Kurz notiert: Mensch und Medizin

Gentherapie-Proband gestorben

In den USA ist ein Teilnehmer eines Gentherapieversuchs aus ungeklärten Ursachen verstorben. Dies gab die Kontrollbehörde für solche Versuche Food and Drug Administration (FDA) bekannt. Am 20 Juli soll die in Seattle ansässige Firma Targeted Genetics, die an 127 Probanden ein gentherapeutisches Arthritis-Medikament erprobte, ein „schwerwiegendes unerwünschtes Ereignis“ gemeldet haben. Vier Tage später sei der betreffende Patient gestorben. Alle noch ausstehenden Versuche wurden unmittelbar eingestellt, allerdings bleiben die Probanden unter Beobachtung. Was genau zum Tod des Versuchsteilnehmers führte, ist allerdings ungeklärt – und offensichtlich fehlt es auch am Willen, die Details zu recherchieren: US-Journalisten konnten weder von der FDA noch von Targeted Genetics genauere Auskünfte dazu bekommen. Auf ihrer Internetseite gibt die Firma die Nachricht vom Todesfall lediglich in einem aktuellen „update“ zum Verlauf des Experiments bekannt. Sie betont, der „klinische Verlauf“ den der Patient genommen habe, sei nie als eine mögliche Konsequenz des Eingriffs in Erwägung gezogen worden. Dass sie sich auf heiklem Boden bewegen, dürfte den Verantwortlichen freilich längst bewusst sein: Spätestens seit 1999 ein Jugendlicher nach einem Gentherapie-Versuch starb, gelten solche Experimente als ein riskantes Unterfangen. Zwar konnten bei gentherapeutischen Eingriffen an Kindern mit einer angeborenen Immunschwäche einige – umstrittene – Erfolge gemeldet werden. Allerdings wurden bald darauf mehrere Krebserkrankungen unter den behandelten Kindern bekannt. Auch in Deutschland war im vergangenen Jahr einer von drei Teilnehmern eines Gentherapie-Experiments zur Behandlung der Septischen Granulomatose gestorben – einer seltenen, durch einige angeborene genetische Veränderung hervorgerufenen Immunerkrankung. Ob ein Zusammenhang zu den Eingriffen besteht, ist weiterhin unbekannt. Der Tod des Patienten und weitere Nebenwirkungen bei den übrigen Teilnehmern war zunächst verschleiert worden (siehe GID 176, den Artikel von Uta Wagenmann, „Gentherapie erfolgreich, Patient tot?“). In den im Oktober 2005 begonnenen Experimenten der Firma Targeted Genetics waren adenoassoziierte Viren verwendet worden, die im Unterschied zu anderen Genfähren als „sicherere Alternative“ gelten. In dem betreffenden Fall wurden sie gentechnisch so verändert, dass sie entzündungshemmende Proteine bilden. Dadurch sollte bei Arthritis-Patienten eine Linderung von Schmerzen und Schwellungen erreicht werden. Gentherapeutische Versuche sind längst nicht mehr ein Einzelfall: Nach Angaben der FDA nehmen derzeit allein in den USA rund 600 Menschen an 29 verschiedenen Gentherapie-Versuchen teil. Angaben zur Zahl schwerwiegender Nebenwirkungen sind aber nach Angaben der Washington Post nicht zu bekommen. (washingtonpost.com, 27.07.07; boston.com, 26.07.07) (mf)

Neue Daten zum Krebsrisiko bei Gentherapie

Eine im Fachmagazin Science vorgestellte Studie liefert neue Anhaltspunkte für den Zusammenhang zwischen der Verwendung von bestimmten Viren bei gentherapeutischen Versuchen und der Entwicklung von Krebserkrankungen. In mehreren Gruppen von Mäusen, die mit adenoassoziierten Viren behandelt wurden, sollen 33 bis 56 Prozent der Tiere Leberkrebs entwickelt haben, berichten Mark Sands von der Washington University in Saint Louis und seine Kollegen. In den Kontrollgruppen lag die Häufigkeit dagegen bei vier bis acht Prozent. Viren eignen sich als Genfähren, weil sie ihr eigenes Erbgut in der DNA von Wirtszellen verankern. Adenoviren gelten dabei als vergleichsweise „sicher“. Allerdings können bei der Einlagerung der Viren-DNA auch unbeabsichtigt Gene an- oder abgeschaltet beziehungsweise beschädigt werden. Dadurch kann eine unkontrollierte Zellwucherung ausgelöst werden. (Science 317, S. 477; berlinonline, 27.07.07) (mf)

