Kurz notiert: Mensch und Medizin
Gezielter einkaufen
Das Abraham Center of Life im texanischen San Antonio bietet als erstes Unternehmen befruchtete Eizellen an. Interessenten können sich bei der sich selbst als "weltweit erste menschliche Embryonenbank" bezeichnenden Agentur über Rasse, Bildung, Aussehen, Persönlichkeit und andere Eigenschaften der Eizellspenderinnen und Samenspender informieren. Die Embryonen können dann bestellt werden; auf Wunsch arrangiert die Firma außerdem die Einpflanzung und vermittelt gegebenenfalls Leihmütter. (Washington Post, 06.01.07) (uw)
Erfolgreicher selektieren
Eine neue Technik des Eizell- und Embryo-Screenings bei der In-vitro-Fertilisation hat ein Team des US-amerikanischen Sher Institute for Reproductive Medicine unter Geoffrey Sher entwickelt. Bei der "comparative genomic hybridisation" (CGH) wird DNA aus dem Polkörper der Eizelle entnommen, vervielfältigt und mit fluoreszierenden DNA-Sonden versehen. Das soll es erlauben, Chromosomenanomalien zu erkennen. Sie gelten als häufigste Ursache für eine erfolglose IVF. Zwar ist die Zahl der Studienteilnehmerinnen bisher zu gering, um CGH als Behandlungsmethode zu etablieren, aber die Technik verspricht eine deutlich erhöhte Geburtenrate. Von den 35 Frauen, denen eine der als chromosomal unauffällig getesten Eizellen nach der Befruchtung eingepflanzt wurde, wurden 28 schwanger; 18 haben ihr Kind bereits geboren, acht weitere stehen kurz vor der Entbindung. Nicht alle "fehlerfreien" Eizellen entwickelten sich nach der Befruchtung auch zu Embryonen ohne Chromosomenanomalien. Die Methode wird deshalb nun auch drei Tage nach der Befruchtung erprobt. Da das Ergebnis eines CGH-Tests erst nach fünf Tagen verfügbar ist, muss die befruchtete Eizelle dafür eingefroren werden.(New Scientist, 03.02.07) (uw)
Mama Brown
Lousie Brown, 1978 als erstes "Retortenkind" der Welt geboren, hat ein Kind bekommen - vielen Zeitungen und Internetportalen war dieses Ereignis eine Meldung wert. Dabei ist sie gar nicht die erste: Ihre jüngere, ebenfalls im Labor entstandene Schwester Natalie beispielsweise ist bereits seit 1999 Mutter. So ist das Medieninteresse für Louise und ihren "auf natürliche Art gezeugten" Sohn wohl einmal mehr eher auf die Symbolkraft des Ereignisses zurückzuführen: Mit der Geburt von Cameron Brown wird die Normalität der "künstlichen Befruchtung" im Wortsinne anschaulich. So verweist noch die kürzeste Meldung darauf, dass weltweit bisher mehr als drei Millionen IVF-Babies geboren wurden. (ärztezeitung online, 15. und 16.01.07) (uw)
Prähistorische Verwandtschaftstests
Nach heute lebenden Verwandten von Menschen der Bronzezeit suchen Anthropologen der Universität Göttingen. Das Team unter Leitung von Susanne Hummel hatte vor einiger Zeit vierzig etwa 3000 Jahre alte Skelette molekularbiologisch untersucht, die in einer Höhle im Südharz gefunden worden waren. Die ForscherInnen wiesen nach, dass die Knochen von mindestens drei Generationen zweier Familien stammen. Nun sammeln sie Speichelproben von Dorfbewohnern der Umgebung, deren Familien seit mindestens zwei Generationen in der Region ansässig sind. Die Anthropologen hoffen, in den Proben DNA-Muster zu finden, die mit denen der gefundenen Skelette übereinstimmen. Das wäre dann, so wird getitelt, "die längste Stammbaumlinie der Welt" - auch wenn dazwischen noch knapp drei Jahrtausende fehlen. (ärztezeitung online 22.01.07) (uw)
Heilung durch Nabelschnurblut?
