Gentechnik als vermeintliche Goldader
Sinkende Aktienkurse von Gentechnik-Unternehmen
Trotz hoher Investitionen und großer Versprechen scheitern viele gentechnische Projekte im Agrarbereich. Selbst die gefeierte CRISPR-Cas-Methode hat bisher kaum marktfähige Ergebnisse geliefert. Beginnen Investor*innen, an der Rentabilität dieser Technologien zu zweifeln?
Die Aktie von Cibus zeigt einen fulminanten Absturz. Foto: Screenshot Google Finanzen CBUS NASDAQ
Bei Investitionen in technische Neuerungen scheinen die Gelder oft unerschöpflich. Der Hype dominiert die Vernunft und die Aussicht auf eine rentable Geldanlage versetzt Investor*innen regelrecht in einen Rausch. Der Börsenwert wird in die Höhe getrieben, bis er nur kurze Zeit später wieder am Boden der Tatsachen aufschlägt und wertlos in der Bedeutungslosigkeit verschwindet. Etwas misstrauisch wird nicht mehr jedem Wort von Erfolg Glauben geschenkt. Aber ist die Masche von Gentech-Firmen, mit intransparenten Projekten zu werben, die dann sang- und klanglos wieder aus dem Portfolio verschwinden, wirklich nicht mehr up to date?
Die ersten gentechnisch veränderten Pflanzen, die durch Transgenese hergestellt wurden, waren Sojabohnen, Mais, Baumwolle und Raps, welche eine Herbizidresistenz haben oder Insektizide produzieren. Sie dominieren seit den 1990er Jahren bis heute den globalen Saatgutmarkt. Die großen Versprechungen, wie die Bekämpfung des Hungers und die Erhaltung der Artenvielfalt, konnten mit ihnen nicht eingehalten werden. Im ersten Jahrzehnt der 2000er Jahre war daher ein „Imagewandel“ notwendig. Durch neue molekularbiologische Verfahren, die als sogenanntes Genome Editing bezeichnet werden, eröffneten sich neue Wege in der Gentechnik und bzgl. ihrer Vermarktung. Doch nach über zwölf Jahren, seit ihrer offiziellen Lancierung 2012, hat die meistgelobte gentechnische Methode, CRISPR-Cas, im landwirtschaftlichen Bereich noch weniger geliefert als die älteren Methoden der Transgenese im vergleichbaren Zeitraum – nämlich praktisch nichts, das am Saatgutmarkt Bestand hat. Und dies, obwohl es Tausende von Entwicklungs- und Forschungsprojekten weltweit dazu gab und weiterhin gibt.1
Erste Anzeichen für ein Bröckeln des Hypes?
Ein Abflauen des Investitions-Hypes auf fragwürdige und oft scheiternde Gentechnikprojekte könnte jedoch aktuell von ganz unerwarteter Seite angestoßen werden. Während ein unzureichendes Grundlagenverständnis von Vererbung, Evolution und dem Funktionieren von Organismen im Umweltzusammenhang in der Finanzbranche existiert, deutet sich eventuell an, dass einige Investor*innen nach Jahren der unerfüllten Versprechen nun doch ins Grübeln kommen. Im Zusammenhang mit der fusionierten Firma Cibus werden überraschend seit diesem Sommer 2024 mehrere Sammelklagen in den USA vorbereitet.2, 3 Den Stein ins Rollen brachte ein Bericht der Firma Bonitas Research, die sich das Geschäftsmodell und den Leistungsausweis sowohl der alten als auch der neuen fusionierten Firma Cibus, Inc. genauer angesehen hat und zu einem vernichtenden Urteil gekommen ist.4 So schreiben die Autor*innen, dass sie festgestellt haben, „dass Cibus in der Vergangenheit eine Reihe gescheiterter Produkte auf den Markt gebracht hat, die keine nennenswerten Einnahmen brachten”. Weiter sind die Autor*innen der Meinung, dass die Anleger*innen „von einem Werbemanagementteam überlistet wurden über eine überbewertete Technologie, die zuvor von einigen der weltweit größten Saatguthersteller und -händler erprobt wurde und gescheitert ist, ..... Angesichts der geringen/keinen Einnahmen aus der Technologie sind wir für CIBUS eine Short-Position und glauben, dass die Aktie deutlich in Richtung Null fallen wird.