Drei Bilder des Versprechens
...und was Gentechniker nicht beachten
1: Goldener Reis: neue Entwicklungen und alte Kritikpunkte | | 2: Gv-Bananen in Südafrika | | 3: Kleines Molekül ganz groß?
1: Goldener Reis: neue Entwicklungen und alte Kritikpunkte
Von Anne Bundschuh
In Bangladesch und auf den Philippinen arbeitet das International Rice Research Institut (IRRI) derzeit daran, die Eigenschaften des Goldenen Reis in lokale Reissorten einzukreuzen. Die Entwicklung dieser gentechnisch veränderten Reissorte begann vor zwei Jahrzehnten. Dem Goldenen Reis wurden Gene aus Bakterien und Mais eingeführt. Dadurch produziert er das sogenannte Beta-Karotin, das im menschlichen Körper in Vitamin A umgewandelt wird. Das Philippine Rice Research Institute führt Versuche zur Bewertung agronomischer Eigenschaften unter Freilandbedingungen durch. Weitere, zum Teil mehrjährige Versuche sind geplant, zum Beispiel im Hinblick auf die Umweltauswirkungen des Anbaus. Nach Ansicht der BefürworterInnen kann der Goldene Reis zur Verringerung von Vitamin-A-Mangel beitragen, der in vielen Ländern des Südens auch heute noch ein gravierendes Problem darstellt. Seit jeher ist ein wichtiger Kritikpunkt am Goldenen Reis, dass die Bioverfügbarkeit des Beta-Karotins unsicher ist. Auf die Frage, wie gut das Beta-Karotin vom menschlichen Körper in Vitamin A umgewandelt werden kann, und welche Menge an Reis benötigt wird, um den Vitaminbedarf zu decken, konnten die Entwickler bisher keine befriedigenden Antworten geben.1 Oft wurde eine Untersuchung von fünf Freiwilligen aus den USA ins Feld geführt. Das Ergebnis: Der Verzehr einer halben Tasse des Goldenen Reis sei ausreichend, um den halben Tagesbedarf eines Erwachsenen zu decken. Ob dieses Ergebnis jedoch auf die Zielgruppen des Goldenen Reis - Kinder und schwangere beziehungsweise stillende Frauen in den Ländern des Südens - übertragbar ist, bleibt bis heute offen.2 Fütterungsversuche an Tieren sind bisher nicht publiziert worden. Um die Frage der Bioverfügbarkeit zu beantworten, hat sich das Golden Rice Network Anfang 2011 eine weitere Mitstreiterin ins Boot geholt. Die Stiftung Helen Keller International (HKI) setzt sich seit fast 100 Jahren für die Eindämmung von Mangelernährung und damit zusammenhängender Erblindung ein. Im Rahmen einer von der HKI geförderten vergleichenden Studie sollen Goldener Reis, weißer Reis und Vitamin-A-Kapseln an stillenden Frauen aus ländlichen Gegenden der Philippinen getestet werden. Die drei Maßnahmen sollen nach Ablauf von 90 Tagen in ihrer Wirksamkeit miteinander verglichen werden.3 Die Beteiligung der HKI dürfte für die Befürworter des Goldenen Reis ein Segen sein. Handelt es sich doch um eine Nichtregierungsorganisation, die bisher vollkommen unbelastet ist, was die Förderung gentechnisch veränderter Pflanzen angeht. Ganz im Gegensatz zu anderen Geldgebern wie der Bill und Melinda Gates-Stiftung oder dem Agrarmulti Syngenta kann die HKI-Stiftung kaum als Lobby-Organisation für die weltweite Ausbreitung der Agro-Gentechnik angesehen werden. GentechnikkritikerInnen reagierten trotzdem empört. Das Pesticide Action Network (PAN) wandte sich mit einem Offenen Brief an die HKI, in dem es die Stiftung auffordert, aus dem Projekt auszusteigen und sich stattdessen für eine ökologische, vielfältige Landwirtschaft, für