Chinas Geschäft mit der Baumwolle
Ob die "Socken-Stadt" Datang oder die "Krawatten-Hauptstadt" Shenzhou – Chinas Textilindustrie boomt. Durch den Wegfall der von der Welthandelsorganisation festgesetzten Exportquoten für Textilien ab 2005 könnte China seinen Weltmarktanteil annähernd verdreifachen. Gleichzeitig wächst auch die Baumwollproduktion - mit und ohne Gentechnik. Die Anbaufläche gentechnisch veränderter Baumwolle in China vergrößerte sich in 2004 im siebten Jahr in Folge.
Schon lange zählt die Volksrepublik China zu den so genannten Biotech Mega-Countries. Zu diesen werden - nach der Definition von Clive James, dem Leiter der internationalen Biotech-Lobby-Organisation ISAAA - Länder mit einer Anbaufläche von mindestens 50.000 Hektar gentechnisch veränderter (gv) Kulturpflanzen gezählt. Mit 3,7 Millionen Hektar Bt-Baumwolle hat China den Sprung unter die 14 Länder mit der weltweit größten Anbaufläche von gv-Pflanzen längst geschafft. Mittlerweile beträgt die Größe der weltweiten Anbaufläche 81 Millionen Hektar, was einer Fläche entspricht, die dreimal so groß ist wie Großbritannien.(1) China steht weltweit an der Spitze der Produktion von Baumwolle, die in der Textilindustrie Verwendung findet. Es verfügt zwar über eine geringere Anbaufläche von gv-Baumwolle als die USA und Indien, dort werden Teile der Baumwollernten aber zum Beispiel als Futtermittel eingesetzt. In den Provinzen im Tal des Gelben Flusses (Henan, Shandong, Shanxi, Hebei) im Norden Chinas sowie der Region des Yangtse im Süden des Landes bewirtschaften zwischen neun und dreizehn Millionen Bauern ihre zumeist kleinen Baumwollfelder mit den gentechnisch veränderten Baumwoll-Sorten.(2) Seit Einführung des gv-Saatgutes durch Monsanto im Jahr 1997 (3), das ursprünglich nur in der Hebei Provinz eingesetzt wurde, erstreckt sich der Anbau von Bt-Baumwolle mittlerweile auf neun der 22 Provinzen.(4)
Die Einführung transgenen Saatgutes
Die Entwicklung und Bereitstellung des transgenen Saatgutes lag in China nicht allein in Monsantos Händen. Unter dem staatlichen 863 High-Tech-Programm zur Förderung neuer Technologien wurde diese Aufgabe auch der Chinese Academy of Agricultural Science (CAAS), in Zusammenarbeit mit regionalen Universitäten und Saatgut-Organisationen, übertragen. Das Programm sollte vor allem eine Maßnahme zur Steigerung landwirtschaftlicher Erträge sein. Der Baumwollkapselbohrer (Helicoverpa armigera) verursachte Anfang der 90er Jahre Ernteausfälle von bis zu 40 Prozent. Da die Baumwolle Chinas wichtigste Cash-Crop ist - das heißt, die Pflanze, mit der größten Relevanz im internationalen Handel - brachte dies hohe finanzielle Einbußen mit sich. 1996 wurden auf 17 Versuchsfeldern mit einer Fläche von 650 Hektar insgesamt zehn verschiedenen Bt-Baumwoll-Sorten angebaut. Bereits ein Jahr später gab das Biosicherheits-Komitee des Ministeriums für Landwirtschaft grünes Licht für den kommerziellen Anbau.(2) Die Entscheidung für den Anbau gentechnisch veränderter Baumwolle oder zum Erwerb konventionellen Saatgutes wurde den Landwirten durch die Abschaffung von Baumwoll-Quoten im Jahre 1998 freigestellt.(2) Allerdings ist es ihnen nicht gestattet, ohne Lizenz Saatgut als Handelsware zu produzieren.(5) Außerdem wurde berichtet, dass chinesische Agrarberater die Bauern dazu drängten, mehr insektenresistente Gentech-Baumwolle anzubauen.(6) Im Jahre 2000 wurde ein neues Saatgutgesetz erlassen, das den Kleinbauern Chinas den direkten Kauf von Saatgut über private Firmen ermöglichen sollte.
