Alles in Butter?

In deutschen Lebensmittelgeschäften sind zunehmend Produkte zu finden, die gentechnisch veränderte (gv) Bestandteile enthalten. Untersuchungen in fünf Bundesländern ergaben: Jedes vierte sojahaltige Nahrungsmittel enthält gv-Soja.

Die jährliche Untersuchung der Lebensmittelüberwachungsbehörden der Bundesländer bringt es zutage: Gentechnisch veränderte Organismen (GVO) werden zunehmend in der Lebensmittelproduktion eingesetzt. Deren Anteil im Endprodukt liegt jedoch in der Regel unter der Kennzeichnungsschwelle von 0,9 Prozent pro Zutat - und dies aus gutem Grunde: Verbraucher wollen, wie Umfragen immer wieder zeigen, keine Gentechnik auf ihrem Teller. Lebensmittelhersteller fürchten daher um ihre Umsätze und sind deshalb bemüht, eine Kennzeichnung ihrer Produkte zu vermeiden. Sie verändern lieber ihre Rezepturen, um den Anteil an GVO unter 0,9 Prozent zu halten. Also "alles in Butter"?

Kaum Verstöße festgestellt

Die Verbraucher-Initiative, die in ihrem Internet-Portal (www.transgen.de) die bisherigen Ergebnisse der Lebensmittelüberwachungsbehörden für das Jahr 2005 zusammengefasst hat, ist jedenfalls zufrieden: Verstöße gegen die Kennzeichnungspflicht seien in den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Baden-Württemberg und Bayern sowie in Bremen und Berlin nur bei knapp einem Prozent der untersuchten Proben vorgekommen. Bei den betreffenden Produkten habe es sich fast ausschließlich um Importware gehandelt. Mit Bedauern wird jedoch festgestellt, dass das bundesweite Sortiment mit einigen wenigen Ausnahmen - wie dem schon legendären "Butterfinger" der Firma Nestlé - "kennzeichnungsfrei" bleibe - ein Nachteil, den die Verbraucherinnen und Verbraucher nach Ansicht der Verbraucher-Initiative "Kritiker-Gruppen" zu verdanken haben, "die Supermärkte nach gekennzeichneten Produkten durchsuchen, um sie spektakulär an den Pranger zu stellen". Dies Bedauern verwundert nicht, wenn man bedenkt, dass das Internet-Portal - wie ein Blick ins Impressum zeigt - von Bayer, BASF, Dow Chemical, Monsanto, Du Pont/Pioneer Hi-Bred und Syngenta finanziert wird.

Wer kontrolliert?

In Deutschland sind die einzelnen Bundesländer für die Überwachung von GVO und der daraus hergestellten Produkte - also auch der Kennzeichnungsvorschriften verantwortlich. Sie regeln die Durchführung der amtlichen Lebensmittelüberwachung selbst. Daher ist diese in den verschiedenen Bundesländern nicht übereinstimmend organisiert. Beispielsweise gibt es kein einheitliches Vorgehen in der Auswahl der Produkte sowie der Anzahl von Proben, was vielleicht auch die großen Unterschiede der Ergebnisse in den verschiedenen Bundesländern erklärt: In Bayern beispielsweise wurden im Jahr 2005 387 sojahaltige Produkte getestet, 136 (35 Prozent) enthielten gentechnisch veränderte Bestandteile. In Berlin wurden im gleichen Zeitraum 218 Produkte mit Soja-Anteil untersucht, hier wurde man nur bei neun Proben (4 Prozent) fündig. In Bremen hingegen beschränkten die Kontrolleure ihre Untersuchungen - wie schon im Jahre 2004 - ausschließlich auf Maisprodukte (speziell Popkornmais), sojahaltige Produkte wurden dort also überhaupt nicht getestet.

Immer zufällig und unvermeidbar?

