Vorsicht: PR!
Wenn es um Medizin, Medikamente und medizinisches Wissen geht, sind die Interessenkonflikte besonders groß.
In welcher Weise wird versucht, auf journalistische Arbeit Einfluss zu nehmen?
Wenn Bayer eine Pressekonferenz macht, dann laden die gezielt Journalisten ein, finanzieren zum Beispiel Taxikosten, manchmal kriegt man auch noch ein Hotelzimmer bezahlt. Üblich sind auch Einladungen zu Kongressen, etwa zu einem großen Krebskongress in den USA. Die Firmen übernehmen dann die Reise- und Akkreditierungskosten. Solche Offerten haben in letzter Zeit aber abgenommen, sie richten sich fast nur an Fachjournalisten. Diese Beispiele zeigen, wie schnell die eigene Unabhängigkeit gefährdet ist - auch wenn man sich selber sagt: Ich bleib doch unbeeinflusst, wenn man mir eine Reise sponsert. Die Selbstsicht und die Fremdsicht klaffen häufig auseinander. Wenn man weiß, wie Bindungen entstehen, dann sind solche Einladungen ein taugliches Mittel, kritische Berichterstattung zu beeinflussen.
Ist Ihnen selbst manchmal schon unwohl geworden?
Viele Journalistenpreise sind gesponsert. Der Europäische Journalistenpreis zum Beispiel wird zwar vom Verband Deutscher Medizinjournalisten vergeben, ist aber von Bayer HealthCare gestiftet. Glaxo Smith Kline vergibt auch einen Preis für Medizinjournalismus. Ich habe es immer vermieden, Artikel gezielt zu schreiben, um mich für einen bestimmten Preis zu bewerben. Man darf sich aber nichts vormachen: Wenn da eine Preisverleihung stattfindet, ist der Sponsor natürlich auch mit dabei. Und vielleicht lernt man den Pressemann der Firma kennen, der ganz sympathisch ist. Mit anderen Worten, das ist für diese Firmen eine Gelegenheit, Kontakte zu machen. Die Gefahr versteckter Bindungen besteht auch hier. Die Krux ist, dass freier Journalismus nach wie vor schlecht bezahlt ist. Ich weiß von vielen Kollegen, die einen Teil ihrer Einkünfte aus PR-Arbeit ziehen müssen. Das heißt, die arbeiten nebenher für die PR-Abteilung einer Firma, einer Krankenkasse oder erstellen Broschüren. Der Verein Netzwerk Recherche, der sich für investigativen Journalismus einsetzt, fordert deshalb zurecht: Journalisten machen keine PR! Die Mindestforderung wäre, dass jemand, der über Pharmathemen schreibt, nicht für eine Pharmafirma PR macht - sondern meinetwegen für die Bahn. In der Praxis ist das aber häufig eine ganz schöne Zwickmühle bei den Honoraren, die bezahlt werden. Wer in einer Wissenschaftsredaktion arbeitet, hat es natürlich leichter, gerät aber auch schnell in Konflikte. Zeitungen verpflichten sich – gegen entsprechendes Entgelt - über bestimmte Inhalte häufiger zu berichten. Die Geldgeber sind in diesem Fall nicht Firmen, sondern große Wissenschaftsorganisationen. Oder es gibt Konflikte mit Anzeigenkunden. Nehmen wir den Fall, dass eine Redaktion kritisch über Nabelschnurblut berichtet, aber die Zeitschrift zugleich Vita34 als Anzeigenkunden hat. Dann wird im Zweifel der Artikel gecancelt. Für problematisch halte ich auch einen anderen Trend: Es gibt immer mehr Stiftungen oder scheinbar unabhängige Organisationen, bei denen nicht auf Anhieb erkennbar ist, dass die Industrie sie finanziert. Die machen ausgefeilte PR-Arbeit. Es gehört schon etwas Erfahrung dazu, um solche Infos, die in die Redaktion flattern, richtig einzuschätzen. Auf diese Weise wandert schnell PR ins Blatt, zumal viele Redaktionen unter Zeitdruck ihre Seiten füllen müssen. Häufig werden gleich ganze Artikel 1:1 übernommen - wie etwa im Fall der Esslinger Zeitung, die ein von der Agentur Food Pressedienst frei angebotenes Interview unhinterfragt übernommen hat.
Gibt es Standards für guten Medizinjournalismus?
Die Initiative Medien-Doktor, bei der ich mitmache, beurteilt die Qualität medizinjournalistischer Beiträge in Publikumsmedien nach festgelegten Kriterien. Die Gutachten sind im Internet unter medien-doktor.de nachzulesen. Das Ziel ist, die Berichterstattung über neue Therapien besser und verständlicher zu machen.
Das Interview führte Alexander v. Schwerin
Martina Keller ist freie Journalistin.