Resistenzmanagement durch natürliche Refugien?
Untersuchungen des Institutes für Pflanzenschutz, Chinas zuständiger Behörde für die Beobachtung (das Monitoring) der GVO, zufolge ist seit der Erstaussaat der gv-Baumwolle 1997 keine Resistenzentwicklung des Baumwollkapselbohrers gegenüber dem Bt-Toxin aufgetreten. Dies wird darauf zurückgeführt, dass die vielfältige Feldbepflanzung und die regionale Ausbringung der Bt-Baumwolle auf kleinen Flächen, umgeben von einer Vielzahl an alternativen Wirtskulturen für den Schädling, ein natürliches Refugium bilden. Man sei dennoch bemüht, Strategien des Resistenzmanagements zu entwickeln, heißt es. Insbesondere setzt man auf eine "Doppel-Gen-Strategie": dabei wird zusätzlich zum Bt-Gen ein Gen für den so genannten "cowpea trypsin inhibitor" eingesetzt (siehe Kasten), der unabhängig zum Bt-Toxin für ein zusätzliches insektizides Protein kodiert. Labortests und Überwachungen der Felder, die im Auftrag von Greenpeace durchgeführt wurden, zeigen jedoch, dass nach acht bis zehn Jahren Anbau eine vollständige Resistenz des Baumwollkapselbohrers gegenüber dem Bt-Toxin erreicht sein wird. Nach 17 Generationen fällt die Empfindlichkeit der Schädlingspopulation gegenüber dem Bt-Gift bereits auf 30 Prozent. Außerdem ist laut Greenpeace der Erhalt eines natürlichen Refugiums durch Pflanzenvielfalt allein nicht realistisch, da nach "Einführung" der Bt-Baumwolle in einer bestimmten Region meist eine Vielzahl der ansässigen Bauern dem Beispiel folgen würde und es dadurch zu einer großflächigen Ausbringung von Bt-Baumwolle kommt. Die im Juni 2002 von Greenpeace veröffentlichte Studie kann außerdem die angeblichen Vorteile der Doppel-Gen-Baumwolle gegenüber transgenen Sorten mit nur einem einfachen Bt-Gen nicht bestätigen.(7) Von Wu Kongming vom Planzenschutzinstitut in Hebei, Chinas wichtigster Bt-Baumwoll-Provinz, durchgeführte Experimente konnten keine starken, für die Umwelt nachteiligen, Auswirkungen des Bt-Toxins nachweisen.(3) 2004 wurde rund ein Drittel der Baumwollfelder Chinas mit transgenem Saatgut bestellt, wobei in der Provinz Hebei im Tal des Gelben Flusses praktisch ausschließlich Bt-Baumwolle angebaut wurde. Die chinesischen Landwirte setzen zunehmend auf Gentechnik - ein Zeichen westlicher Orientierung?
Kleider für die Welt
Die hohe Exportmenge an – qualitativ hochwertigen – Baumwoll-Textilien sind ein augenscheinlicher Beleg für eine hohe Effizienz der chinesischen Textilindustrie. Mit 18 Prozent am gesamten Weltmarkt sind Textilien für den westlichen Bekleidungsmarkt das Hauptexportgut Chinas.(8) Begünstigt wird die Effizienz durch die Nähe zwischen den Baumwoll-Anbaugebieten und den Textil-Produktionsstätten. Diesem Vorteil folgend fließen neue Investitionen vor allem in neue Fabriken im Yangtse-Delta an der Ostküste Chinas. Ein Beispiel für eine enorm wirtschaftende Region Chinas ist Zhejiang. Hier finden sich neben Datang und Shenzou zahlreiche andere Textil-Metropolen, wo zum Beispiel Daunenprodukte und Freizeitkleidung hergestellt werden.