Hautfarben-Gene und Rassismen

Zebrafische dienen als Tiermodelle für Hautpigmentierung

US-amerikanische Forscher entwickeln aus der Pigmentgenetik an Zebrafischen humanbiologische Thesen und aktualisieren damit rassifizierende Klassifikationen nach Hautfarben.

Im Jahr 2005 publizierte Science eine Studie, in welcher der Zebrafisch als Tiermodell für die Hautpigmentierung des Menschen herangezogen wurde(1): Ausgangspunkt war die These, dass sowohl beim Menschen als auch beim Zebrafisch das Gen SLC24A5 an der Melaninproduktion, und damit der Pigmentbildung, beteiligt sein soll. Diese Analogie untersuchten Forscher am Pennsylvania State University College of Medicine, indem sie Zebrafischenembryos der so genannten Golden-Mutation, deren dunkle Streifen weniger ausgeprägt sind, menschliche SLC24A5 mRNA injizierten. Daraufhin entwickelten diese die typische Pigmentierung der Zebrafische, das heißt dunkle Streifen. Dies wurde von den Forschern als ein Nachweis dafür gesehen, dass das entsprechende Gen tatsächlich an der Hautpigmentierung des Menschen beteiligt ist, und führte zur Annahme, dass die helle Hautfarbe des Europäers auf eine Mutation in diesem Pigment-Gen zurückzuführen ist. Derzeit finden diese Forschungsergebnisse Eingang in den öffentlichen Diskurs: Während unter dem Titel „Racial Alchemy“ in der US-amerikanischen Zeitschrift New Scientist auf die sozialen Implikationen hingewiesen wird, betont die ZEIT in erster Linie die überraschenden menschheitsgeschichtlichen Implikationen für den Europäer, der seine helle Hautfarbe nun als Mutation verstehen müsse.(2)

Historische Kontinuitäten

Die Genetisierung der Hautfarbe und die damit einhergehenden Implikationen entfalten ihre gesellschaftliche Brisanz, wenn man die lange historische Tradition von „Rassetheorien“ betrachtet, in der eine enge Kopplung von Hautfarbe an die Konzeption von „Rassen“ zum selbstverständlichen Inventar gehörte. Im Kontext der „Rassetheorien“ des 19. Jahrhundert waren es gerade die Oberflächen des Körpers, auf die zur Klassifizierung von Menschen zugegriffen wurde. Als augenscheinlichstes Merkmal diente hier neben detailliert vermessenen Formen und Größenverhältnissen des Körpers die Hautfarbe in Korrelation mit Haar- und Augenfarben. Riesige Datenmengen wurden erhoben und dann vor allem mittels statistischer Verfahren ausgewertet, um daraus metrisch-objektiv abgesicherte „Rassen“ zu konzipieren.(3) An der Hautfarbe orientierte Konzeptionen und Praktiken der Klassifizierung von Menschen sind bis heute aktuell. Man denke nur an den „augenscheinlichen“ Erkennungsdienst von Polizei und Bundesgrenzschutz, der vor allem Menschen „anderer“ Hautfarbe ins Visier nimmt. Identifizierungsweisen, welche Hautfarbe und „Rasse“ verkoppeln, hinterlassen Spuren bis in unsere alltäglichen Praktiken der Wahrnehmung des „Eigenen“ und des „Fremden“. Auch in gesundheitspolitischen Kontexten gibt es eine merkwürdige Kontinuität von Hautfarbenkonzeptionen mit latent rassistischen Inhalten. In der Hautkrebsvorsorge etwa wird mit der spezifischen Gefährdung verschiedener „Hauttypen“ argumentiert. Deren Klassifizierung wird nicht an den eigenen Erfahrungen mit Sonnenbrand orientiert, sondern an der Farbe von Haut, Haar und Augen. 1998 verteilte die Techniker Krankenkasse eine Werbe-CD an Studierende, mittels derer man sich spielerisch einem von sechs „Hauttypen“ zuordnen konnte. Die dort identifizierten Kategorien „Keltischer Typ“, „Hellhäutiger Europäer“, „Dunkelhäutiger Europäer“, „Mittelmeerischer Typ“, „Mittelöstlicher Typ“ und „Schwarzer/Nubier“(4) wurden mittlerweile auf vier teilweise umbenannte „Typen“ reduziert.(5) Ähnliche Klassifizierungen finden sich aber auch in Info-Materialien anderer Institutionen.(6) Eine gesundheitspolitische Bildungsinitiative der Deutschen Krebshilfe beispielsweise zielt dabei sowohl auf die Selbstverortung als auch die Einordnung der Anderen ab, die bereits in der Schule erlernt werden soll.(7) Auf diese Weise wird ein Denken der Menschenklassifizierung fortgeführt, das Hautfarbe und Konzeptionen von „Rassen“, „Ethnien“ oder „Nationalitäten“ nach wie vor eng aneinander koppelt.

