Konturen der PID-Praxis
Fünf Ethikkommissionen entscheiden künftig über PID
Ab ersten Februar 2014 sollen Paare in der Bundesrepublik in bestimmten Fällen eine Präimplantationsdiagnostik (PID) durchführen können. Ein Blick auf den Stand der Vorbereitung.
      
  
            Es gibt sicherlich einige reproduktionsmedizinische Zentren, die in den Startlöchern sitzen und die PID anbieten wollen“, so der zuständige Referent beim Bayrischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege, Frank Plesse. Damit aber offiziell Anträge für eine Zertifizierung gestellt werden können, müssten erst noch Formulare erstellt werden. Ein Entwurf für ein Landesgesetz sei zwar bereits auf den Weg gebracht, die landesrechtliche Umsetzung der PID-Rechtsverordnung (PIDV) laufe wegen der Landtagswahlen aber erst an. Die Ministerin müsse den Entwurf zunächst billigen, dann könne er dem Landesparlament vorgelegt werden. Stimmen die Abgeordneten mehrheitlich zu, sei irgendwann in der ersten Jahreshälfte 2014 mit dessen Inkrafttreten zu rechnen, so Plesse.
Der Entwurf sieht vor, dass Bayern eine eigenständige Ethikkommission einrichtet, bei der Anträge auf PID gestellt werden können und die beim Gesundheitsministerium des Landes angesiedelt werden soll. Damit ist Bayern eins von drei Bundesländern, die das Genehmigungsverfahren für die PID im Alleingang regeln wollen: Auch in Berlin wird es eine landeseigene Ethikkommission geben, die beim Landesamt für Gesundheit und Soziales angesiedelt werden soll, und in Nordrhein-Westfalen ist ein Gesetzentwurf bereits weit gediehen, der vorsieht, eine eigene Ethikkommission bei einer der beiden Landesärztekammern einzurichten.
      
  Zwei länderübergreifende Ethikkommissionen
Die übrigen Bundesländer bereiten eine gemeinsame Umsetzung der PIDV vor.1 Voraussichtlich wird es eine Ethikkommission im Norden und eine im Süden der Bundesrepublik geben. Allein in Baden-Württemberg haben mindestens zwei Zentren Interesse daran bekundet, die PID anzubieten und eine Zertifizierung zu beantragen. Im baden-württembergischen Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren werde daher derzeit in Abstimmung mit den Bundesländern Hessen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Thüringen und dem Saarland an einer „Staatsvertragslösung“ gearbeitet, so die zuständige Referentin Christiane Nagel. Ziel sei unter anderem die Einrichtung einer gemeinsamen Ethikkommission, die über Anträge auf PID von Paaren aus den beteiligten Bundesländern entscheidet. Während die potenziell beteiligten Bundesländer noch verhandeln, um Einzelheiten des Verfahrens zu klären, ist im Norden der Bundesrepublik bereits ein Entwurf für ein Abkommen zwischen mehreren Bundesländern fertiggestellt. Stimmen die Parlamente der beteiligten Bundesländer Brandenburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern dem Vertrag zu, gibt es künftig eine zentrale Ethikkommission, die über die Genehmigung der PID in den sechs Ländern entscheidet. Laut Vertragsentwurf wird sie bei der Ärztekammer Hamburg angesiedelt und acht Mitglieder haben, die von den beteiligten Bundesländern einvernehmlich benannt werden sollen - vier MedizinerInnen aus den Fachbereichen Humangenetik, Gynäkologie, Pädiatrie und Psychotherapie, jeweils ein Experte beziehungsweise eine Expertin für Ethik und Recht und jeweils zwei VertreterInnen aus der Behinderten- beziehungsweise PatientInnenselbsthilfe.2 Für eine gemeinsame Ethikkommission habe man sich entschieden, so die Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern Manuela Schwesig (SPD), „um den Sachverstand der norddeutschen Länder in einem so komplexen Bereich wie der Präimplantationsdiagnostik zu bündeln, Doppelstrukturen zu vermeiden und auch angesichts der zu erwartenden niedrigen Fallzahlen“.3 Von jährlich maximal 50 Anträgen auf PID in den norddeutschen Bundesländern wird im Vertragsentwurf ausgegangen. „Eine gemeinsame Kommission macht daher schon aus Kostengründen Sinn“, so der Pressesprecher der Hamburger Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz, Roland Ahrendt. „Aber es geht uns auch darum, ein Kommissions-Hopping zu vermeiden.“Genehmigungspraxis unklar
