Ausgetretene Pfade
Im Rahmen einer Studie des Umweltbundesamtes wurden anhand von fünf Fallbeispielen gentechnische Lösungsansätze für pflanzenbauliche beziehungsweise verarbeitungstechnische Probleme den Strategien der konventionellen und ökologischen Landwirtschaft gegenübergestellt. Im Folgenden werden die zentralen Punkte des Berichtes „Alternativen zu gentechnisch veränderten Pflanzen“ dargestellt.
Unkrautbekämpfung bei Raps
Raps besitzt auf dem Feld eine starke Konkurrenzkraft gegenüber Beikräutern. Ertragseinbußen werden vor allem durch Insekten-Schädlinge verursacht, so dass in der konventionellen Landwirtschaft der Bedarf an Insektiziden von größerer Bedeutung ist. Sowohl bei der Anwendung von selektiven Herbiziden (gegen nur ein Beikraut) in der konventionellen Landwirtschaft als auch beim Einsatz von herbizidtolerantem Raps mit der Applikation von nicht-selektiven Herbiziden (gegen mehrere oder alle Beikräuter) ist mit Unkrautresistenzen zu rechnen. Nur durch ein einziges Gen vermittelte Herbizidresistenzen – welche bei gentechnisch veränderten Pflanzen vorliegen - können im Vergleich zu einer durch konventionelle Züchtung erreichten polygenen (durch mehrere Gene vermittelten) Herbizidresistenz viel schneller zu Resistenzen bei verwandten Unkrautarten führen. Dies liegt an der deutlich höheren Auskreuzungs-Wahrscheinlichkeit des einzelnen - neu eingeführten - Genkonstruktes. Das Einsparpotenzial an Pflanzenschutzmitteln durch herbizidtoleranten - konventionell gezüchteten oder gentechnisch veränderten - Raps ist als gering einzuschätzen. Bei gentechnisch verändertem Raps steht erhebliches Schadenspotenzial bedingt durch die Verbreitung von Transgenen in natürlichen Genpools gegenüber. Die Unkrautbekämpfung im ökologischen Landbau ist relativ unproblematisch, da mit einer mechanischen Bodenbearbeitung und Fruchfolgemaßnahmen gute Erfolge erzielt werden.
Insektenbefall durch den Maiszünsler
Der Einsatz von Bt-Mais wird in weiten Teilen Deutschlands und Österreichs als nicht sinnvoll erachtet, da Ertragseinbußen durch den Maiszünsler hier eine untergeordnete Rolle spielen. Statt der geringen Einsparungspotenziale bei den Pflanzenschutzmitteln, würden neue unerwünschte Einträge in die Umwelt in Form von Pollen und Wurzelexsudaten (Abgabe chemischer Stoffe durch die Wurzeln in den Boden) mit Bt-Toxin auftreten. Nur auf sandigen Böden, wo eine vorbeugende Stoppel- und Bodenbearbeitung, wie sie im konventionellen und ökologischen Landbau betrieben wird, nicht möglich ist, könnte Bt-Mais ertragsstabilisierend wirken. Jedoch kann durch ein verstärktes Auftreten von Resistenzen in der Maiszünslerpopulation die Effizienz des GVO-Ansatzes vollständig verloren gehen.
Rizomania-Befall bei der Zuckerrübe
Die Viruskrankheit Rizomania stellt für den Zuckerrübenanbau heutzutage kein großes Problem mehr dar, da in den letzten Jahren große Erfolge in der konventionellen Züchtung virustoleranter bzw. –resistenter Sorten erzielt wurden. Die verfügbaren Sorten übertreffen sogar das Ertragspotenzial nicht resistenter Sorten in virusfreien Regionen. Konventionelle Resistenzsorten wurden auch im ökologischen Landbau zugelassen. Standortbedingte Einschränkungen für den Anbau der resistenten Sorten sind nicht bekannt.
Kartoffel mit veränderter Stärkezusammensetzung
Die Hybridzüchtung brachte amylosefreie Kartoffeln hervor, die jedoch nur wenige Knollen und eine schlechtere Vitalität als die gentechnisch veränderte, amylosefreie Kartoffel aufweisen. Als weiteres Plus der transgenen Industriekartoffel kann eine potenzielle Umweltentlastung angeführt werden, da der aufwändige Stärketrennungsprozess inklusive der Abwasserreinigung entfällt. Jedoch bieten sich als konventionelle Alternativlösungen zur gentechnisch veränderten Kartoffel andere Kulturpflanzen an, die sehr geringe Amylosegehalte aufweisen (Wachshirse, Wachsmais, Wachsreis). Der Einsatz von Wachsmais ist auch in typischen Kartoffelanbaugebieten möglich, da entsprechend robuste Sorten entwickelt wurden. Zudem zeichnet sich der Genpool von Wildkartoffeln beziehungsweise primitiven Kartoffelsorten durch eine hohe Variabilität aus und könnte in der konventionellen Pflanzenzucht zu guten Erfolgen hinsichtlich der Nutzung bestimmter Stärkeformen führen. Bei der Erzeugung von Lebensmitteln aus dem ökologischen Anbau wird amylosefreie Stärke aus Wachsmais eingesetzt. Es ist fraglich, ob die Stärkeindustrie im Non-Food-Sektor auf Produkte des ökologischen Landbaus zurückgreifen wird. Die Forschung sollte verstärkt auf eine Nutzung von Alternativlösungen ausgerichtet sein.