Geschlechtergerechtigkeit und Ernährungssouveränität einzusetzen.4 Tatsächlich spricht also nur wenig dafür, sich angesichts der neuen Entwicklungen im Zusammenhang mit Goldenem Reis beruhigt zurückzulehnen oder gar in Begeisterung zu verfallen. Denn wichtige Fragen, auf die schon seit Jahren hingewiesen wird, bleiben weiterhin unbeantwortet. Nicht nur, dass keine Ergebnisse aus Tierversuchen vorliegen; ungeklärt blieb bislang beispielsweise auch, wieviel Beta-Karotin bereits vor dem Verzehr des Reis durch Lagerung, Transport und Zubereitung verloren geht. Nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation WHO sind diese Verluste gravierender als der Verlust durch die Umwandlung im menschlichen Körper.5 Mit Vitamin A angereicherte Nahrung ist in den letzten Jahren zunehmend erfolgreich eingesetzt worden. Von 2003 bis 2008 ging der Vitamin-A-Mangel bei philippinischen Kindern zwischen sechs Monaten und fünf Jahren zum Beispiel um 38 Prozent zurück. Bei schwangeren Frauen wurde ein Rückgang von 54 Prozent, bei stillenden Frauen sogar um 68 Prozent verzeichnet.6 Martin Enselink, Autor des Wissenschaftsmagazins Science, zitiert in diesem Zusammenhang Francesco Branca, der für die WHO als Experte in Sachen Mangelernährung arbeitet. Aktuell, so Branca im Jahre 2008, seien die Gabe von mit Vitamin A angereicherter Nahrung und die Förderung des Anbaus von Karotten und bestimmten anderen Pflanzen die aussichtsreicheren Wege.7
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2: Gv-Bananen in Südafrika
Afrikanisches Zentrum für Biosicherheit
Mit 130 Millionen Tonnen Jahresproduktion gehören Bananen zu den weltweit wichtigsten Nahrungspflanzen. Den größten Beitrag zu Gesundheit und Ernährung leistet die Frucht im sub-saharischen Afrika, wo Bananen etwa ein Viertel des täglichen Kalorienbedarfs für über 100 Millionen Menschen liefern. Nun sollen erstmals in der Geschichte von Südafrika gentechnisch veränderte (gv) Bananen in einem Freisetzungsversuch angebaut werden. Der südafrikanischen Behörde für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) liegt aktuell ein Antrag der Wissenschaftlerin Noelani van den Berg vom Institut für Forstwirtschaft und landwirtschaftliche Biotechnologie der Universität Pretoria vor. Hintergrund der gentechnischen Veränderung der Bananen ist die Bekämpfung der Fusarium-Welke, eine Krankheit, die durch den bodenlebenden Schimmelpilz Fusarium oxysporum verursacht wird. Mit dem Einbau eines Gens aus Reis sollen die Bananen so verändert werden, dass sie über eine Resistenz gegen den Pilz verfügen. Drei Bananenlinien sollen während der kommenden Anbausaison von November 2011 bis Dezember 2012 auf einer kommerziellen Bananenplantage in Mpumalanga freigesetzt werden.8 Der Antrag enthält keine Biosicherheits-Daten von vorherigen Versuchen im Gewächshaus. Es scheint, als habe es die Antragstellerin versäumt, entsprechende Versuche durchzuführen. Gewächshaus-Versuche stellen einen wichtigen und unverzichtbaren Schritt der Sammlung von Biosicherheits-Daten dar. Normalerweise werden sie vor Feldversuchen durchgeführt und bewertet. Der Antrag für die Feldversuche ist somit hoffnungslos verfrüht.
Unzureichende Daten
Schlussfolgerung
1: Goldener Reis: neue Entwicklungen und alte Kritikpunkte | | 2: Gv-Bananen in Südafrika
3: Kleines Molekül ganz groß?