PID verringert Erfolg einer IVF

Gentests an im Labor gezeugten Embryonen verringern offensichtlich die Wahrscheinlichkeit, dass nach der Implantation in den Mutterlaib ein überlebensfähiges Baby heranwächst. Zu diesem Schluss kommen niederländische Forscher von den Universitäten Amsterdam und Groningen. Sie verglichen zwei Gruppen von Frauen zwischen 35 und 41 Jahren, die sich einer künstlichen Befruchtung unterzogen hatten (NEJM 357, S.9). Bei der einen, zufällig ausgesuchten, Gruppe wurden die im Reagenzglas gezeugten Embryonen auf fehlerhafte Chromosomen untersucht und nur für gesund befundene Embryonen übertragen. Von diesen 206 Frauen wurden 52 nach drei Behandlungszyklen Mutter. Dies entspricht einer „Erfolgsquote“ von 25 Prozent. Dagegen brachten von den 202 Frauen ohne Präimplantationsdiagnostik (PID) 74 ein Kind zur Welt (37 Prozent). Die Mediziner um Sebastian Mastenbroek vermuten, dass die Entnahme der Zellen für die PID den Embryo so beeinträchtigt haben könnte, dass er sich weniger gut in die Gebärmutter einnistet. Der in Deutschland verbotene Erbgut-Check wird von Reproduktionszentren weltweit oft als Methode zur Steigerung der besonders bei über 35-jährigen Frauen geringen Erfolgschancen der IVF beworben. An wissenschaftlichen Untersuchungen, die diese Behauptung stützen könnten, mangelt es jedoch: Zwei Studien, die im Jahr 2005 von der Cochrane Collaboration zur Bewertung von klinischen Studien aufgetrieben wurden, erwiesen sich als methodisch unzureichend. Keine von beiden konnte nachweisen, dass sich die PID vorteilhaft auf eine IVF auswirkt. (Süddeutsche Zeitung, 10.07.07; FAZ, 11.07.07) (mf)

Bezahlte Kinderwunsch-Studie

Laut einer Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung kann die IVF nicht nur unfruchtbaren Paaren helfen, sondern außerdem Aushilfe aus der demografischen Krise in Deutschland bieten. In der am 27. Juni in Berlin vorgestellten Expertise, an der auch das Institut für Demoskopie Allensbach beteiligt war, rechnen Experten vor, dass die künstliche Befruchtung einen wesentlichen Einfluss auf die Geburtenstatistik in Deutschland hätte, wenn sie in vergleichbarem Maße wie in Dänemark gefördert würde. Dort werden Paaren drei Behandlungszyklen erstattet. In Deutschland wird von den Krankenkassen seit der Gesundheitsreform von 2004 dagegen nur die Hälfte von maximal drei Versuchen bezahlt. Seit diese für die Paare nachteilige Regelung eingeführt wurde, ist die Zahl der IVF-Behandlungen in Deutschland deutlich gesunken. Würde das dänische Modell in Deutschland eingeführt, würde bis 2050 1,6 Millionen Kinder zur Welt kommen, die entweder selbst durch IVF gezeugt wurden oder deren Eltern im Labor gezeugt worden seien, meinen die Autoren. Zweifel an der Glaubwürdigkeit der 80.000 Euro teuren Studie sind insbesondere deshalb angebracht, weil sie komplett vom Biotech-Unternehmen Serono gesponsort wurde. Serono stellt Hormone für künstliche Befruchtungen her und bezeichnet sich selbst als „weltweit führend in der Behandlung von Unfruchtbarkeit“. Da erstaunt es wenig, dass das Fazit lautet, die Krankenkassen sollten Fruchtbarkeitsbehandlungen wieder stärker unterstüzten. (FTD.de, 27.06.07; Ärzteblatt, 27.06.07 und 28.06.07) (mf)