Die Befürchtung, dass Paare nach einer Ablehnung ihres Antrags auf PID bei einer Kommission in einem anderen Bundesland versuchen, eine Genehmigung zu bekommen und sich damit langfristig eine laxere Auslegung des PID-Gesetzes durchsetzen könnte, gehörte zu den Kritikpunkten an der vom scheidenden Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) verantworteten und am 1. Februar 2013 vom Bundesrat verabschiedeten PID-Rechtsverordnung.4 Denn die Ethikkommissionen entscheiden darüber, ob im jeweiligen Einzelfall die gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchführung des Verfahrens gegeben sind.5 Von daher ist es erfreulich, dass nicht jedes Bundesland eine eigene Ethikkommission betreibt, sondern es bundesweit insgesamt lediglich fünf dieser Gremien geben wird. Da über ihre Besetzungen aber noch nichts bekannt ist, lässt sich über die künftige Genehmigungspraxis nur spekulieren. Auch die Entscheidungen der Landesregierungen für einen Alleingang beziehungsweise eine Kooperation lassen keinen Schluss darüber zu, ob es dabei darum ging, die Aufrechterhaltung des gesetzlichen Verbots der PID und eine strenge Genehmigungspraxis zu gewährleisten, oder ob die jeweiligen Länder eher daran interessiert sind, die Anträge auf PID großzügig zu handhaben. Die nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) hatte noch Ende Januar diesen Jahres gefordert, die PID bundesweit nur in wenigen Zentren anzubieten. Es müsse verhindert werden, „dass in Deutschland ein von wirtschaftlichen Interessen bestimmter neuer Markt für PID-Leistungen entsteht“.6 Es ist zu hoffen, dass der Alleingang des bevölkerungsreichsten Bundeslandes bei der Umsetzung der PIDV nicht darauf zurückzuführen ist, dass die Landesregierung mit dieser Orientierung allein ist.Transparenz? Fehlanzeige
Für die interessierte Öffentlichkeit wird es allerdings möglicherweise nicht ganz einfach, etwas über die Genehmigungspraxis der Ethikkommissionen zu erfahren - jedenfalls dann, wenn die Regelungen im Vertragsentwurf der nördlichen Bundesländer Schule machen: Danach muss die Ethikkommission der Hamburger Gesundheitsbehörde jährlich einen Bericht vorlegen, der die Anzahl der Zustimmungen zu beziehungsweise der Ablehnungen von PID-Anträgen ebenso enthält wie Angaben darüber, „welche Erbkrankheiten den Anträgen zugrunde lagen“. Außerdem verpflichten sich die am Abkommen beteiligten Länder dazu, sich „mindestens einmal jährlich“ zu treffen, um sich „über die Entwicklung der Präimplantationsdiagnostik fachlich auszutauschen“.7 An diesen Treffen, so der Hamburger Pressesprecher Roland Ahrendt auf Nachfrage, können zwar „sachkundige Auskunftspersonen“ teilnehmen, „so dass die aktuellen Entwicklungen mit fachkundiger Expertise unterlegt werden“. Für die Öffentlichkeit zugänglich sind diese Treffen jedoch nicht.- 1Nur ein Bundesland setzt die PIDV derzeit nicht um: Sachsen-Anhalt sieht derzeit keinen Bedarf für eine Ethikkommission, weil bislang keines der drei reproduktionsmedizinischen Zentren in dem Bundesland eine Zertifizierung für die Durchführung der PID beantragt habe. Sollte es einen solchen Antrag geben, so Holger Paech, Pressesprecher im Ministerium für Arbeit und Soziales Sachsen-Anhalt, „wird dann auch zeitnah eine Entscheidung zur Einrichtung einer Ethikkommission zu treffen sein“.
- 2Vgl. Landtag Brandenburg, Entwurf eines Gesetzes zum Abkommen über die gemeinsame Einrichtung einer Ethikkommission für Präimplantationsdiagnostik bei der Ärztekammer Hamburg, Drucksache 5/8140, im Netz unter www.parldok.brandenburg.de oder unter www.kurzlink.de/gid221_c, §§ 3 und 4. Die PIDV legt in § 4, Abs. 4 fest, dass Zusammensetzung, Verfahrensregelungen und Berufung der Mitglieder des Gremiums landesrechtlich geregelt werden. Vgl. PIDV, Bundesrats-Drucksache 717/12, S. 8. Im Netz unter www.kurzlink. de/gid215_c.
- 3Pressemitteilung des Ministeriums für Arbeit, Gleichstellung und Soziales Mecklenburg-Vorpommern, 29.10.13, im Netz unter www.regierung-mv.de oder unter www.kurzlink.de/gid221_b.
- 4Die PIDV stellt es den Ländern frei, ob sie eigene oder länderübergreifende Ethikkommissionen einrichten. Vgl. Bundesrats-Drucksache 717/12, S. 29. Im Netz unter www.kurzlink.de/GID215_c. Zur Kritik an der PIDV vgl. auch GID 215, S. 41-43.
- 5Das Verfahren darf angewendet werden, wenn aufgrund der „genetischen Disposition“ für die Nachkommen von mindestens einem der beiden potenziellen Elternteile „das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit“ besteht. Darüber hinaus ist die PID zu dem Zweck erlaubt, die befruchtete Eizelle auf eine „schwerwiegende Schädigung“ zu untersuchen, „die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird“. Bundesrats-Drucksache 480/11, Artikel 1, Nummer 1, Absatz 2, im Netz unter www.kurzlink.de/GID 215_f. Die Ethikkommission nimmt die Anträge auf PID entgegen und muss innerhalb von drei Monaten darüber entscheiden, ob ein Fall schwerwiegend, mithin die Anwendung des Verfahrens zulässig ist.
- 6Vgl. dpa-Meldung vom 29.01.13, im Netz unter www.kurzlink.de/ gid221_a.
- 7Vgl. Landtag Brandenburg, a.a.O., § 5. Die beteiligten Länder bekommen eine Ausfertigung des Berichtes von der Hamburger Behörde.
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      Uta Wagenmann war Mitarbeiterin des GeN und GeN-Vorstandsmitglied.