Im Jahresbericht des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) (1) heißt es, dass von den 136 Proben, in denen gv-Soja gefunden werden konnte, 17,6 Prozent (24) einen GVO-Anteil zwischen 0,1 und 0,9 Prozent enthielten. Nach geltendem EU-Recht sind auch Produkte, die Anteile (von zugelassenen GVO) unterhalb des Grenzwertes von 0,9 Prozent pro Zutat enthalten, kennzeichnungspflichtig, außer wenn es sich dabei um "zufällige, technisch unvermeidbare" GVO-Einträge handelt. Der Inverkehrbringer eines solchen Produktes muss dies bei einer Einzelfallprüfung "überzeugend darlegen" können. Bis heute existiert jedoch keine handhabbare Definition dieser "Zufälligkeit" und "Unvermeidbarkeit". Bei weiteren 14 Proben (10,3 Prozent) war laut LGL eine Quantifizierung gar nicht möglich, da "aufgrund des hohen Verarbeitungsgrades der Produkte zu wenig geeignete Soja-DNA aus den Lebensmittelproben isolierbar war".

Bio mit Gentechnik

Die Untersuchungen des LGL ergaben zudem, dass auch bei Bio-Lebensmitteln die Anzahl der gv-Befunde über die letzten Jahre hin zugenommen hat. Bei neun Prozent der 2005 untersuchten soja- und maishaltigen Produkte konnten GVO-Anteile im "Spurenbereich", das heißt unter 0,1 Prozent, nachgewiesen werden. 2004 waren davon erst drei Prozent der Bio-Proben betroffen.

Was wird kontrolliert?

Die amtlichen Lebensmittelüberwachungen der Länder untersuchen - je nach Bundesland in unterschiedlichster Gewichtung - hauptsächlich soja- und maishaltige Produkte auf GVO-Bestandteile. Darunter fallen Sojamehle, -granulate, -flocken, -schnetzel, -schrot, Fertiggerichte mit Fleischersatz aus Soja, Tofu, Babynahrung und sojahaltige Getränke, bei den maishaltigen Lebensmitteln Maismehle, -grieße, Cornflakes und Maischips. Dazu kommen noch - in weitaus geringerem Umfang - Lebensmittel wie Papayas, Raps und Raps-Kuchen aus Ölmühlen, Milch, Tomatenprodukte, Senf- und Mungobohnen-Erzeugnisse - und auch Reis. Wie der diesjährige Skandal um die Kontamination von Lebensmitteln mit dem nicht zugelassenen gv-Reis LL601 zeigt (siehe Artikel “Reis-Kontamination: Glück im Unglück?” von Antje Lorch in diesem Heft), können Anteile eines speziellen GVO in Nahrungsmitteln aber nur dann von den Kontrollbehörden aufgespürt werden, wenn diesen bekannt ist, wonach überhaupt gesucht werden soll. Die Anzahl der vorhandenen GVO weltweit - von denen nur ein Bruchteil für die Produktion von Lebens- und Futtermitteln in der EU zugelassen werden - steigt jedoch stetig an. Für gewöhnlich beschränkt sich die amtliche Lebensmittelüberwachung bei ihren Nachforschungen auf diese zugelassenen GVO. Auch Produkte, die aus GVO hergestellt wurden, bei denen das gentechnisch veränderte Material im Endprodukt aber nicht mehr nachweisbar ist, müssen laut Verordnung über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel (EG/1829/03) gekennzeichnet werden. In diesen Fällen kann eine Kennzeichnungspflicht nur noch durch Betriebskontrollen überprüft werden. Von der amtlichen Lebensmittelüberwachung werden dann beispielsweise Proben von Rohstoffen und Ausgangsmaterialien genommen sowie Begleitdokumente der Waren kontrolliert. Eier, Milch und Fleisch von Tieren, die mit GVO gefüttert wurden, müssen nicht als genetisch verändert gekennzeichnet werden. Auch bei Zusatzstoffen, Vitaminen und Enzymen, die mit transgenen Mikroorganismen in sogenannten Bioreaktoren (2) produziert werden, findet die Kennzeichnungspflicht keine Anwendung - infolgedessen werden hier natürlich auch keine Kontrollen durchgeführt.