Von Christof Potthof
„Jill Gready‘s - möglicherweise die Welt verändernde - Methode zur gentechnischen Veränderung kann helfen, Millionen Menschen vor dem Hunger zu bewahren.“9 So lautet der erste Satz eines im Juli 2011 erschienenen Beitrags der ANU news, des Nachrichten-Portals der Nationalen Australischen Universität (Australian National University - ANU). Ob technische Lösungen überhaupt einen substantiellen Beitrag leisten können, das dramatische Hungerproblem in den Griff zu bekommen, ist mehr als umstritten. Dass WissenschaftlerInnen und Universitäten bei der Kommunikation ihrer Forschungsergebnisse nicht immer die angemessene Bescheidenheit an den Tag legen, soll die Dokumentation dieser Nachricht aus den news der Nationale Australischen Universität beispielhaft verdeutlichen. In der Meldung geht es um eine Vereinbarung zwischen Gready, Professorin an der ANU, der ANU selbst und dem Chemie-, Agrar- und Gentechkonzern Bayer. Gemeinsam soll eine von Gready entwickelte Methode zur Veränderung von Pflanzen weiterentwickelt werden. Die Vereinbarung erlaube eine „Lizenz-freie Nutzung der Methode durch internationale und nationale Institutionen, die an der Entwicklung von Nahrungspflanzen für Subsistenz-Landwirtschaft betreibende Bäuerinnen und Bauern in Entwicklungsländern arbeiten“. Details, wer die Methode unter welchen Bedingungen nutzen darf, wurden nicht veröffentlicht. Geschlossen werden kann daraus zum jetzigen Zeitpunkt vor allem, dass die neue Methode bereits patentiert ist beziehungsweise eine Patentierung angestrebt wird.10 „Bevölkerungsreiche Länder wie zum Beispiel Indien und China haben die Optionen bewertet, wie sie - in einer Welt, deren Ressourcen Land, Wasser und Düngemitel immer stärker limitiert sind - ausreichend Nahrung produzieren können,“ sagt Gready. „Diese Länder haben den Schluss gezogen: Wenn es die Wahl gibt zwischen Essen und Hungern, werden sie gentechnisch veränderte Pflanzen akzeptieren.“ Das ist schlicht gelogen. Abgesehen davon, dass derzeit weder in China noch in Indien gentechnisch veränderte Pflanzen in nennenswertem Umfang von Menschen gegessen werden, verfolgen beide an diesem Punkt eine eher zurückhaltende Politik. Indien hat bereits vor etwa eineinhalb Jahren die Zulassung von gentechnisch veränderten (gv) Auberginen aufgrund von Sicherheitsbedenken verschoben. Das gleiche Bild in China, allerdings hier bezüglich der Zulassung von gv-Reis: Erst vor knapp einem Jahr wurde bestätigt, dass die Nutzung von gv-Reis in den nächsten fünf bis zehn Jahren keine Priorität hat.11 Der ANU-Bericht fährt unbeirrt fort: „Gready zufolge liege die Ursache für die ethischen Fragestellungen im Umfeld von Landwirtschaft und Technologie in der ‚historisch zu geringen Förderung’ [‚historical under-investment’] in den Ernährungssektor durch Einrichtungen der öffentlichen Hand. Multinationale Agrobiotechkonzerne sind eingesprungen, um diese Lücke zu füllen. Dies hat zur Folge, dass die Konzerne nun den Zugang zu den meisten der Technologien kontrollieren.“
Wunderwaffe Rubisco?
