Biologische Sicherheitsforschung: nichts Neues?

Das Forschungsministerium veröffentlicht die Projekte zur Biologischen Sicherheitsforschung

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat ein neues Programm zur Erforschung der Risiken von gentechnisch veränderten Organismen aufgelegt. Es werden weitgehend alte Ideen an neuen Pflanzen ausprobiert.

Biologische Sicherheitsforschung lässt sich nicht in drei Jahren abhandeln, denn das Leben ist komplex und die Forschung braucht Zeit. Dies war eine wesentliche Erkenntnis des letzten Programms zur biologischen Sicherheitsforschung, das von 2001 bis 2004 durchgeführt wurde. In den neuen Projekten werden die Forschungsergebnissen jedoch kaum aufgegriffen.1 Im alten Programm ergaben sich Hinweise auf ungeklärte Effekte auf die Nahrungskette durch den gentechnisch veränderten (gv) Mais MON 810. Wolfgang Büchs von der Biologischen Bundesanstalt in Darmstadt hatte diese ausfindig gemacht.2 MON 810 scheint bei den Forschern jedoch aus der Mode gekommen zu sein. In der letzten Förderperiode noch gern genommenes Untersuchungsobjekt, findet er sich in den aktuellen Projekten nicht mehr wieder.

Sicherheitsforschung oder Produktentwicklung?

Umstritten war auch die Aufgabe im Rahmen der Sicherheitsforschung, Markergene aus den gentechnisch veränderten Pflanzen zu eliminieren. Doch in diese aufwändige und teils unpräzise Methode werden im neuen Programm erhebliche Mittel investiert. Gentechnisch veränderte Pflanzen bekommen zusätzlich zu dem Genkonstrukt mit der gewünschten Eigenschaft auch ein oder mehrere Gene für so genannte Selektionsmarker übertragen, damit im Labor Pflanzen mit und ohne gentechnische Veränderung unterschieden werden können. Dabei kamen - und kommen - in der Regel Antibiotikaresistenz-Gene zum Einsatz, die durch verschiedene Methoden später wieder eliminiert werden sollen. Antibiotika-Markergene wecken Sicherheitsbedenken, weshalb zum Beispiel in der Europäischen Union ein Großteil der Antibiotika-Marker nicht in der Pflanze auf dem Feld zu finden sein darf. Wir haben diese Art der Sicherheitsforschung bereits zu einem früheren Zeitpunkt als Produktentwicklung kritisiert.3 Um es in ein Bild zu bringen: Ein Auto muss sichere Bremsen haben. Wie der Autobauer diese entwickelt und welche Zwischenschritte er dafür benötigt, ist Sache des Unternehmers und nicht der Gesellschaft. Bei der Agrogentechnik dagegen, wird die Produktentwicklung, das bedeutet sicheres und einwandfreies Saatgut herzustellen, über Steuergelder als Sicherheitsforschung finanziert.

Kritik wurde nicht aufgegriffen

Auch unter der rot-grünen Bundesregierung hatte sich an der grundsätzlichen Ausrichtung der Sicherheitsforschung wenig geändert. Diese läuft seit 1987. So wurde weder die Kritik der Verbände an der wenig interdiziplinär ausgerichteten Ausschreibung (welche Forschung soll warum an welchen Pflanzen stattfinden?), an der Intransparenz bei der Vergabe der Projektgelder (welche Gutachter nach welchen Kriterien?), noch die einseitige Zuständigkeit für diesen Bereich aufgegriffen, die im Bundesforschungsministerium bei den Pflanzenzüchtern liegt. Eine aus verschiedensten Fachrichtungen zusammengesetzte Gruppe scheint insbesondere deshalb angeraten, da die Sicherheitsforschung sinnvollerweise nicht auf die Züchtung beschränkt werden kann. In anderen Bereichen gibt es beratende Gremien aus Verbänden (NGO), Wissenschaft und Wirtschaft, so zum Beispiel beim Bundesernährungs- und -landwirtschaftsministerium (BMELV) zum Pestizid-Reduktionsprogramm.