Selektion von Kindern mit Down-Syndrom

In Dänemark soll die Zahl der Kinder, die mit einer Trisomie-21 (Down-Syndrom) geboren werden, seit der Einführung nicht invasiver Screenings um fast die Hälfte zurückgegangen sein. Bis 2004 wurde in Dänemark allen schwangeren Frauen über 35 zu einer Fruchtwasseruntersuchung oder einer Chorionzottenbiopsie geraten. Diese invasiven Methoden gehen mit dem Risiko einer Fehlgeburt einher. Aus diesem Grund hatte die zentrale dänische Gesundheitsbehörde neue Leitlinien erlassen: Danach wird jetzt allen schwangeren Frauen eine Kombination aus Nackenfaltenmessung und Bluttest angeboten. Invasive Untersuchungen werden nur noch bei fünf Prozent, statt zuvor bei elf Prozent der Schwangerschaften durchgeführt, berichteten Wissenschaftler vom Kennedy-Institut in Glostrup. Außerdem sei die Zahl der mit Down-Syndrom geborenen Kinder um fast 50 Prozent zurückgegangen. (Ärzteblatt 18.06.07) (mf)

Argumentationen von PID-Befürwortern

In einer von vierzig durchgeführten künstlichen Befruchtungen, die zu einer Schwangerschaft herbeiführen, werde in Deutschland einer der heranwachsenden Föten getötet, berichtete Ricardo Felberbaum vom deutschen IVF-Register auf der Jahrestagung der Reproduktionsmediziner in Lyon. Demnach wurden 2004 hierzulande mindestens 222 Mehrlinge im Mutterlaib getötet. So wird, wenn sich nach einer IVF einer der bis zu drei verpflanzten Embryonen „abnormal“ entwickelt, dieser gezielt durch eine Sprizte ins Herz getötet und bis zur Geburt im Mutterleib gelassen. Unabhängig davon werde aber auch bei „zu erwartenden Komplikationen“ ganz unselektiv einer der Mehrlinge „entfernt“. Felberbaum führt diese im Vergleich zu anderen europäischen Ländern hohe Zahl an Mehrlingstötungen auf die deutsche Rechtslage zurück: Das deutsche Embryonenschutzgesetz verbietet es, Embryonen zu einem anderen Zweck als zur Herbeiführung einer Schwangerschaft herzustellen. Indirekt verboten ist dadurch auch, Embryonen vor der Implantation auf ihre Überlebensfähigkeit zu überprüfen und zu selektieren. Stattdessen werden in Deutschland, um die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft zu erhöhen, bis zu drei Embryonen eingepflanzt. Die Folge sei eine hohe Zahl von Mehrlingsschwangerschaften, inklusive der damit verbundenen Komplikationen. Nicht zuletzt ist der Bericht von Felberbaum aber auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass Reproduktionsmediziner seit Jahrzehnten am Bestehen des Embryonenschutzgesetzes rütteln: So wird ein Qualitätscheck im Reagenzglas – der hierzulande verboten ist – in der Argumentation der Befürworter der PID – als Möglichkeit beworben, die Tötung von Mehrlingen zu vermeiden. (FAZ, 04.07.07) (mf)

