Ungelöste Fragen - Uneingelöste Versprechen
10 Argumente gegen die Nutzung von gentechnisch veränderten Pflanzen in Landwirtschaft und Ernährung - Ein gemeinsames Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft der Umweltbeauftragten der evangelischen Kirchen in Deutschland (AGU), der Arbeitsgemeinschaft der Umweltbeauftragten der deutschen Diözesen, dem Ausschuss für den Dienst auf dem Lande in der Evangelischen Kirche in Deutschland (ADL) und der Katholischen Landvolkbewegung (KLB).
Die Arbeitsgemeinschaften der Umweltbeauftragten der evangelischen Landeskirchen und der katholischen Diözesen in Deutschland wissen sich mit den anderen Unterzeichnenden dem biblischen Schöpfungsauftrag des Bebauens und Bewahrens der Erde verpflichtet. Sie beobachten daher seit Jahren intensiv die Entwicklung der sogenannten Grünen Gentechnik. Die bevorstehende Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen in der europäischen Landwirtschaft nehmen die kirchlichen Umweltbeauftragten zum Anlass, auf die Gefahren und Fehleinschätzungen dieser Technik hinzuweisen. Die Ehrfurcht vor dem von Gott geschaffenen Leben hat Vorrang vor dem technisch Machbaren! Auf der Grundlage der folgenden zehn Argumente lehnen die Unterzeichner den Anbau und die Verarbeitung gentechnisch veränderter Pflanzen ab. Sie verbinden dies mit Empfehlungen an politische Entscheidungsträger und an Kirchengemeinden.
Verbraucherautonomie in Gefahr
Durch neue EU-Verordnungen werden Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit gentechnisch veränderter Produkte in der gesamten Kette der Erzeugung und Verarbeitung von Nahrungsmitteln geregelt. Hierdurch erhalten Verbraucherinnen und Verbraucher die Möglichkeit, sich bewusst für oder gegen gentechnisch veränderte Produkte zu entscheiden. Wenn es jedoch zu der befürchteten schleichenden Vermischung konventioneller mit gentechnisch veränderten Produkten kommt, so wird die dadurch gewonnene Entscheidungsmöglichkeit wieder zunichte gemacht.
Gesundheitsrisiken beim Verzehr
Es besteht die Gefahr, dass durch die gentechnischen Veränderungen in den Pflanzenzellen zusätzliche Eiweißstoffe produziert werden, die zu Veränderungen in der Verträglichkeit der Erzeugnisse führen und Ursache für das Auftreten neuartiger Allergien sind. Neue allergieauslösende Substanzen konnten bisher in den Zulassungsprüfungen von gentechnisch veränderten Lebensmitteln verhindert werden, sind aber nicht vollständig auszuschließen. Durch das Einfügen von zusätzlichen Genen in den vorhandenen Bauplan des Pflanzengenoms kann es aber auch zu unvorhersehbaren sogenannten Positionseffekten kommen, indem die Wirkung vorhandener Gene gestört oder verändert wird.
Ökologische Risiken beim Anbau
Mit dem Anbau von Pflanzen, die entweder widerstandsfähig gegen die Wirkung von Pflanzenschutzmitteln gemacht worden sind (Herbizidresistenz), oder die selbst Giftstoffe gegen Insekten produzieren (Insektenresistenz), gehen ökologische Risiken einher, deren Ausmaß und Folgen erst langfristig angemessen beurteilt werden können. So gibt es erste Hinweise auf das Auftreten widerstandsfähiger Unkräuter bzw. Insekten und auf negative Auswirkungen auf die Mikroorganismen des Bodens.
Gefahr für die Artenvielfalt
Durch den Anbau von herbizidresistenten oder insektenresistenten Pflanzen finden Eingriffe in die Nahrungskette und die Artenvielfalt im Ökosystem Acker statt, deren Tragweite für die Landwirtschaft bisher schwer abzuschätzen ist. Natürliche ökologische Gleichgewichte zwischen Schädlingen und Nützlingen werden gestört. Zusätzliche Gefahren gehen von der Gen-Erosion durch die extreme Homogenität des Saatguts und dem großflächigen Anbau aus.
Gentechnik fördert den Konzentrationsprozess in der Landwirtschaft
Die bisher in Anwendung befindlichen Konzepte gentechnisch veränderter Pflanzen sind nicht für die Bedürfnisse einer bäuerlichen Landwirtschaft ausgelegt. Die globale Ausbreitung der einzelnen Techniken der Grünen Gentechnik heizt den weltweiten Konkurrenzkampf unter den Landwirten an und gefährdet die Existenz und die Marktfähigkeit von lokal angepassten, standortgerechten Landbausystemen.
Gefahr für die gentechnikfreie Landwirtschaft
Die unkontrollierbare Ausbreitung gentechnisch veränderter Pflanzen macht eine neutrale Koexistenz zwischen Landwirten, die gentechnisch veränderte Pflanzen anbauen und solchen, die darauf verzichten wollen, schwierig. Hierzu trägt auch die geplante EUSaatgutrichtlinie bei, nach der herkömmliches Saatgut ohne Kennzeichnung bis zu 0,7 Prozent gentechnisch verändertes Saatgut enthalten darf. Insbesondere der ökologische Landbau, der für seine Produkte die Freiheit von Gentechnik garantieren will, ist in seiner Existenz bedroht. Eine Entschädigung für Verunreinigungen seiner Ernten mit gentechnisch veränderten Produkten ist derzeit nicht in Sicht. Ein Haftungsrecht für durch die Gentechnik in Landwirtschaft und Natur entstehende Schäden gibt es noch nicht. Im Gegenteil: Der Ökolandbau wie auch die gentechnikfrei arbeitenden konventionellen Bauern müssen die finanziellen Lasten für die Erhaltung einer von Gentechnik unbelasteten Landwirtschaft und die Kosten für den wissenschaftlichen Nachweis aufbringen.