Wenig dialogbezogen

Auch die Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, wie die von der Firma „Genius” (Darmstadt) im Aufrage des BMBF koordinierte Internetseite „www.biosicherheit.de” bleibt erhalten. „Gleichzeitig wird der in diesem Förderschwerpunkt geschaffene professionelle Rahmen für die Kommunikation der Forschungsprojekte und Forschungsergebnisse fortgeführt, wodurch das gewonnene Wissen für die interessierte Öffentlichkeit zugänglich gemacht und die Zusammenarbeit zwischen Anwendern und Behörden verbessert werden soll.”(1) Dieser Kommunikationsansatz erscheint sehr wenig dialogbezogen – beziehungsweise er erscheint als ein sehr einseitig geführter Dialog - unter Ausschluss der Zivilgesellschaft, der Nichtregierungsorganisationen, ohne Bäuerinnen und Bauern und andere. Das gewonnene Wissen verdient mit den relevanten Gruppen in der Gesellschaft diskutiert zu werden. Dazu gehören eben auch die, die potentiell mit der Anwendung der neuen Technologie konfrontiert sind, zum Beispiel die Landwirte (ob konventionell, ökologisch oder mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) wirtschaftend) wie auch die Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutzverbände und kritische Wissenschaftler. Nur so können gegebenenfalls Bedenken ausgeräumt, weitere Sicherheitslücken und Forschungsinhalte identifiziert werden und nur so kann verantwortungsvoll mit einer neuen Technologie umgegangen werden. Eine kritische Diskussion der Ergebnisse oder gar des Forschungsdesigns, der Ausschreibung an sich und der anvisierten Projekte mit allen Stakeholdern ist nicht vorgesehen. „Kommunikationsmanagement” wird - nach derzeitigen Vorgaben aus dem Bundesforschungsministerium - von Genius - im top-down-Verfahren gemacht: in den nächsten drei Jahren für 1,8 Millionen Euro. Nach Genius-Angaben werden die neuen Projekte der jetzt angelaufenen Sicherheitsforschung im Frühjahr dieses Jahres auf www.biosicherheit.de vorgestellt (in Kürze auch in englischer Sprache verfügbar). Auch sind noch immer „[h]ypothesenunspezifische Untersuchungsansätze zu möglichen Auswirkungen gentechnisch veränderter Pflanzen auf Nahrungsketten, Artenvielfalt oder Lebensgemeinschaften sowie allgemeine Umweltbeobachtungen, in denen nach unbekannten und unerwarteten Auswirkungen gentechnisch veränderter Pflanzen gesucht wird, (...) nicht Gegenstand dieser Förderrichtlinien”.(1) Diese wären aber zwingend notwendig, verlangt doch die Umsetzung der EU-Freisetzungsrichtlinie die Anerkennung und den Vollzug des Vorsorgeprinzips. Dazu zählt, wie es die Richtlinie nennt, dass das Augenmerk gerade auf „kumulative langfristige Auswirkungen” gerichtet werden soll. Darunter können schwer abschätzbare, nicht erwartete und unspezifische Folgen zählen. Zudem soll ein Beobachtungsplan (Monitoring) durchgeführt werden, der eine überwachende Beobachtung auf unerwartete schädliche Auswirkungen und erforderlichenfalls eine (fall-)spezifische Überwachung vorsehen sollte. So soll nach dem Willen der EU-Gesetzgebung der Neuheit von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) Rechnung getragen werden. Das „Wie?” ist aber noch sehr umstritten, so dass es geboten ist, weiter an einem Methoden-System für das Monitoring zu forschen. Um dieser Aufgabe nachzukommen, wäre es zum Beispiel nötig, einerseits den Blick über die Ackerränder hinaus zu werfen und andererseits endlich Langzeitversuche zu etablieren. Dies ist nicht geplant.