Krebsrisiko durch IVF und Eizellspende

Bereits in den 90er Jahren gab es erste Anhaltspunkte dafür, dass die Einnahme von Hormonen, welche die Reifung von Eizellen in den Eierstöcken stimulieren, das Risiko für Eierstockkrebs und andere Tumore stark erhöhen. Eine neue von Louise Brinton vom staatlichen Krebsforschungsinstitut National Cancer Institute in Rockville, USA in der Zeitschrift Reproductive Bio Medicine veröffentlichte Zusammenschau neuerer Beobachtungen gibt diesem Verdacht nun neue Nahrung: Danach soll das Tumorrisiko umso häufiger, je öfter die Oberfläche der Eierstöcke im Zuge eines Eisprungs verletzt wird. So sind Eierstocktumore auch bei Frauen, die mehrere Kinder geboren haben und deren Eierstöcke während der Schwangerschaften „zur Ruhe“ kamen, deutlich seltener als bei kinderlosen Frauen. Zudem können bereits bestehende Krebszellen durch die Hormongaben zur weiteren Vermehrung angetrieben werden. Dies konnten israelische Forscher zeigen, die Eierstockzellen von Frauen den Follikel stimulierenden Hormonen aussetzten. Sie konnten daraufhin einen dramatischen Anstieg von Krebswachstumsfaktoren verzeichnen. Insgesamt wurde eine Zunahme des Krebsrisikos dann wahrgenommen, wenn Frauen länger beobachtet wurden oder wenn sie besonders großen Mengen an stimulierenden Hormonen ausgesetzt waren. Besonders kritische sind diese Erkenntnisse, wenn man bedenkt, dass jene Generation von Frauen, die sich erstmals hohen Hormondosen im Rahmen einer künstlichen Befruchtung unterzog, erst allmählich in das Alter kommt, in dem die relevanten Krebsarten häufig ausbrechen. Unterdessen werden Hormongaben auch weiterhin ohne große Bedenken bei IVF-Behandlungen eingesetzt: Dabei gäbe es inzwischen sogar Belege, dass die Hormone die Qualität der Eizellen verschlechtern und die Wahrscheinlichkeit einer Einnistung verringern, so Brinton. (FAZ, 25.07.07) (mf)

IVF: Kassenzuschuss nur für Männer unter 50

Das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel hat die Altersgrenze für Männer bei einer künstlichen Befruchtung gebilligt. Derzeit zahlen gesetzliche Krankenkassen eine IVF nur, wenn der Mann nicht älter als 50 Jahre ist. Zur Begründung verwies das BSG auf das Kindeswohl: Es müsse davon auszugehen sein, dass „jedenfalls bis zum regelmäßigen Abschluss der Berufsausbildung des Kindes die Ehe als eine Lebensbasis für das Kind besteht“, heißt es in der Begründung. (Ärzte Zeitung, 15.06.07) (mf)

Gene für ... Multiple Sklerose

Drei internationale Forscherteams haben in einer groß angelegten Studie zwei Gene identifiziert, die das Risiko für die Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose (MS) erhöhen können. Liegen bestimmte Veränderungen dieser beiden Gene vor, so soll das Risiko, an MS zu erkranken, um zwanzig bis dreißig Prozent erhöht sein. Die Wissenschaftler vermuten, dass sie zu einer größeren Gruppe noch unbekannter Gene zählen, die in der Kombination das Erkrankungsrisiko ebenfalls steigern. Bisher war nur ein Gen bekannt, das so genannte HLA-Gen, welches die Wahrscheinlichkeit, an MS zu erkranken, um das Vierfache erhöhen kann. Vermutet wird außerdem, dass ein Zusammenspiel von Veranlagung und Umweltfaktoren die Krankheit verursachen. In der neuen Untersuchung von David Hafler, Harvard Medical School in Boston, wurden nun insgesamt über 12.000 DNA-Proben von MS-Patienten und ihren Eltern untersucht. Die Studie habe gezeigt, dass es neben dem HLA-Gen keine weiteren genetischen Faktoren gäbe, welche den Ausbruch der Krankheit dermaßen stark beeinflussen, schreiben die Wissenschaftler im New England Journal of Medicine. (wissenschaft.de 30.07.07) (mf)

Dicke Freunde

Einen Zusammenhang zwischen den sozialen Netzwerken einer Person und deren Gewicht wollen US-amerikanische Forscher festgestellt haben: Danach sollen freundschaftliche Beziehungen einen weitaus stärkeren Einfluss als die Gene oder Umweltfaktoren auf die Gewichtszunahme eines Menschen haben. Der Gesundheitswissenschaftler Nicolas Christakis (Harvard) und der Politologe James Fowler (San Diego) haben die Daten und sozialen Netzwerke von 12000 Menschen aus dem bei Boston liegenden Framingham über einen Zeitraum von 32 Jahren analysiert. Der Datenpool stand zur Verfügung, weil die Bewohner von Framingham seit 1948 systematisch auf Gesundheitsrisiken hin untersucht werden. Überraschendes Ergebnis der im New England Journal of Medicine veröffentlichten Studie zur Gewichtszunahme: Wird ein enger Freund oder eine enge Freundin dick, so liegt das Risiko, selbst zuzunehmen weitaus höher, als wenn nahe Verwandte oder Lebenspartner dicker werden. Die Forscher vermuten, dass sich, wenn jemand dick wird, im Freundeskreis die Einschätzung ändert, was als angemessener Körperumfang gilt. Die Erkenntnisse ihrer Studie sehen sie auch als Beweis dafür, dass der Einfluss der Gene oftmals überschätzt werde. Allerdings lässt die Studie von Christakis und Fowler selbst einige Fragen offen: Unklar ist beispielsweise, warum sich nicht auch innerhalb von Familien die Wahrnehmung von „dick“ und „dünn“ verändert und warum sich die Ernährungsweisen innerhalb von Haushalten nicht stärker als soziale Beziehungen auswirken. (Süddeutsche Zeitung, 26.07.07) (mf)