Nachweisverfahren

Lebens- wie auch Futtermittel werden in Laboren, die von den amtlichen Lebensmittelüberwachungen der Länder beauftragt werden, auf das Vorhandensein von gv-Bestandteilen untersucht. Dabei werden molekularbiologische Methoden, vor allem Verfahren der so genannten Real-Time PCR (Polymerase Chain Reaction) eingesetzt. Um diese PCR-basierenden Verfahren überhaupt entwickeln zu können, muss die gesuchte DNA-Sequenz bekannt sein und Referenzmaterial des GVO muss zur Verfügung stehen. Für in der EU nicht zugelassene GVO sind in der Regel jedoch keine Referenzmaterialien verfügbar, da die Hersteller dieser GVO diese ja nur im Verlauf eines Zulassungsverfahrens bereitstellen müssen (siehe Kasten). So wurde die Nachweismethode sowie Referenzmaterialien für den gv-Mais Bt10 von der schweizerischen Herstellerfirma Syngenta erst dann zur Verfügung gestellt, nachdem die Europäische Kommission von den US-Behörden im Jahr 2005 über das versehentliche Inverkehrbringen dieser eigentlich nur zu Forschungszwecken entwickelten Bt10-Maissorte informiert worden war. Bis zu diesem Zeitpunkt war dieser schon über einen Zeitraum von vier Jahren in Verkehr gebracht worden, ohne von irgendeiner Kontrollbehörde entdeckt worden zu sein. Man geht davon aus, dass so mehr als einhunderttausend Tonnen nicht genehmigter Ware auf den Markt gekommen sein könnten. Aber damit noch nicht genug: Es wurden auch Zweifel an der Zuverlässigkeit des von Syngenta bereitgestellten Testverfahrens laut.(3)

Kontrollbehörden überfordert?

Sicher, das Spektrum an Aufgaben der Kontrollbehörden ist breit - und aus dem Skandal um das "Gammelfleisch" in diesem Jahr kann durchaus der Eindruck entstehen, dass sie mit den anstehenden Kontrollen überfordert sind. Damit die Behörden aber ihrer Aufgabe überhaupt sachgemäß nachkommen können ist die Bereitstellung von Referenzmaterial in ausreichender Menge und Qualität als Minimalforderung anzusehen. Dieses muss von jedem GVO, der an irgendeinem Ort der Welt freigesetzt worden ist, bei staatlichen Stellen vorliegen und auf entsprechende Nachfragen unkompliziert bereitgestellt werden. Zudem ist es wichtig, dass die Formel "zufälliges und technisch nicht zu vermeidendes Vorhandensein von genetisch veränderten Lebensmitteln und Futtermitteln" mit Substanz gefüllt wird, damit sich der Grenzwert von 0,9 Prozent nicht zu einer Verunreinigungstoleranz entwickelt. Denn diese hätte zwangsläufig zur Folge, dass dieser Grenzwert im Laufe der Zeit immer weiter erhöht werden müsste... Verbraucherinnen und Verbraucher müssen wissen können, was auf ihren Tellern landet. Spätestens der Genreis-Skandal sollte deutlich gemacht haben, dass im Bereich Lebensmittelüberwachung nicht sorgfältig genug vorgegangen werden kann.

GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
178
vom Oktober 2006
Seite 15 - 17

Theresia Scheierling ist Redakteurin beim Gen-ethischen Informationsdienst (GID).

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Referenzmaterialien

In der Europäischen Union wird das Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Lebensmitteln und Futtermitteln unter anderem unter der Voraussetzung genehmigt, dass eine vom Gemeinschaftlichen Referenzlabor (Community Reference Laboratory, CRL) der Gemeinsamen Forschungsstelle (Joint Research Center, JRC) der Europäischen Union validierte Methode zum Nachweis der gentechnischen Veränderung vorliegt. Die Methodenprotokolle sowie Referenzmaterialien werden von den Antragstellern im Verlauf des Zulassungsverfahrens eingereicht. Das CRL validiert unter Beteiligung des Europäischen Netzwerks von GVO-Laboratorien (European Network of GMO Laboratories, ENGL) die eingereichten Methoden und veröffentlicht auf seiner Internetseite das Ergebnis der Validierung sowie das validierte Protokoll. Quelle: Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, www.bvl.bund.de

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