Nicht zugelassene Pflanzen untersuchen

Wirklich neu dagegen ist, dass sich in Zukunft „[d]ie Forschungsansätze (...) auf gentechnisch veränderte Pflanzen beziehen [sollen], deren Anwendung in Deutschland erwartet wird beziehungsweise deren Freisetzung bereits erfolgt.” Ein Verbundvorhaben aus neun Teilprojekten beschäftigt sich mit transgenen Maissorten, die in der EU noch gar nicht zum Anbau genehmigt sind. Gentechnisch veränderter Mais auf der Basis der gentechnischen Veränderung MON 863 - einer Veränderung, die den gv-Mais gegen den Maiswurzelbohrer schützen soll - ist in Europa allerdings hoch umstritten, da Fütterungsstudien an Ratten deutliche klinische Veränderungen der Blut- und Organwerte offenbart hatten.4 „Forschungsprojekte sollen, wo immer dies möglich und relevant ist, den Vergleich von gentechnisch veränderten Pflanzen mit nicht gentechnisch veränderten Pflanzen und mit traditionellen Agrartechniken einschließen. Quantitativen Aussagen kommt in diesem Zusammenhang eine hohe Bedeutung zu.”, heißt es in der Förderrichtlinie.(1) Auch an diesem Punkt bleibt die Projekt-Konzeption durch das Bundesforschungsministerium hinter den gesellschaftlichen Vereinbarungen zurück. Das Leitbild der Bundesregierung für Nachhaltigkeit sollte als Norm tatsächlich auch die nachhaltige Landwirtschaft und Landnutzung setzen. Diese geht weit über „traditionelle Agrartechniken” hinaus. Würde sich biologische Sicherheitsforschung der Norm einer nachhaltigen und ökologischen Landwirtschaft stellen müssen, die Förderrichtlinie und somit die biologische Sicherheitsforschung sähe völlig anders aus.

  • 1Bundesministerium für Bildung und Forschung: Bekanntmachung der Förderrichtlinien „Biologische Sicherheit gentechnisch veränderter Pflanzen” im Rahmenprogramm „Biotechnologie – Chancen nutzen und gestalten” vom 1. Dezember 2003.
  • 2www.biosicherheit.de
  • 3Gen-ethischer Informationsdienst (GID), Februar/März 2005.
  • 4siehe zum Beispiel: www.greenpeace.de/fileadmin/gpd/user_upload/theme…

Biologische Sicherheitsforschung 2005 bis 2008 (1)

Das BMBF fördert die biologische Sicherheitsforschung an Pflanzen von 2005 bis 2008 mit einer Gesamtsumme von etwa zehn Millionen Euro, verteilt auf 24 Projekte. In den Forschungsvorhaben arbeiten Universitäten und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen (auch Bundesforschungsanstalten) in Verbünden - zum Teil in den Projekten - zusammen. Auch Unternehmen der privatwirtschaftlichen Wirtschaft können Zuwendungsempfänger sein, sie müssen in der Regel einen Eigenanteil von 50 Prozent erbringen.(2)

Die Projekte:

• Optimierung der biologischen Sicherheit transgener Pflanzen Unter dieser Überschrift werden fast ausschließlich Projekte zusammengefasst, die sich mit der Eliminierung von Markergenen beschäftigen. Die Pflanzen der Untersuchungen reichen von Raps und Zuckerrübe über die Weinrebe bis zu Getreide. Hinzu kommen Projekte, die Methoden für die zielgenaue Integration der Transgene entwickeln sollen. Damit bestätigen die SicherheitsforscherInnen, dass die ungenaue Integration ein Problem für die biologische Sicherheit ist. Ungenaue Integration führt in den Pflanzen zu nicht erwünschten und nicht vorhersehbaren Effekten, da die Funktion anderer Gene beeinflusst wird.
• Zur biologischen Sicherheit von gentechnisch verändertem Getreide Speziell an gentechnisch verändertem Getreide sollen die Auswirkungen von Pilzresistenz-Genen auf die sonstigen Inhaltsstoffe der Pflanzen und auf mit den Pflanzen assoziierte Pilze untersucht werden. Zudem soll der Frage nachgegangen werden, ob und wie sich die transgenen Pflanzen auf „nützliche pilzliche Mikroorganismen auswirken”.
• Biologische Sicherheit nutzbarer transgener Gehölze Zu gentechnisch veränderten Gehölzen soll auf der Basis von Modelllierungen untersucht werden, inwieweit Genfluss „in der realen Landschaft” und der horizontale Gentransfer auf Bakterien stattfindet. Außerdem wird der Einfluss der gentechnischen Veränderung auf Symbiosen von gv-Apfelbäumen mit Mikroorganismen untersucht.
• Freisetzungsbegleitende Sicherheitsforschung transgener Maissorten mit neuen Bt-Genen In dieser Gruppe von Projekten wird zur Grundlage gemacht, dass bisher nicht in Europa zugelassene Bt-Maissorten, denen die gentechnische Veränderung eine Resistenz gegen den Maiswurzelbohrer vermitteln soll, in Zukunft zugelassen und angebaut werden. Die Sorten produzieren ein Insekten-giftiges Protein aus einem ursprünglich bodenlebenden Bakterium. Der Maiswurzelbohrer ist derzeit in Deutschland kein Schädling. Die Sicherheitsforschung umfasst auch Prüfungen zum späteren Resistenzmanagement, das heißt das Ziel, Resistenzen zu vermeiden.
• Einfluss des Anbaus transgener Kartoffeln auf die Qualität von landwirtschaftlich genutzten Böden Die Untersuchungen richten sich in erster Linie auf die Frage, wie der Anbau auf die Bodenmikroflora wirkt. • Integration landwirtschaftlicher, ökologischer und biometrischer Aspekte zu einer praktikablen Methodik der Flächenauswahl und Datenerhebung für das Anbau begleitende Monitoring Hierbei handelt es sich um eines von nur wenigen Projekten, die an der Methodik für einen zukünftigen Beobachtungsplan forschen. In eine praktikable Methode zur Flächenauswahl sollen landwirtschaftliche, ökologische und biometrische Aspekte integriert werden. Hinter der Vokabel „praktikabel” kann bereits die Zielrichtung geahnt werden, in die dieser Ansatz laufen soll. In den Diskussionen der vergangenen Jahre um den Umfang des Beobachtungsplans steht sie für eine lasche Umsetzung des Vorsorgeprinzips, das heißt, nur wenige Fragen werden zum Inhalt des Plans.
• Kommunikationsmanagement in der biologischen Sicherheitsforschung
(Steffi Ober und Christof Potthof)
Fußnoten: (1)„Biologische Sicherheit gentechnisch veränderter Pflanzen” im Rahmenprogramm „Biotechnologie - Chancen nutzen und gestalten” - Bekanntmachung der Förderrichtlinien. Die Projekteliste mit Zuwendungsempfängern im Netz unter: www.bmbf.de/pub/projektliste_biologische_sicherhe…. (2) „BMBF fördert Sicherheitsforschung in der grünen Gentechnik”, Pressemitteilung des BMBF vom 27.06.2005, im Netz unter: www.bmbf.de.

GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
174
vom Februar 2006
Seite 15 - 18

Christof Potthof war bis Ende April 2020 Mitarbeiter im GeN und Redakteur des GID.

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Dr. Steffi Ober ist Gentechnik-Referentin des NABU-Bundesverbandes.

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Biologische Sicherheitsforschung

(Auszug aus dem Orginaltext der Ausschreibung) „Was wird gefördert? Die Förderung von Projekten zur „Biologischen Sicherheit gentechnisch veränderter Pflanzen” hat zum Ziel, die Sicherheit gentechnisch veränderter Pflanzen zu erhöhen, Sicherheitsforschung zur Begleitung von Freilandversuchen mit gentechnisch veränderten Pflanzen durchzuführen sowie den methodischen Ansatz für das anbaubegleitende Monitoring zu verbessern. Die Erweiterung des Wissens über das Verhalten gentechnisch veränderter Pflanzen unter Freilandbedingungen und die Beobachtung der Auswirkungen ihrer Anwendungen sind Gebote einer verantwortlichen, am Vorsorgeprinzip orientierten Nutzung der neuen Technik. Das begleitende Kommunikationsmanagement soll den Diskurs über die Grüne Gentechnik auch in Zukunft voranbringen.” Quelle: www.fz-juelich.de/ptj/index.php?index=477