“ In der Tat wird die Aktie von Cibus, Stand 11. Oktober 2024, für unter vier USD gehandelt – ein fulminanter Absturz von fast 1.400 USD noch im Jahr 2017.5 Dieser Aktienverlauf war keine Ausnahme. Auch andere Gentech-Firmen weisen einen ähnlichen Verlauf auf, so zum Beispiel auch Intrexon/Precigen, die bis 2020 mehrere Gentech-Firmen aufgekauft hatten (Oxitec, Okanagan, etc.), von denen keine je mit profitablen Produkten auf den Markt gekommen ist. Seit 2020 werden diese von einer Risikokapitalfirma namens Third Security gehalten und nicht mehr an der Börse gehandelt. Dazu gehört auch die Firma GreenVenus, die sich auf das Knock-out von Genen spezialisiert hat.2
Gescheiterte kommerzielle genomeditierte Pflanzen
Nach jahrelanger Entwicklungszeit lancierte Cibus ihre genomeditierten Rapssorten vor fünf Jahren unter einer neuen Saatgutmarke namens Falco. Heute sind sie von der aktualisierten Liste des schweizerischen BAFU verschwunden und auch auf der aktuellen Cibus-Webseite finden sie keinerlei Erwähnung mehr. Stattdessen scheint Cibus an einem neuen herbizidresistenten Raps (HT2) zu arbeiten, mittels anderer Gentechniken. Über den Verbleib der vorigen genomeditierten herbizidtoleranten (HT) Rapssorten konnten keinerlei Daten gefunden werden. Dieser Fall ist insofern bezeichnend, als er ahnen lässt, was die Zukunft bringen wird, wenn die Deregulierungspläne der EU Erfolg haben.
Genomeditierte Sojabohne der Firma Calyxt
Die Firma brachte 2019/20 ihr erstes Produkt auf den Markt: eine gv-Soja mit verändertem Ölsäuregehalt. Das Sojabohnenöl sollte als Premium-Öl im Foodservice-Bereich vermarktet werden.6 Kaum ein Jahr später, im Dezember 2020, verkündete die Firma: „Nach fast zwei Jahren unrentablen Betriebs beschloss Calyxt, seine Bemühungen um die Vermarktung des HOS (high oleic soybean) Öls aufzugeben“.7 Die Sojabohne lieferte schlicht nicht die Erträge und fiel im Anbau hinter den Erwartungen der Landwirt*innen zurück. Doch es kam noch schlimmer für Calyxt: Im August 2022 teilte das Unternehmen in einer Wertpapieranmeldung mit, „dass die Geschäftsleitung zu dem Schluss gekommen ist, dass erhebliche Zweifel an der Fortführung des Unternehmens bestehen. Calyxt verfügte Ende Juni über 11,9 Mio. US-Dollar an Barmitteln, genug, um bis Anfang 2023 zu überleben, rechnet aber mit Verlusten für mehrere Jahre und würde zusätzliches Kapital benötigen“.8 Die Suche nach Investor*innen war eröffnet und es drohte die Pleite. Die Lösung war schließlich im Jahr 2023 die Fusion der beiden Firmen, die mit den ersten kommerziellen genomeditierten Pflanzen auf den Markt gingen und scheiterten: Calyxt und Cibus.9 Die fusionierte Firma Cibus, Inc. ist unbeirrt mit vollmundigen Ankündigungen und Produktversprechen auf der Jagd nach Investor*innen und Kund*innen. Inzwischen will man aber nur noch Traits produzieren, also Merkmale. Damit sind patentierte DNS-Sequenzen gemeint, denen man bestimmte Merkmale/Funktionen zuschreibt, losgelöst vom biologischen Kontext, die andere (Saatgut-)Firmen kaufen und beliebig in Pflanzen einbauen können. Allerdings scheinen Anleger*innen und Aktienhändler*innen dieser Vision bislang nicht so recht zu glauben.