Gen für ... Fettleibigkeit

Für jede Meldung aus der Genforschung scheint es weitere zu geben, die ihr widersprechen: So haben Forscher von der Universität Zürich in Zusammenarbeit mit europäischen Forschergruppen das Gen FTO entdeckt. 22 Prozent des Risikos einer Person, zu viele Pfunde anzusammeln, lassen sich auf die Mutationen dieses Gens zurückführen, sagt Professor Wieland Kiess vom Interdisziplinären Zentrum für klinische Forschrung. Gemeinsam mit seinem Team hatte er die Daten von 2.900 Übergewichtigen und 5.100 Kontrollpersonen ausgewertet. „Übergewicht und Adipositas sind zur Hälfte genetisch bedingt und für 22 Prozent davon ist dieses Gen zuständig,“ behauptet Kiess. Vielleicht sollte er sich mal mit den US-amerikanischen Kollegen (siehe oben) zusammensetzen. (Ärzte Zeitung, 04.06.07) (mf)

Große Brustkrebsstudie abgesagt

Das staatliche Krebsforschungsinstitut der USA hat überraschenderweise eine groß angelegte Studie zur Prävention von familiärem Brustkrebs abgesagt. In dem 100 Millionen Dollar teuren Projekt sollte die Wirksamkeit einer neuen Generation von Medikamenten, den so genannten Aromatase Hemmern, getestet werden. Als Begründung gab das National Cancer Institute (NCI) neben Kostengründen Bedenken hinsichtlich der Sicherheit und der Notwendigkeit der Studie an: Die zahlreichen wissenschaftlichen Bedenken seien ausreichend, um diese Entscheidung zu rechtfertigen, gab das NCI bekannt. „Die Gefahren, welche eine Einführung dieser Medikamente mit all ihren bekannten Nebenwirkungen mit sich brächte, überwiegen ihr Potential, zumindest solange wir nicht besser vorhersagen können, wer von ihnen profitiert und welche Langzeitwirkungen auftreten können.“ Besonders heikel war die Studie deshalb, weil die Medikamente an Frauen ohne Brustkrebs getestet werden sollten, die durch ihre familiäre Vorgeschichte als Hochrisikopatientinnen galten. Bisher ist nur ein Mittel, der Östrogen-Blocker Tamoxifen, zugelassen, der die Wahrscheinlichkeit, an Brustkrebs zu erkranken, in solchen Fällen reduzieren soll. Tamoxifen ist allerdings dafür bekannt, das Risiko für Gebärmutterhalskrebs und Blutgerinnsel zu erhöhen. Daher nehmen nur wenige Frauen das Medikament, bevor sie an Brustkrebs erkranken. Als Alternative wurden die so genannten Aromatase-Hemmer entwickelt, die ebenfalls die Entstehung von krebsfördernden Hormonen im Körper blockieren. Sie sollen effektiver in der Prävention von Brustkrebs sein, ihre Nebenwirkungen sind aber noch unbekannt. Ein Untersuchungskomitee des NCI hatte außerdem darauf hingewiesen, dass eine Gruppe von Aromatase-Hemmern derzeit bereits in den USA und Großbritannien getestet werden. Die Ergebnisse dieser Studien sollten zunächst abgewartet werden. (washingtonpost.com, 20.06.07) (mf)