Genetisierung der Hautfarbe

Wird nun , wie in der „Golden-Studie“, das historisch eng mit dem Konzept von „Rasse“ verknüpfte Merkmal Pigmentierung zum Gegenstand genetischer Forschung, zeitigt dies höchst ambivalente Effekte. Einerseits scheint die Auflösung von „Rasse“ in Pigmentdifferenzen traditionelle „Rasse“-Konzepte in Frage zu stellen: Der als Norm gesetzte „weiße“ Körper „des Europäers“ wird mit diesen Ergebnissen plötzlich zur Mutation und Abweichung. Doch gleichzeitig werden durch die Art und Weise, wie in der Studie statistische Differenzen beschrieben und Korrelationen mit Daten aus der Genomdiversitätsforschung errechnet werden, die alten rassifizierenden Kategorien weitertransportiert. So wurden Mitte der 1990er Jahren groß angelegte Datenerhebungsprojekte wie das kontroverse „Human Genome Diversity“ Projekt begonnen, um genetische Diversität zu kartieren. Das daraus 2001 hervorgegangene HapMap Projekt(8) fokussiert als zentrale Sampling-Gruppen „Amerikaner europäischer Herkunft“, „afrikanische Yoruba“, „Han-Chinesen“ und „Japaner“. Rassifizierte Unterschiede kursieren nunmehr im neuen Gewand generalisierter „Genhäufigkeiten bei Europäern, Afrikanern, Asiaten“ (1, 9) durch die wissenschaftlichen Diskurse. Mit diesen Klassifizierungen werden jene Differenzproduktionen (weiter) betrieben, welche die Molekularbiologie zu unterlaufen angesetzt hatte. Auch für die „Golden-Studie“ wurde die HapMap Datenbank zum Vergleich von Genvarianten zwischen „Europäern“ und „Afrikanern“ herangezogen. Mit solch routinemäßigen Einbeziehungen der Kategorie „Rasse“/„Ethnizität“ (9) in einer zunehmend globalisierten biomedizinischen Forschung werden Differenzen neu stabilisiert.(10) Trotz des Potentials und zum Teil expliziten Anspruchs der Molekularbiologie, das Konzept der „Rasse“ aufzulösen,(11) finden so in der genetischen Forschung zunehmend (Wieder)Einschreibungen der Kategorie „Rasse“ statt.(12)

Humanbiologie mit dem Tiermodell Zebrafisch

Die Zebrafisch-Mutation Golden war den Autoren der Pigment-Studie zunächst im Zuge ihrer Krebsforschungen begegnet. Dies veranlasste sie dazu, sich der Pigmentgenetik zuzuwenden, um vom Zebrafisch auf die Genetik der Pigmentierung des Menschen – „one of the remaining puzzles in biology“ (eines der verbleibenden Rätsel der Biologie)(1) – zu schließen. „Modellsysteme“ wie der Zebrafisch dienen in der Biomedizin der Erforschung genetischer Mechanismen, die dann auf den Menschen abgebildet werden. Die Übertragung zwischen Fisch und Mensch geschieht dabei erstaunlich umstandslos – der Nachweis wird experimentell über das Funktionieren des menschlichen Gens im Zebrafisch erbracht und durch statistische Korrelationsrechnungen abgesichert. Mit allen Konsequenzen wird die technische Manipulierbarkeit ausgelotet, womit nicht zuletzt auch kommerzielle biotechnologische Produkte und Optionen in Aussicht gestellt sind. Versprochene Anwendungen reichen von Kosmetika wie hautaufhellenden Lotions über die Feststellung einer Disposition zu dunkler Haut bis hin zur entsprechenden – nun in den Bereich des Machbaren gerückten – Präimplantationsdiagnostik. Insbesondere da rassistische Alltagsklassifikationen vor allem über Hautfarbe von statten gehen, stellt sich die Frage nach den gesellschaftlichen Folgen derartiger technischer und kommerzialisierter Manipulierbarkeit. Mit der Vision von der technologischen Veränderbarkeit der Pigmentierung wird wieder einmal das Verspechen potentiell neuer Medikamente und Therapien sowie von mehr Freiheit, zum Beispiel in Bezug auf die kosmetische Gestaltbarkeit der Pigmentierung, verknüpft. Die Frage warum sich jemand dies leisten will, welche rassifizierenden Klassifikationen und Blicke damit einhergehen und wie Diskriminierung dadurch möglicherweise verschärft wird, geraten dabei ebenso wie weitere soziale Implikationen aus dem Blickfeld.