Nach der wissenschaftlichen Veröffentlichung über eine erfolgreiche Krebsbehandlung eines Kindes, bei der auch dessen eigenes Nabelschnurblut verwendet wurde, war die Schlagzeile schnell gefunden: "Kind durch Nabelschnurblut geheilt". Tatsächlich war das im Alter von drei Jahren an akuter lymphoblastischer Leukämie erkrankte Mädchen erfolgreich chemotherapeutisch behandelt worden; sein bei der kommerziellen US-Nabelschnurblutbank Corcel eingelagertes Nabelschnurblut wurde dann für den notwendigen Neuaufbau des Knochenmarks verwendet. Standard ist bisher bei solchen Behandlungen, Knochenmark passender Fremdspender zu transplantieren. Solche Knochenmarkszellen haben einen bisher noch nicht verstandenen Antitumor-Effekt, den mit dem Empfänger genetisch identische Zellen nicht aufweisen. Zudem besteht durch die Verwendung eigenen Blutes die grundsätzliche Gefahr, dass eventuell vorhandene genetische Anlagen für Leukämie mit übertragen werden. (ärztezeitung online 06.02.07; www.vita34.de/vita34/wDeutsch/presse/pm070104.sht…) (uw)
Bioreaktor Huhn
Helen Sang und ihr Team am schottischen Roslin-Institute haben Hühner gezüchtet, deren Eier pharmazeutische Wirkstoffe enthalten. Sie setzten in das Gen für die Bildung des Hühnereiweißes Ovalbumin Gene für pharmazeutisch wirksame Proteine ein. Als Transporteur für die Wirkstoff-DNA wurden genetisch veränderte Viren benutzt. Im Ergebnis legen die derzeit etwa 500 genetisch veränderten Hühner Eier, in deren Eiklar sich wahlweise Interferon oder miR24, der Prototyp eines so genannten Miniantikörpers für künftige Hautkrebstherapien, befinden. Die Organe der Hühner sind nicht betroffen; nur das Eiklar enthält die pharmazeutischen Proteine. Das veränderte Ovalbumin-Gen wird vererbt, sodass auch der Nachwuchs die beiden Wirksoffe produziert. Sang geht aber davon aus, dass noch mindestens zehn weitere Jahre vergehen werden, bis mit Hühnern hergestellte Wirkstoffe als Medikamente verwendet werden können. (Süddeutsche Zeitung und Die Zeit online, 16.01.07) (uw)
Bioreaktor Mensch
"Endokultivierung" oder "Präfabrikation von Körpersubstanz" - auch der Mensch soll zum Bioreaktor werden. Das jedenfalls ist das Ziel eines von der EU mit gut zwei Millionen Euro geförderten europäischen Verbundes von ForscherInnen. In dem Projekt "Myjoint" (mein Gelenk) sollen nicht pharmazeutische Wirkstoffe, sondern Knochen und Gelenke im menschlichen Körper hergestellt werden. Der Projektleiter Patrick Warnke vom schleswig-holsteinischen Uniklinikum Kiel hatte 2004 einem Patienten einen gezielt in seiner Rückenmuskulatur gezüchteten Unterkiefer implantiert. Seitdem sind Verfahren zur Züchtung von Knochenersatz im eigenen Körper bei zwei weiteren Patienten erfolgreich angewandt worden. Man sei aber "noch weit davon entfernt, dass das tägliche Praxis wird", so Jörg Wiltfang vom Uniklinikum Kiel. Unter anderem arbeite man an einem Material, das den Knochen während seines Wachstums formt, sich dann aber auflöst. (Katholische Nachrichtenagentur, 16.01.07) (uw)
Ein Pudelklon in Südkorea?
Nach vier Afghanischen Windhunden soll nun ein Pudel als weltweit fünfter Hund geklont worden sein, und zwar wie seine Vorgänger in Südkorea. Ein Zeitungsbericht in der der Korea Times zitiert eine nicht näher genannte Quelle, nach der ein Team unter der Leitung von Lee Byung-Chun am Institut für Veterinärmedizin der Nationalen Universität in Seoul im letzten Jahr einen Pudel geklont habe. In dem Artikel als "weiterer Durchbruch im Klonen von Tieren" bezeichnet, bleibt Pudel Puppy aber bisher nicht mehr als ein Phantom. Forscher der Universität lehnten es ab, den Zeitungsbericht zu kommentieren, während Südkoreas Minister für Forschung und Technologie Kim Woo-Sik sich die Gelegenheit nicht entgehen liess, die diskreditierte einheimische Klonforschung in ein besseres Licht zu rücken. An der Universität seien weitere Tiere geklont worden, aber "die Universität hat mich gebeten, diese Klon-Leistungen vorerst nicht bekanntzugeben." (http://news.yahoo.com, 24.01.07) (uw)
Kleine Mitochondrien ganz groß
Die Entscheidung über zwei Anträge vom November letzten Jahres bei der britischen Behörde für die Genehmigung von Projekten der menschlichen Embryonenforschung (HFEA) ist vorerst verschoben. Unter anderem begründet mit dem Mangel an menschlichen Eizellen wollen zwei Forschungsteams an der englischen Newcastle University und am schottischen Roslin Institute Eizellen von Kühen beziehungsweise von Kaninchen für Klonversuche mit menschlichen Zellkernen nutzen. Da die entkernten, mit menschlichen Kernen versehenen Zellen in den Mitochondrien einen - wenn auch geringen - Anteil an tierischer DNA enthalten würden, müssten solche Zellen eigentlich als Mischwesen oder Chimären gelten. Da der Anteil sehr klein und der Bedarf an Eizellen groß ist, will die HFEA nun zunächst die Öffentlichkeit zur generellen Zulässigkeit solcher Forschungen konsultieren, ein Prozess, der nicht vor dem Herbst diesen Jahres abgeschlossen sein wird. Währenddessen haben einige Befürworter des Forschungsklonens bereits die Zuständigkeit der HFEA bezweifelt, heißt die Behörde doch Human Fertility and Embryology Authority. (ärztezeitung online, 13.11.06 und 18.01.07; BBC news, 11.01.07; New Scientist online, 07.01.07) (uw)
Ein Weg dazwischen?