Ökonomische Fehleinschätzung
Die von den Biotechnologiekonzernen angeführte ökonomische Überlegenheit ihrer Sorten durch Ertragssteigerungen und Betriebsmitteleinsparungen bewahrheitete sich kaum, wie das Beispiel des Anbaus von gentechnisch verändertem Mais und Soja in Nordamerika zeigte. Die teilweise auftretenden Ertragszuwächse werden meist mehr als kompensiert durch die steigenden Betriebskosten und den Einbruch der Märkte. Während die Preise für gentechnisch veränderte Nahrungs- und Futtermittel weltweit fallen, steigen die Kosten für zusätzliche Managementmaßnahmen erheblich an.
Fehleinschätzung Pestizid- und Herbizideinsparung
Die versprochene Einsparung beim Einsatz chemischer Mittel gegen Insekten und Unkraut kann oft nur kurzfristig erzielt werden. Neben der Gefahr der Resistenzbildung bei Schadorganismen und Unkräutern wird beobachtet, dass in den Feldern andere Schädlinge und Unkräuter vermehrt auftreten. Der Einsatz anderer kostspieliger und umweltbelastender Chemikalien macht die erzielten Einsparungen vielfach wieder zunichte.
Gefahr der Monopolisierung der Nahrungsmittelerzeugung
Mit dem Vordringen der Gentechnik geht auch die Ausweitung der rechtlichen Möglichkeiten einher, Pflanzen und ihre Gene zu patentieren. Patente auf Nahrungsmittel bergen die Gefahr in sich, dass einige wenige multinational agierende Weltkonzerne Ausschließungsrechte erwerben, die es ihnen ermöglichen, die gesamte Kette der Nahrungsmittelherstellung von den Genen bis auf den Esstisch zu kontrollieren. Erste Konflikte um die Ausübung dieser Schutzrechte in Nordamerika dokumentieren, wie zukünftig die Rechte der Bauern an ihrer Ernte eingeschränkt werden können. Patente auf Leben widersprechen dem Konzept des gewerblichen Rechtsschutzes und gewähren Rechte, die weit über die tatsächliche Leistung des "Erfinders” hinausgehen.
Mythos Beseitigung des Hungers in der Welt
Das Versprechen, mit Hilfe der Gentechnik den Hunger in der Welt zu besiegen, ist unglaubwürdig. Die Gentechnikforschung und -entwicklung liegt in privatwirtschaftlicher Hand einiger weniger Großkonzerne des Nordens, die ihre pflanzengenetischen Produkte durch Patente schützen. Die Entwicklung richtet sich an den Bedürfnissen einer durchrationalisierten Landwirtschaft der gemäßigten Breiten der Erde aus. Diese Produkte tragen bisher nichts zur Problemlösung der Landwirtschaft der Tropen bei. Ein Technologietransfer von Nord nach Süd wird durch Patente und Lizenzgebühren behindert.Unter- und Mangelernährung sind kein Mengen-, sondern ein Macht- und Verteilungsproblem. In der Welt werden nicht zu wenig Lebensmittel produziert, sondern es gibt gravierende Defizite bei den Zugängen zur und der Verteilung von Nahrung.
Empfehlungen an die Politik
Die kirchlichen Umweltbeauftragten fordern die politischen Entscheidungsträger auf, zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der Bäuerinnen und Bauern, die folgenden Anliegen bei den gesetzlichen Regelungen zum Umgang mit gentechnisch veränderten Pflanzen und daraus hergestellten Produkten umzusetzen:
- Herkömmliches Saatgut darf nicht mit gentechnisch verändertem Saatgut verunreinigt sein, damit Landwirte sich bewußt für oder gegen den Anbau gentechnisch veränderterProdukte entscheiden können. Daher sollte der Entwurf der geplanten EUSaatgutrichtlinie geändert werden.
- Durch den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen darf keine Beeinträchtigung der gentechnikfreien Landwirtschaft erfolgen. Daher ist eine klare, einheitliche Regelung der Koexistenz für alle Mitgliedsstaaten der erweiterten EU durchzusetzen.
- Eine Haftungsregelung nach dem Verursacherprinzip für Schäden durch gentechnisch veränderte Pflanzen und Produkte ist einzuführen.
- Leben ist keine Erfindung des Menschen und damit nicht patentierbar. Deshalb ist eine Revision der EU-Biopatentrichtlinie und des TRIPs-Abkommens in der WTO erforderlich.
- Die Regulierung der Gentechnik darf nicht den Handelsinteressen untergeordnet werden; dem Druck der USA in der WTO ist Stand zu halten.
Empfehlungen an die Kirchengemeinden
Die kirchlichen Umweltbeauftragten bitten die Verantwortlichen in den Kirchengemeinden, Einrichtungen, Ämtern und Werken, den folgenden Anliegen im kirchlichen Handeln Aufmerksamkeit zu schenken:
- Angebote zur Information und Diskussion zu Fragen der Grünen Gentechnik bereit stellen
- Ausschluss von gentechnisch verändertem Pflanz- und Saatgut auf kirchlichen Ländereien durch entsprechende Klauseln in den Pachtverträgen
- Bewusster Einkauf von Lebensmitteln, die ohne gentechnische Verfahren produziert worden sind.