  1. Lamason, R., Mohideen, M., Cheng, K. et al. 2005: SLC24A5, a Putative Cation Exchanger, Affects Pigmentation in Zebrafish and Humans. Science 310 (16 Dec 2005): 1782-1786. Vgl. auch: Balter, M. 2005: Genetics: Zebrafish Researchers Hook Gene for Human Skin Color. Science 310 (16 Dec 2005): 1754-1755.
  2. Obasogie, O: Racial Alchemy. New Scientist (18 Aug 2007) und Bahnsen, U: Schwarzer Kontinent Europa. DIE ZEIT, 26.04.2007 Nr. 18.
  3. Vgl. Hanke, C.: Zwischen Auflösung und Fixierung. Zur Konstitution von ‚Rasse’ und ‚Geschlecht’ in der physischen Anthropologie um 1900. Bielefeld 2007.
  4. TK Bereich Marketing (Hg.) TK-Tronic „HOT Die Haut in Schutz nehmen“ (CD-Rom Sommersemester 1998). Vgl. hierzu Hanke, C.: Farben – Testen Sie Ihren Typ! In: Haut (Konkursbuch 41) (hg. v. C. Hanke / R. Nössler). Tübingen 2003, 9-16 und Dies.: Vermessung und Beschreibung – Identifizierungspraktiken der physischen Anthropologie zwischen Kunst und Wissenschaft. In: Ästhetik & Kommunikation Nr. 111, 31. Jg., Dezember 2000, 39-45.
  5. TK Medienservice Mai 2007, 8-10. Die Streichung der letzten beiden „Typen“ hat den ambivalenten Effekt, dass in Europa nur vier „Hauttypen“ vorzukommen scheinen und alle anderen weiterhin als „nicht-europäisch“ klassifiziert werden.
  6. Vgl. z.B. Deutsche Krebshilfe (Hg.) Die blauen Ratgeber 5: Hautkrebs, Ausgabe 3/2007 (S. 14f). Im „Gesundheitsportal privat“ – einer Initiative privater Krankenversicherungen – heißen sie „keltischer“, „germanischer“, „Mischtyp“ und „mediterraner Typ“ (www.gesundheitsportal-privat.de/de/lexikon/eingriffe/wieviel_sonne.jsp; 2.10.2007).
  7. Incl. einer Übung zur Häufigkeitsbestimmung der einzelnen „Typen“ (Deutsche Krebshilfe (Hg.): Unterrichtseinheit (UE 3) "Haut und Sonne" [www.krebshilfe.de/fileadmin/Inhalte/Downloads/PDFs/DKH_UE_3_LA08_Haut.p…; 2.10.2007]).
  8. www.hapmap.org/hapmappopulations.html.en 2.10.2007.
  9. Die in den USA seit 1994 vorgeschriebene Einbeziehung „ethnischer Minoritäten“ in klinische Studien hat zu einer exponentiellen Differenzproduktion entlang der Kategorien „Rasse“ und „Ethnizität“ (i.a. nach US- Zensuskategorisierung) geführt.
  10. Zu Effekten der Kategorisierung in der Genomforschung vgl. Bauer, S: Umwelt, Gene, Gender. Multiplikationseffekte im Umfeld der Genomforschung, NTM Internationale Zeitschrift für Geschichte und Ethik der Naturwissenschaften, Technik und Medizin 14, 2006 (S. 241-250); sowie Dies.: Umweltmedizin und neue Genetik: Zur Freisetzung eines Konzepts, Das Argument. Zeitschrift für Philosophie und Sozialwissenschaften 242 (4/5), 2001 (S. 575-583).
  11. Die Verabschiedung des Konzepts „Rasse“ durch UNESCO-Erklärungen 1950 und 1951 wurde 1996 unter Bezug auf aktuelle molekularbiologische Forschungen in einem UNESCO Workshop nochmals bekräftigt.
  12. Vgl. Kahn, J: How a drug becomes “ethnic”: law, commerce, and the production of racial categories in medicine. In: Yale Journal of Health Policy Law Ethics 4(1), 2004 (S. 1-46). Zum ersten „ethnisch“ spezifizierten Medikament BiDil, vgl. Feuerlein, M.: BiDil: "Ethnische Medizin"? GID 179.
GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
184
vom Oktober 2007
Seite 37 - 38

Christine Hanke ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Europäischen Medienwissenschaft der Universität Potsdam und forscht an der Schnittstelle von Naturwissenschaftsforschung und Medientheorie.

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Susanne Bauer forscht am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte zu Praxen der Wissensproduktion in Epidemiologie, Biomedizin und Environmental Health. Von 2008-09 arbeitete sie am Institut für Europäische Ethnologie der Humboldt Universität zu Berlin im Projekt „Imagined Europeans“.

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