Rezension: Geschichte biologischer Wirkstoffe

Viele Medikamente leiten sich von Naturstoffen ab. Die Herkunft aus lebendigen Organismen spielt dabei eine besondere Rolle. Mit dem Begriff „Biologics“ oder „Biologika“ werden heute häufig Eiweiße mit körperlicher Wirkung bezeichnet, beispielsweise monoklonale Antikörper. Andere Definitionen rechnen aber auch Hormone, Vitamine, Antibiotika oder Impfstoffe zu den Biologika. Im 2013 erschienenen Sammelband Biologics gehen WissenschaftlerInnen die Geschichte dieser unterschiedlichen biologischen Stoffe an. Historisch betrachtet waren alle Arzneimittel natürlichen Ursprungs und wurden aus Mineralien, Pflanzen, Tieren oder auch aus menschlichen Materialien gewonnen. Die künstliche Herstellung neuer Substanzen, häufig auf der Basis von Kohle - und später Erdöl - , gewann im 19. Jahrhundert an Fahrt. Die Anforderungen an die Produktion waren neu und unterschieden sich von traditionellen Verfahren. Bei der Produktion biologischer Stoffe war und ist etwa die Standardisierung eine große Herausforderung. Natürliche Quellen spielten aber eine wichtige Rolle für bestimmte Produkte. Hormone etwa wurden zunächst noch großindustriell aus Harn gewonnen, andere Medikamente aus Schlachtabfällen. Wie sich die Erforschung, Herstellung und Anwendung von Medikamenten natürlicher Herkunft in den letzten hundert Jahren veränderte, untersuchen die AutorInnen mit drei Schwerpunkten: der Produktion von „Natur“, der Kommerzialisierung und der Frage nach Schadenskontrolle „biologischer Wirkstoffe“. Die anspruchsvollen Beiträge berühren dabei viele spannende Themen, richten sich aber vor allem an Fachleute: Pharmazeutisches und medizinisches Vorwissen ist bei der Lektüre hilfreich. Leider bleibt der Leserin beziehungsweise dem Leser überlassen, die verschiedenen inhaltlichen Stränge zusammenzuführen. Obwohl das Buch erklärtermaßen ein wissenschaftshistorisches Ziel verfolgt, wäre an manchen Stellen ein Brückenschlag zur Gegenwart sehr interessant. So wird heute noch in manchen medizinischen Schulen mit „Vitalstoffen“ argumentiert. Und in der Alternativmedizin gibt es immer noch Widerstand gegen Standardisierung. Historische Entwicklungen sind offensichtlich nicht zwangsläufig abgeschlossen.
Christian Wagner-Ahlfs
Alexander v. Schwerin, Heiko Stoff, Bettina Wahrig (Hrsg.): Biologics, A History of Agents Made from Living Organisms in the Twentieth Century, Pickering & Chatto London (2013), 260 Seiten, 99 US-Dollar, als eBook 28,90 Euro, ISBN: 978-1-8489-3430-6.

GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
222
vom April 2014
Seite 44