EU-Deregulierung – Unternehmen profitieren auf Kosten anderer
Dem US-amerikanischen Vorbild folgend, ist die Europäische Kommission im Einklang mit ihrer Europäischen Agentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA) wild entschlossen, die bisherigen regulatorischen Anforderungen für den Nachweis der Sicherheit und Wirksamkeit von gentechnisch veränderten Organismen, die mit Hilfe dieser neuen Genomeditierungstechniken geschaffen wurden, nahezu abzuschaffen. Die Hoffnung ist, dass europäische Firmen dann ebenfalls am Biotech-Hype mitverdienen können, wie ihre US-Konkurrenz, sobald diese regulatorischen „Hürden“ beseitigt sind. Sobald die Pläne der EU zur Deregulierung umgesetzt sind, wird niemand mehr wissen, wo und was auf dem Feld angebaut wird, was vom Markt genommen oder verkauft wurde (keine Nachweismethoden, keine Überwachung und keine Rückverfolgbarkeit möglich und damit auch keine Haftung). Das Risiko tragen dann allein die Konsument*innen.
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Modrzejewski, D. et al. (2019): What is the available evidence for the range of applications of genome-editing as a new tool for plant trait modification and the potential occurrence of associated off-target effects: a systematic map. In: Environmental Evidence, Volume 8, Article number 27, www.doi.org/10.1186/s13750-019-0171-5
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Pomerantz LLP (24.07.2024): SHAREHOLDER ALERT: Pomerantz Law Firm Investigates Claims On Behalf of Investors of Cibus, Inc. – CBUS. Online: www.kurzlinks.de/gid271-ra [Letzter Zugriff: 01.10.24]
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Levi & Korsinsky, LLP (20.07.2024): An Investigation Has Commenced on Behalf of Cibus, Inc. Shareholders. Contact Levi & Korsinsky to Discuss your CBUS Losses. Online: www.kurzlinks.de/gid271-rb [Letzter Zugriff: 01.10.24]
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Bonitas Research (04.06.2024): Cibus – $CBUS – Latest Idea. Online: www.bonitasresearch.com [Letzter Zugriff: 01.10.24]
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Bonitas Research (04.06.2024): Bonitas Research Cibus Inc. Online: www.kurzlinks.de/gid271-rg [Letzter Zugriff: 01.10.24]
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Investor Call Details (07.05.2019): Calyxt Report 1st Quarter Financial Results. Online: www.kurzlinks.de/gid271-rc [Letzter Zugriff: 01.10.24]
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Issa, B. (10.12.2020): Calyxt To Exit Farming Operations And Focus On Seed Science. Online: www.kurzlinks.de/gid271-rd [Letzter Zugriff: 01.10.24]
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United States Securities and exchange commission (04.08.2022): Calyxt, Inc. Online: www.kurzlinks.de/gid271-re [Letzter Zugriff: 01.10.24]
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Calyxt, Inc.; Cibus (17.01.2023): Calyxt and Cibus Announce Definitive Merger Agreement to Create Industry-Leading Precision Gene Editing and Trait Licensing Company. Online: www.kurzlinks.de/gid271-rf [Letzter Zugriff: 01.10.24]
Angelika Hilbeck ist Wissenschaftlerin am Institut für Integrative Biologie der ETH Zürich. Sie ist im Vorstand von ENSSER, dem European Network of Scientists for Social and Ecological Responsibility. Hilbeck forscht seit Mitte der 1990er-Jahre über die Folgen des Anbaus von gentechnisch veränderten Pflanzen.
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