Nutzlose Vorbehalte
Kommt der Gentech-Mais „1507” bald auf europäische Äcker?
Nach wie vor ist offen, ob der gentechnisch veränderte (gv) Mais 1507 demnächst in der Europäischen Union angebaut werden darf.
Für die neue Bundesregierung ist der gentechnisch veränderte (gv) Mais 1507 ein elendes Thema. Der Europäische Gerichtshof hatte im Herbst entschieden: Bis zum 12. Februar muss über das Zulassungsverfahren für den Mais im Europäischen Rat abgestimmt worden sein - das Verfahren begann 2001. Bundeslandwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich (CSU) ist formell zuständig. Das darf aber nicht mit der Kompetenz zur Entscheidung verwechselt werden. Bei der Gentechnik wollen alle mitreden - und tun das auch: Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD), Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) und der neue Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), der auch Teile des Verbraucherschutzes zugeschanzt bekommen hat. Last but not least ist es mittlerweile schon Tradition, dass sich auch das Bundeskanzleramt - Angela Merkel (CDU) persönlich - einmischt.
Im Stundentakt Neues
Da traf es sich gut, dass die Bundesregierung vom 22. bis 23. Januar zur Kabinettsklausur ins brandenburgische Schloss Meseberg gereist ist. Aus dieser war dann im Stundentakt Neues zu erfahren. Eine Koalition aus Merkel und Wanka habe sich durchgesetzt, hieß es zum Beispiel. Laut Minister Friedrich war die Position der Bundesregierung jedoch noch nicht entschieden. Stephan Börnicke zitierte noch am 24. Januar, also im Anschluss an das Treffen in Meseberg, das federführende Landwirtschaftsministerium, man sei „in der Meinungsbildung“. Friedrich selbst sollte als CSU-ler gegen die Zulassung sein - entsprechend zitierte ihn dann auch die Süddeutsche Zeitung. Nicht zuletzt nach dem Verbot des gv-Mais MON810 durch Friedrichs Vorgängerin und Parteikollegin Ilse Aigner und den Druck durch die bayerische Bevölkerung ist die CSU auf einen strikt Gentechnik-kritischen Kurs geschwenkt. Gleiches gilt eigentlich auch für die SPD. Noch nach der Wahl, aber vor dem Abschluss der Koalitionsgespräche hatte die stellvertretende Vorsitzende der Fraktions-AG „Landwirtschaft und Ernährung“ erklärt, dass die SPD den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen ablehne. Und auch in der CDU gibt es diese Stimmen: Passend zur Kabinettsklausur in Meseberg meldete sich der CDU-Abgeordnete Hans-Georg von der Mahrwitz mit der Einschätzung zu Wort, man könne „nicht ignorieren“, dass „die Mehrheit der deutschen Verbraucher und das europäische Parlament ablehnend zur möglichen Zulassung von 1507 steht“. Interessanterweise kommt von der Mahrwitz, der die CDU-Fraktion im Landwirtschaftsausschuss des Bundestages vertritt und selbst einen etwa 800 Hektar großen Betrieb bewirtschaftet, aus demselben Landesverband wie Bundesbildungsministerin Johanna Wanka: aus Brandenburg.
Schwarzer Peter bei der CDU
Es zeichnet sich ab, dass der Schwarze Peter in dieser Legislaturperiode bei der CDU zu finden sein wird. Von hier kommen derzeit die entscheidenden Stimmen. Deutschland wird sich bei den Abstimmungen in Brüssel enthalten - das wurde schließlich auch von Regierungssprecher Steffen Seibert hochoffiziell verkündet. Diese Entscheidung wiederum hat den Effekt, dass es nicht zu einer qualifizierten Mehrheit gegen den Mais kommt - die Enthaltung der Bundesregierung wird von Kritikerinnen und Kritikern auch als insgeheime Zustimmung für die Anbau-Zulassung für den Mais 1507 bezeichnet, da die EU-Kommission keinen Zweifel daran lässt, dass sie gewillt ist, den Mais zuzulassen. Wenn sich die Bundesregierung enthält ist es praktisch ausgeschlossen, dass ausreichend viele Stimmen gegen den Vorschlag der Kommission zusammenkommen. Ein Bündnis Gentechnik-kritischer Nichtregierungsorganisationen spricht in diesem Zusammenhang auch von „Wortbruch“, hatte die Große Koalition in ihrer Vereinbarung doch geschrieben, dass sie die „Vorbehalte des Großteils der Bevölkerung gegenüber der grünen Gentechnik“ anerkenne - bei Licht betrachtet eine Formulierung, die doch einiges zu wünschen übrig lässt.
(Anmerkung der Redaktion: Die Abstimmung im EU-Rat über die Zulassung des gv-Mais erfolgte nach Redaktionsschluss der vorliegenden Ausgabe.)
Christof Potthof war bis Ende April 2020 Mitarbeiter im GeN und Redakteur des GID.