Kriterien für Gentest auf Brustkrebs

Wenn Ärzte Patientinnen raten, ihre genetische Veranlagung für Brustkrebs testen zu lassen, dürfen sie nicht nur deren familiäre Vorgeschichte einbeziehen. US-amerikanische Wissenschaftler weisen aufgrund einer im Journal of American Medicine veröffentlichten Studie auf die Lücke dieses üblichen Verfahrens hin: Wenn nur solchen Patientinnen zu einem Test geraten werde, in deren enger Verwandtschaft mehrere Frauen vom Krebs betroffen sind, werden Dispositionen bei Frauen mit wenigen oder ohne weibliche Angehörige möglicherweise übersehen. Die Wissenschaftler hatten in ihrer Studie die Daten von 306 Frauen mit Brustkrebs ausgewertet, welche keine engen weiblichen Angehörigen hatten. (BBC News, 20.06.2007) (mf)

Gen für ... Juckreiz

Für das Wahrnehmen von Juckreiz soll zumindest bei Mäusen das GRPR-Gen verantwortlich sein. Tiere, denen das Gen und damit ein bestimmter Rezeptor fehlt, kratzen sich laut einer in Nature online vorab veröffentlichten Studie deutlich weniger als ihre Artgenossen. Der entscheidende Rezeptor wird in bestimmten Nervenzellen des Rückenmarks gebildet, die für die Weiterleitung von Juck- und Schmerzsignalen zuständig sind. Interessantes Ergebnis der Untersuchung ist, dass der Juckreiz nicht wie bisher häufig angenommen eine weniger intensive Form der Schmerzwahrnehmung ist. So stellten die Forscher von der Universität Washington in St. Louis, USA, keine Unterschiede in der Schmerzwahrnehmung von Mäusen mit GRPR-Gen und ohne fest. Da GRPR auch am Wachstum von Tumoren beteiligt ist, gibt es aus der Krebsforschung Substanzen, die die Funktion des Rezeptors blockieren. Nun soll getestet werden, ob diese Wirkstoffe auch die Beschwerden von Patienten mit juckenden Hauterkrankungen lindern können. (wissenschaft.de, 26.07.07) (mf)

Gen für ... Autismus

Autismus wird in rund der Hälfte aller Fälle durch spontane Mutationen im Erbgut ausgelöst. US-amerikanische Wissenschaftler stellten bei einer Stammbaumanalyse betroffener Familien fest, dass bei rund jedem zweiten autistischen Junge eine Genveränderung vorliegt, die bei seinen Eltern nicht nachzuweisen ist. Auch bei den Töchtern können solche Mutationen auftreten, allerdings erkranken sie sehr viel seltener an Autismus. Sie geben die Genveränderung aber an ihre Kinder weiter und haben daher eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, ein autistisches Kind zu bekommen. Autismus könne aber auch durch Komplikationen während der Schwangerschaft sowie das Zusammenspiel mehrerer genetischer Faktoren ausgelöst werden, schreiben die Forscher in Nature online. (wissenschaft.de, 25.07.07) (mf)

Neuer Stammzellentyp entdeckt

Zwei Forschergruppen aus Großbritannien und den USA haben bei Mäusen und Ratten einen Stammzelltyp nachgewiesen, der im Wachstum und der Genaktivität humanen embryonalen Stammzellen ähneln soll. Er könnte möglicherweise verstärkt als Modellsystem genutzt werden und dadurch den „Bedarf“ an humanen embryonalen Stammzellen verringern, schreiben Ludovic Vallier aus dem britischen Cambridge und Ronald McKay aus Bethesda im US-Staat Maryland in Nature online. (Ärzte Zeitung, 28.06.2007) (mf)