Mehltaubefall bei Weinreben
Der Fungizideinsatz im konventionellen Weinbau kann durch kulturtechnische Maßnahmen (luftige Erziehung - Aufzucht - der Stöcke, angepasste Stickstoffdüngung) gemindert werden. Ein umfassendes Schaderreger-Monitoring könnte eine termingerechte und gut dosierte Anwendung moderner schaderreger- und stadienspezifischer Pflanzenschutzmittel ermöglichen, was die Gefahr einer schnellen Resistenzbildung verringert und die Aufwandmenge reduziert.
Forschungsbedarf
Im ökologischen Weinbau kommt es neben acker- und pflanzenbaulichen Maßnahmen, die die Pflanzengesundheit unterstützen sollen, auch zu einem Einsatz von Kupfer. Da Kupfer in höheren Dosen phytotoxisch und auch giftig für Säugetiere ist, strebt die Europäische Kommission ein Ende für die Zulassung des Einsatzes von Kupfer an. Die Forschung nach biologischen Mitteln und synergistisch wirkenden Kombinationen wird derzeit verstärkt betrieben. Fortschritte in der konventionellen Resistenzzüchtung lassen sich nur langsam erreichen, da die Reben ein sehr langsames Wachstum aufweisen. In Deutschland sind seit 2001 einige auf herkömmliche Weise gezüchtete Rebsorten zugelassen, die sich durch eine stärkere Mehltauresistenz auszeichnen. Bei der konventionellen Züchtung entstehen zwangsläufig immer neue Sorten, die neue Namen und eine andere Weinqualität aufweisen. Dies könnte vor allem im deutschsprachigen Raum ein Absatzproblem verursachen, da die Angabe der Weinsorte auf dem Etikett üblich ist. Da diese Sorten auch im ökologischen Weinbau eingesetzt werden könnten, müsste ein angepasstes Vermarktungskonzept entworfen werden. Aussagen über die Effizienz von gentechnisch veränderten Reben können noch nicht getroffen werden, da sich die gentechnischen Ansätze noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadium befinden. Nach Ansicht der Autoren unterscheidet sich die so genannte grüne Gentechnik in den Bereichen Unkrautregulierung und Schädlingsbekämpfung nur durch die Wahl der Mittel von den Strategien des chemischen Pflanzenschutzes, liefert aber grundsätzlich keine neuen Ideen. Durch eine reine Symptombekämpfung mit den bekannten Resistenzwettläufen geht die Ausrichtung an der zentralen Frage, wie das Potenzial für die Entwicklung der Schaderreger zu verringern sei, vorbei. Der vorsorgeorientierte Pflanzenschutz (Anlage von Hecken, Fruchtfolgen et cetera) sollte in der Praxis und Forschung einen deutlich höheren Stellenwert erhalten. Als prinzipiell erfolgversprechend wird der Ansatz angesehen, zuerst das ganzheitlich vernetzte Agrarökosystem zu verstehen und zu verbessern und anschließend die einzelnen Systemparameter zu verändern. Die Erkenntnisse kämen auch dem ökologischen Landbau zugute. Denn auch in diesem Bereich können - zum Beispiel - Resistenzen gegen biologische Pflanzenschutzmittel zum ernsthaften Problem werden. Die Vorteile von Fruchtfolgen in Bezug auf die Eindämmung eines Schaderregerpotenzials sind schon lange bekannt. Dennoch werden diese in der gängigen landwirtschaftlichen Praxis häufig nicht genutzt. Forschungsbedarf liegt entsprechend auch in der Frage, welche Werteinstellungen der Landwirte beziehungsweise agrarpolitische Hemmnisse der Anwendung dieser Praxis im Wege stehen.
Die Studie "Alternativen zu gentechnisch veränderten Pflanzen" ist in der Reihe TEXTE des Umweltbundesamtes als Nr. 68/03 erschienen. Sie umfasst 147 Seiten und kostet 7,50 Euro. Bestellungen: Werbung und Vertrieb, Ahornstr. 1-2, 10787 Berlin, Telefon: 030/211 60 61, Fax: 030/218 13 79.
Sabine Faaß ist Agraringenieurin und lebt in Berlin.