(9) China exportiert ausschließlich verarbeitete Baumwolle, sämtliche Arbeitsschritte werden im Land durchgeführt. Die chinesischen Firmen sind gut vorbereitet auf den zu erwartenden Textil-Boom. Der Prototyp eines chinesischen Kapitalisten kaufte Anfang der 80er Jahre mit wenig Kapital eine alte Fabrik und neue Maschinen und begann mit der Textilproduktion. Dabei spezialisierte er sich auf ein bestimmtes Produkt und zählt heute zu den Socken-, Pullover- oder Unterwäsche-Giganten des 21. Jahrhunderts. Obwohl die chinesische Regierung den Begriff Marktwirtschaft nur mit dem Zusatz "sozialistisch" gelten ließ, schuf sie doch durch die Erschließung riesiger Gewerbeflächen, den Ausbau der Infrastruktur und durch das Einräumen von - vorsichtigen - Steuervorteilen die Grundlage für private Investitionen. Die tageszeitung zitiert Berechnungen, nach denen private Betriebe 60 Prozent der gesamten chinesischen Wirtschaftsleistung erbringen. Ökonomen sprechen daher vom "volksrepublikanischen Kapitalismus", der "in den Grundzügen den Gesetzen der freien Marktwirtschaft folgt, doch konfuzianische und sozialistische Traditionen Chinas keineswegs vernachlässigt".(10) Chen Derong, Bürgermeister von Jiaxing, Provinz Zhejiang, und ehemaliger Stahlwerksleiter, formulierte eine These für den wirtschaftlichen Aufschwung: "In China gibt es den Marxismus für die Politik, die Marktwirtschaft für die Wirtschaft und den Konfuzianismus (11) für das Zwischenmenschliche".(10) Für den Markt der Bt-Baumwolle bedeutet das: wachse, wachse, wachse... Im Jahr 2004 nahm die Volksrepublik China den vierten Platz in der Liste der Länder mit der größten Anbaufläche von gentechnisch veränderten Kulturen ein. Die Bt-Baumwolle stellt dabei den wesentlichsten Teil dieser Fläche. Zur Kommerzialisierung ebenfalls freigegeben sind transgene Tomaten, Süßer Pfeffer und Petunien.(12) In der großflächigen Ausbringung von transgenen Nahrungsmittel-Pflanzen übt sich China noch in Vorsicht. Dies liegt nicht zuletzt an zu erwartenden Exportschwierigkeiten.(13) Das Fachmagazin Nature Biotechnology schreibt, dass sich bis zu 30 Biotech-Pflanzen in der Entwicklung befinden, darunter Weizen, Kartoffeln, Reis, Tabak, Erdnüsse, Chinakohl, Pappeln, Maniok und Süßkartoffeln.(12) Alles deutet darauf hin, dass China großes Interesse hat, eines der führenden Länder – um nicht zu sagen das führende Land - in der Pflanzen-Biotechnologie zu werden. Eine Aufstockung des staatlichen Budgets für Pflanzen-Biotechnologie um 400 Prozent in 2005 auf nunmehr 450 Millionen US-Dollar ist ein deutlicher Indikator für Chinas Streben nach noch mehr Gentechnik auf den Feldern. Der entscheidendste Schritt steht China aber unweigerlich noch bevor: Der kommerzielle Anbau von gentechnisch verändertem Reis. Dadurch würde in eine Jahrtausende alte Kultur nachhaltig eingegriffen. Vielleicht sind diese Szenarien gar nicht mehr soweit entfernt: Clive James deutet in einem Bericht zum "Global Status of Commercialized Biotech/GM Crops: 2004" einen möglichen kommerziellen Einsatz von transgenem Reis in China bereits für dieses Jahr an. China befindet sich dank transgener Baumwolle bereits auf der Schwelle vom Entwicklungsland zum Biotech-Giganten und ist nun auch noch im Begriff, der größten Reisschüssel der Welt ein paar schwer verdauliche Reiskörner beizumischen.