Ausstieg aus embryonaler Stammzelltherapie

Eine der wenigen Firmen, die Therapien mit embryonalen Stammzellen auf den Markt bringen wollten, hat angekündigt, sich künftig auf die Produktion von Zellen für die Grundlagenforschung zu beschränken: Die Investoren hätten das Interesse verloren, weil „die Wahrscheinlichkeit, dass kurzfristig klinisch verwertbare Produkte hergestellt würden, verschwindend gering sei“, erklärte der ehemalige Geschäftsführer der in Singapur ansässigen Firma ES Cell International (ESI), Alan Colman. Die meisten der bei ESI beschäftigten Wissenschaftler haben angekündigt, in die staatlich finanzierte Grundlagenforschung zu wechseln. ESI war im Jahr 2000 mit dem Ziel gegründet worden, Forschungsergebnisse australischer, niederländischer und israelischer Universitäten sowie der Nationalen Universität von Singapur zu kommerzialisieren. Unter anderem versuchte ESI, Insulin-produzierende Zellen für die Diabetestherapie herzustellen. Allerdings wären für eine Therapie Billionen von Zellen pro Dosis und Patient nötig gewesen – es sei nahezu unmöglich und sehr teuer, so Colman, solche Mengen an Zellen in der erforderlichen Reinheit zu produzieren. Nach dem Ausstieg von ESI halten noch zwei US-amerikanische Unternehmen weiterhin an dem Versprechen fest, Therapien mit embryonalen Stammzellen in absehbarer Zeit zu produzieren: Geron Corporation in Kalifornien will nach eigenen Angaben Anfang 2008 mit klinischen Tests zur Behandlung von Rückgratsverletzungen beginnen. Advanced Cell Technology verspricht schon seit längerem ein Mittel gegen Makuladegenerationen. (Science, Band 317, 20.07.07) (mf)

Datenbank zu Stammzellen an der Charité

Eine europaweite Datenbank humaner embryonaler Stammzellen wird derzeit von der Charité Berlin gemeinsam mit dem Zentrum für Regenerative Medizin in Barcelona (Spanien) ausgebaut. Das Projekt wird von der EU mit rund einer Million Euro gefördert und durch das neu gegründete Berlin-Brandenburger Centrum für Regenerative Therapien (BCRT) koordiniert. Das Zentrum wird von der Charité und der Helmholtz-Gemeinschaft getragen. (Ärzte Zeitung 20.06.07) (mf) Pilotprojekt zur Organspende Um die Zahl der Organspenden zu steigern haben die Krankenhausgesellschaft Niedersachsen, die niedersächsische Landesregierung und die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) das „Netzwerk Organspende in Niedersachsen“ ins Leben gerufen. 14 Kliniken beteiligen sich an dem Projekt. Sie verpflichten sich, ein Jahr lang nach jedem Hirntod die Gründe für die verhinderte Spende auf einem Erhebungsbogen zu dokumentieren. Ausgewertet werden die so erhobenen Informationen von der DSO. In anderen Bundesländern ist dieses Verfahren nach Angaben der DSO bereits etabliert. Niedersachsen liegt bei der Zahl der Spenderorgane pro eine Million Einwohner weit unter dem Bundesdurchschnitt. (Ärzte Zeitung, 05.06.07; zu Bestrebungen, die Zahl der Organspenden zu erhöhen, siehe auch den Schwerpunkt von GID 182) (mf)

Artikel zum Menschenklonen

Für Diskussionen hat ein Artikel gesorgt, der von dem deutschen, in den USA tätigen Biologen Karl Illmensee in der Fachzeitschrift „Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie“ veröffentlicht worden ist. Darin beschreibt der langjährige Mitarbeiter des umstrittenen Klonforschers Panayiotis Zavos ein am Menschen durchgeführtes Klonexperiment, eine Technik des Embryosplittings, also der frühen Teilung eines Embryos, sowie eine Methode zur Herstellung von Embryonen mit Rindereizellen und menschlichen Zellkernen. Zavos betreibt ein Reproduktionszentrum im US-amerikanischen Kentucky und verkündigte 2004, er habe einer Frau einen geklonten Embryo übertragen. Besonders prekär: Die Zeitschrift, in der der Beitrag erschien, ist das offizielle Organ der Schweizerischen Gesellschaft für Reproduktionsmediziner, die zum Teil im Auftrag der Kantone auch die Kontrolle von Reproduktionskliniken durchführt. Obwohl alle der beschriebenen Techniken in der Schweiz verboten sind, druckte die Redaktion den Beitrag kommentarlos ab. Verschiedene Organisationen wie die Vereinigungen katholischer beziehungsweise evangelischer Ärzte fordern in einem offenen Brief eine Klarstellung und eine Distanzierung durch die Gesellschaft für Reproduktionsmedizin. (NZZ, 03.07.07) (mf)

Erschienen in
GID-Ausgabe
183
vom August 2007
Seite 32 - 35

GID-Redaktion

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