Das Potenzial von fötalen Stammzellen aus dem Fruchtwasser und der Plazenta ist größer als bisher angenommen. Zwar wird an diesen so genannten AFS-Zellen (Amniotic-Fluid Stem cells) bereits seit einigen Jahren geforscht, jetzt hat ein Team an der Wake Forest University sie aber erstmals vollständig charakterisiert und ihr Potenzial demonstriert. AFS-Zellen sind "weder embryonal noch adult", so der Leiter der Studie, Anthony Atala. "Sie sind irgendwo dazwischen." Eine Eigenschaft, die sie mit embryonalen Stammzellen (ES-Zellen) teilen, ist neben ihrer hohen Zellteilungsrate und ihrer Langlebigkeit ihre Pluripotenz. So gelang es Atala und seinem Team, aus AFS-Zellen sowohl Nerven-, Leber-, Endothel- wie auch Vorläuferzellen von Knochen-, Muskel- und Fettzellen zu generieren. Darüberhinaus formten die in der Studie untersuchten AFS-Zellen auch keine der aus der embryonalen Stammzellforschung bekannten Tumore. (newsweek online, 08.01.07; www.newscientist.com, 07.01.07) (uw)
Gen für...Schmerzunempfindlichkeit
Eine Variante des SCN9A-Gens wird für den Verlust der Fähigkeit verantwortlich gemacht, Schmerz zu fühlen. Ein Forschungsteam der britischen Cambridge University unter Leitung von Geoffrey Woods untersuchte die DNA von Angehörigen eines pakistanischen Jungen, der sich mit Messern verletzen oder auf glühenden Kohlen laufen konnte, ohne Schmerz zu fühlen. Sechs seiner Familienangehörigen sollen ähnlich schmerzresistent sein; sie alle tragen zugleich die SCN9A-Variante. Es sei überraschend, so die Forscher, dass die Mutation eines einzelnen Gens diesen Effekt haben kann, da "die Signalwege der Schmerzempfindung vielfältig und komplex sind." Tests hätten aber bestätigt, dass die Genvariante mit einer "Abschaltung" von Rezeptoren verbunden ist, sodass das Schmerzsignal das Gehirn nicht erreicht. "Jetzt können wir Schmerz als ein genetisch reguliertes Problem (...) begreifen", sagte George R. Uhl von der John Hopkins University in Baltimore - allerdings schon vor fast acht Jahren. Im Juli 1999 war erstmals ein einzelnes Gen nebst zugehörigem Rezeptor zur Ursache der Schmerzempfindlichkeit erklärt worden, ein Ereignis, das sich im Laufe der Jahre mit anderen Genen wiederholte. Und sowohl in der Vergangenheit wie auch im aktuellen Fall wird die Entwicklung neuartiger Schmerzmittel auf der Basis der Entdeckung in Aussicht gestellt. (ärztezeitung online 14.12.06; www.cosmomagazine.com/node/923; für Recherchen zu früheren "Schmerzempfindlichkeitsgenen": http://aiche.confex.com/aiche/2006/techprogram/P7…; www.med.umich.edu/opm/newspage/2003/paingene.htm; www.sppm.org/FYI/Pain_gene.htm) (uw)
Bald Gentests für Autismus?
Die Spende einer Wohltätigkeitsvereinigung hat den Aufbau einer Biobank für Autismus-Forschung angestoßen. An elf Universitäten in den USA sollen in den nächsten zwei Jahren DNA-Proben von 3.000 autistischen Patienten gesammelt werden. Laut Catherine Lord, Direktorin des Autismuszentrums an der Universität Michigan, hofft die Simons Foundation, die die zehn Millionen US-Dollar gespendet hat, dass genetische Forschung "nur der Beginn einer umfassenden Initiative" ist und will langfristig 100 Millionen US-Dollar in die Autismus-Forschung investieren. Die an dem Projekt beteiligten Wissenschaftler hoffen, Tests zu entwickeln, mit denen verschiedene Formen des Autismus schon bei Neugeborenen erkannt werden können. (www.boston.com, 11.01.07) (uw)
GID-Redaktion