Fußnoten:
- Global Status of Commercialized Biotech; GM Crops: 2004 ; Clive James; im Netz unter www.isaaa.org
- "China case study". The development of Bt Cotton. CropBiotech Net. Im Netz unter: www.isaaa.org/kc
- A summary of research on the environmental impacts of Bt Cotton in China; Dayuan Xue, Nanjing Instiute of Environmental Science; veröffentlicht von Greenpeace im Juni 2002; im Netz unter: www.greenpeace.org/multimedia/download/1/8965/btc…. pdf
- China sieht Taiwan als seine 23. Provinz an
- Seed Law of the People’s Republic of China / Artikel 4; im Netz unter: www.ipfsaph.org
- Reuters, 28.6.2001
- Beruht auf Studien durchgeführt in Anyang im Norden von Henan, der zweitgrößten Provinz, in der Bt-Baumwolle angebaut wird
- Fischer Weltalmanach 2005. Fischer Taschenbuch Verlag GmbH, Frankfurt am Main; 2004
- "China prepares to cloth the planet"; New York Times, 03.01.05
- "Die Güte des Fabrikanten Jiang" von Georg Blume, TAZ, 23.02.05; im Netz unter: www.taz.de/pt/2005/02/23/a0155.nf/text
- Konfuzius, ein chinesicher Philosoph (551 v. Chr. bis 479 v. Chr.). Zentrales Element seiner Lehren war eine Ordnung, die durch Achtung vor anderen Menschen und durch Ahnenverehrung erreichbar sei. Im Mittelpunkt seines Denkens stand der "Edle", ein moralisch einwandfreier Mensch. Wikipedia – die freie Enzyklopädie, im Netz unter: http://de.wikipedia.org.
- www.isaaa.org/kc
- South China Morning Post, 18.4.2001
Gentechnisch veränderte Pflanzen in China
Zum kommerziellen Anbau in China sind folgende gentechnisch veränderte (gv) Pflanzen freigegeben:
- drei Sorten insektenresistenter Baumwolle
- virusresistente Tomaten
- virusresistenter Süßer Pfeffer
- lagerbeständige Tomaten
- farbveränderte Petunien
- insektenresistenter Mais.
Zuständig für die Regulation gentechnisch veränderter Organismen (GVO) ist das Landwirtschaftsministerium. Das "Safety Committee for Agricultural Biological Genetic Engineering" leitet dabei die Sicherheitsüberwachung von Gewächshausexperimenten, Freisetzungen sowie der kommerziellen Produktion biotechnologischer Produkte in der Landwirtschaft. Unter den ersten fünf der insgesamt achtzehn zur Sicherheitsprüfung beantragten GVO befinden sich Glyphosat-resistente (RoundUp Ready) Sojabohnen, Mais und Baumwolle von Monsanto, die das "Biosafety Certificate" bereits erhalten haben. Außerdem entwickelt wurden folgende, bisher nicht für den kommerziellen Anbau zugelassene Sorten:
- zwanzig transgene Baumwoll-Sorten mit einem Bt-Gen
- mehr als 30 Linien insektenresistente Baumwolle mit Doppel-Genen, davon wurden elf zur Freisetzung freigegeben
- acht Linien insektenresistente Hybrid-Baum- wolle
- herbizidresistenter (Hr) Reis (weltweit erster Hr-Reis, 1996 vom China National Rice Research Institute, CNRRI, entwickelt).
- insektenresistenter (Bt) Mais Das Fachmagazin Nature Biotechnology gibt in seiner Ausgabe Januar 2005 einen groben Überblick über die Entwicklung von gv-Pflanzen in Entwicklungsländern, die vor allem von der öffentlichen Hand gefördert werden. Demnach sind in China dreißig Arten von gv-Pflanzen in der Entwicklung. An folgenden Pflanzen werden gentechnische Veränderungen, die auf allgemeine agronomische Eigenschaften und Resistenzen gegen Pilze, Insekten und Viren zielen, durchgeführt: Baumwolle, Kartoffel, Kohl, Mais, Melone, Papaya, Pfeffer, Reis, Sojabohne und Tomate. (stg) Quellen: Dechema e.V.: Biotechnology in China. A Guide to the Chinese Biotechnology Industry. Von Yijian Tang, Juni 2004; im Netz unter: www.v-b-u.org/about/china.htm Sheng Qiang, Chao-he Huangpu1, Xiao-ling Song, Yong-Woong Kwon: Evaluation and Management of GM Crops for Environmental Safety in China; im Netz unter: http://agsearch.snu.ac.kr/haksul/seminar/pds/2004… Joel I. Cohen: Poorer nations turn to publicly developed GM crops; Nature Biotechnology, Januar 2005.
Stefanie Golla absolviert seit September 2004 ein Freiwilliges ökologisches Jahr beim Gen-ethischen Informationsdienst (GID).