Die in besagtem ANU-Beitrag nicht detailliert beschriebene Methode betrifft ein Molekül des Pflanzenstoffwechsels. Genauer gesagt ist es das Enzym, das im Zentrum des Umbaus von Kohlendioxid aus der Luft zu Zucker steht: Rubisco. Dieses Enzym sei, so heißt es in den ANU news weiter, „von Gready verbessert worden“ - das „verbesserte Rubisco“ nutze „kostenlose Ressourcen“: Sonne und Kohlendioxid. Zwar sei noch ein gutes Stück des Weges zu gehen, bis bessere Rubiscos in allen Nutzpflanzen implementiert seien. Dabei sei jedoch nicht die Wissenschaft der limitierende Faktor, sondern die Finanzierung und der Wille: „But the limiting factors here are not based in science but in funding and the will to do it.“ Ein winziges, wenngleich wichtiges Detail zu der Veränderung des Enzyms kommt nicht in dem Beitrag der ANU news vor. In einem Artikel in der Fachzeitschrift Plant Physiology vom Januar 2011 ist ein Update zu den Forschungen an dem Rubisco-Enzym erschienen. Tatsächlich ist es wohl - in Einzelfällen - gelungen, die Umsatzrate von Rubisco zu erhöhen. Spencer Whitney und Kollegen schreiben, in einem der Fälle sei die Übertragung der katalytischen Verbesserung auch auf die Rubisco im Tabak übertragen worden, „ob diese Verbesserung allerdings auch zu Veränderungen in der Photosyntheserate und im Wachstum der Pflanzen führt, bleibt unbekannt.“12 Es wäre ein Wunder, wenn es Jill Gready und ihren MitarbeiterInnen gelungen wäre, zwischen dem Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels von Whitney und Kollegen im Januar 2011 und dem Beitrag in den ANU news im Juli diese - und viele andere - Fragen aus dem Weg zu räumen. Wie das Duo aus Wissenschaftlerin und ANU-news-Autor derart weitreichende Versprechen in die Welt senden konnte, wenn zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht einmal die Bestätigung vorliegt, dass die Methode überhaupt funktioniert, bleibt ihr Geheimnis.
1: Goldener Reis: neue Entwicklungen und alte Kritikpunkte | | 2: Gv-Bananen in Südafrika | | 3: Kleines Molekül ganz groß?
- 1Christoph Then (2009): „Goldenen Reis überprüfen“ im Gen-ethischen Informationsdienst GID 192. Im Netz unter: www.gen-ethisches-netzwerk.de/gid/192. Dort auch weitere Quellen.
- 2Guangwen Tang et al. (2009): Golden Rice is an effective source of vitamin A; download unter www.kurzlink.de/gid209_n. Michael Krawinkel (2009): β-Carotene from rice for human nutrition? Download unter: www.kurzlink.de/gid209_o. Beide in: American Journal of Clinical Nutrition.
- 3PhilRice Magazin, Juli 2011. Im Netz unter www.kurzlink.de/gid209_k.
- 4www.panap.net/en/r/post/rice/823.
- 5Vgl. Christoph Then (2009), siehe Fußnote 1.
- 67. National Nutrition Survey des philippinischen Food and Nutrition Research Institute FNRI. Im Netz unter: www.kurzlink.de/gid209_h.
- 7Martin Enselink (2008): Tough lessons from Golden Rice.
- 8Bei Redaktionsschluss lag noch keine Entscheidung vor.
- 9„Jill Gready’s potentially world-changing plant engineering techniques could help save millions of people from starvation.“ Im Netz unter: http://news.anu.edu.au/?p=12421.
- 10Im Register der australischen Regierung (www.ipaustralia.gov.au) konnte kein entsprechendes Patent gefunden werden.
- 11Siehe zum Beispiel „China: GVO keine Priorität in aktuellen Fünf-Jahres-Plänen“ im GID 205 (April 2011). Im Netz unter www.gen-ethisches-netzwerk.de.
- 12„In one case, catalytic improvements have been found to be transposable to Rubisco in tobacco (Nicotiana tabacum; Zhu et al., 2010), although how these improvements translate to changes in photosynthesis and plant growth remain unknown.“
Christof Potthof war bis Ende April 2020 Mitarbeiter im GeN und Redakteur des GID.