zivilgesellschaft erarbeiteten Gesetzesvorlage ist das Vorsorgeprinzip. "Im Artikel 7 wird determiniert, dass es möglich ist, sich angesichts unwiderrufbarer Bedrohungen für Umwelt, Landwirtschaft und Gesundheit auf das Vorsorgeprinzip zu berufen, soweit das Land über keine Mechanismen und Kapazitäten zur Regulierung von GVO verfügt...". Dem Vorsorgeprinzip zufolge sollen unmittelbare Gefahren abgewehrt und die natürlichen Lebensgrundlagen geschützt werden. Zu den Kernelementen zählen zum einen die Gefahrenabwehr und zum anderen die Risikovorsorge. Die Hauptverantwortung fällt nach dem Gesetzesentwurf dem Umweltministerium zu. Doch auch das Gesundheitsministerium ist gefordert, die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen. "Wenn wir nicht wissen, ob gentechnisch veränderte Lebensmittel Gesundheitsschäden hervorrufen, warum sollen wir sie dann konsumieren?" fragt Morena Murillo und bringt somit das Gespräch auf das Thema der Beweislast. "Derjenige, der den Antrag zur Freisetzung oder Produktion von GVO stellt, muss den Nachweis der Unschädlichkeit erbringen, und nicht das Land, welches nicht über genügende Kapazitäten auf diesem Gebiet verfügt." Nichtsdestotrotz ist ein permanenter Monitoringprozess von staatlicher Seite in der Gesetzesvorlage vorgesehen. "Der Gesetzesentwurf enthält klare Aussagen zur Risikoeinschätzung und Prävention. Für alle Aktivitäten im Zusammenhang mit GVO, sei es Manipulierung, Transport, Import, Verkauf, Produktion oder Freisetzungen, müssen eigene Zulassungen bei der Nationalen Kommission für Biologische Sicherheit beantragt werden. Wenn der Antragsteller alle erforderlichen Bedingungen, die von der Nationalen Kommission für Biologische Sicherheit aufgestellt werden, erfüllt, kann er mit seinen Aktivitäten beginnen. Diese werden vor, während und nach der Durchführung überwacht. Wenn es zu Gesetzesbrüchen kommt, das heisst, wenn zum Beispiel falsche Informationen gegeben wurden, gibt es unterschiedliche Sanktionen, die von Geldstrafen bis zur teilweisen oder totalen Schließung von Anlagen reichen."
Nationale Gesetzgebung nicht ausreichend
Die Problematik der GVO ist allerdings in einem weiteren Kontext als der nationalen Gesetzgebung anzusiedeln. Über Pollenflug können sich GVO leicht über größere Entfernungen in der gesamten Region verbreiten. Nationale Grenzen existieren hierbei nur auf Gesetzes- und Verwaltungsebene. Das Protokoll von Cartagena, welches die unterzeichnenden Staaten dazu verpflichtet, eine nationale Gesetzgebung zur biologischen Sicherheit zu schaffen, wurde bereits von den meisten Staaten der Region ratifiziert und ist seit dem 23. Dezember 2003 in Kraft. Dennoch trifft man auf sehr unterschiedliche Herangehensweisen, was die Politik der biologischen Sicherheit betrifft. In Mexiko befasst sich derzeit der Senat mit einer der 5 Gesetzesvorlagen, die seit 1999 eingereicht worden sind. Umweltschutzverbände wie Greenpeace Mexiko bemängeln, dass es sich bei dem Entwurf der mitte-links Partei der Demokratischen Revolution (PRD) eher um ein Gesetz zur Stärkung der Gentechnik als um ein Gesetz der biologischen Sicherheit handelt. Zudem bietet die Vorlage keinen ausreichenden Schutz der einheimischen Artenvielfalt. Im mexikanischen Bundesstaat Oaxaca, einem Diversitätszentrum von Maissorten, kam es bereits 2001 zu starken Verunreinigungen des einheimischen Mais mit genetisch manipuliertem Saatgut, das trotz Einfuhrverbot für GVO als Lebensmittel verteilt worden war. Costa Rica verfügt bereits über ein Gesetz zur biologischen Sicherheit. Nicaragua und Guatemala arbeiten an einer Vorlage. Das Sorgenkind der Region ist Honduras. Dort werden bereits GVO importiert und ausgesät. "In Honduras äußerte sich der Staatspräsident dahingehend, dass GVO eine Bereicherung für seine Bevölkerung bedeuten würden, was absolut falsch ist” berichtet Morena Murillo. Sorgen bereitet dem Netzwerk die Privatisierung des Saatgutes über Patente, wie sie bei der kommerziellen Gentechnik unumgänglich sind. Die Bauern, also die Mehrheit der Bevölkerung der Region, müssten jedes Jahr aufs Neue ihr Saatgut bei den Agrarkonzernen erwerben. Dies bedeute ein großes Risiko für die Ernährungssouveränität der Region. Um die Arten- und Sortenvielfalt der Region zu schützen und den Zugang der Bevölkerung zu diesen Ressourcen zu gewährleisten, haben sich Organisationen aus Guatemala, Honduras, Nicaragua, El Salvador und Costa Rica in der Allianz zum Schutz der Biodiversität zusammengeschlossen. Die Allianz untersucht beispielsweise Saatgutproben in der gesamten Region auf genetisch manipulierte DNA-Spuren und deckt auf, über welche Wege und Akteure GVO in die einzelnen Länder gelangen. Sie unterstützt aber auch Gesetzesinitiativen auf Länderebene.
Ein langwieriger Prozess
Der Gesetzesvorlage in El Salvador steht nun ein langwieriger Prozess bevor. Das Parlament übergibt das Dokument einer Untersuchungskommission, welche die Vorlage prüft und gegebenenfalls modifiziert. Es ist zu erwarten, dass das Umweltministerium im November ebenfalls eine Gesetzesvorlage zur biologischen Sicherheit einreicht, so dass diese beiden Entwürfe in der Kommission aufeinander treffen. Das Netzwerk wird über Lobbyarbeit mit den Abgeordneten, Unterschriftensammlungen und verschiedene Aktionen den Gesetzesentwurf der Zivilgesellschaft unterstützen. Es bedeutet sicherlich einen Verhandlungsvorteil für die Positionen des Netzwerkes, mit einem eigenen Gesetzesentwurf in die Debatte zu treten. "Wir wollen eine nationale Politik der biologischen Sicherheit erreichen, welche in der Lage ist, unsere Landwirtschaft, unsere Umwelt, unser Leben und unsere Gesundheit zu schützen" meint Morena Murillo und fordert eine öffentliche Debatte über das Thema ein, denn "man kann dem Volk nicht solange die Informationen vorenthalten, bis man die Ergebnisse sieht (die negativen Effekte, welche aus dem Verzehr von GVO resultieren können), wenn es gleichzeitig die Chance gibt, möglichen Schäden vorzubeugen."
Anne Hild ist Soziologin und lebt und arbeitet in El Salvador. Sie ist Mitglied des Zivilen Netzwerkes gegen Gentechnik.
Bianca Barth ist Studentin der Politikwissenschaften an der FU in Berlin, mit dem Schwerpunkt internationale Politik und Mitglied im BUND.
Karsten Molzahn ist Student der Soziologie an der FU in Berlin und Mitglied im Barnimer Aktionsbündnis gegen Gentechnik.