In Bewegung

Feministische Diskussion um Reproduktionstechniken

Die Veranstaltung, mit dem das GeN die letzte GID-Ausgabe vorstellte, war gut besucht. Mehr als 50 Interessierte kamen Mitte Oktober in das Aquarium am Kottbusser Tor in Berlin, um sich über die aktuelle internationale Situation in Sachen „Leihmutterschaft“ und Eizell“spende“ zu informieren und darüber zu diskutieren. Der einleitende Dokumentationsfilm Future Baby von Maria Aramovsky wurde vom Publikum gut aufgenommen. Der Film bildet den aktuellen Stand der Technik und ihre Auswirkungen ausgesprochen vielschichtig und umfassend ab. Er lässt die verschiedenen AkteurInnen - Eizell„spenderinnen“ und -Empfängerinnen, ÄrztInnen, „Leihmütter“ und Bestelleltern - zu Wort kommen und ihre Position erläutern. Deutlich treten dabei die ökonomischen Machtgefälle zwischen ihnen zu Tage, ohne dass diese einer expliziten Erwähnung bedürfen. Der ökonomische Aspekt wurde auch in der anschließenden Diskussion problematisiert. GeN-Mitarbeiterin Kirsten Achtelik diskutierte mit der Politologin Susanne Schultz und der Journalistin Ulrike Baureithel, beide GID-AutorInnen und GeN-Verbundene, über feministische Positionen zum Thema. Sie waren sich darin einig, wie sehr ökonomische Zwänge der Anwendung von Reproduktionstechniken zu Grunde liegen. Wie Studien immer wieder zeigten, sei reiner Altruismus nur für sehr wenige Frauen Motivation, ihre Körper gegen Lohn oder eine „Aufwandsentschädigung“ für die Erfüllung von Kinderwünschen Wohlhabender nutzbar zu machen. In Bezug auf die Position der „Bestelleltern“ beschrieben die Diskutierenden, wie sich das Verständnis in Bezug auf Reproduktionsrechte in den letzten Jahrzehnten gewandelt hätte. Frauen hätten früher für das Recht gekämpft, sich selber für oder gegen Kinder entscheiden zu können. Dieses habe sich über einen Wunsch jetzt in ein Recht auf Kinder gewandelt. Es sei damit ein Konsumrecht geworden, das durch die Reproduktionstechniken und den Zugriff auf die Körper Dritter erfüllt werden solle. Ulrike Baureithel verwies auf die Diskussion von FeministInnen in den 80er Jahren, als die Techniken noch Fiktion waren. Die Zustände vor denen sie vorausschauend gewarnt hätten, seien nun eingetreten. Kirsten Achtelik ergänzte, dass  FeministInnen im deutschen Kontext doch viel erreicht hätten. Das zeige der internationale Vergleich, denn die deutschen Regulierungen seien restriktiver als vielen anderen Ländern. Zu Verdanken sei dies der Zusammenarbeit der Behindertenbewegung und FeministInnen. Im diesem Sinne lud sie die Anwesenden ein, sich weiter zu vernetzen und in Zukunft zusammen gegen Ausweitungen der Techniken zu protestieren.
Die Veranstaltung wurde vom Netzwerk Selbsthilfe gefördert.

➤ Future Baby, www.futurebaby.at
➤ Netzwerk Selbsthilfe, www.netzwerk-selbsthilfe.de


„Wir haben es satt!“
Aktionstour gegen Konzernmacht

Auch wenn der Anlass nicht unbedingt ein freundlicher oder freudiger war: Die Bilder (www.kurzlink.de/gid243_l) zeigen Menschen, die mit Mut, Entschlossenheit und auch mit guter Laune bei der Sache sind.  Anfang September, kurz vor der Bundestagswahl hat ein breites Bündnis aus agrar- und umweltpolitischen Gruppen in Königs Wusterhausen bei Berlin gegen „ein Symbol der verfehlten Agrarpolitik unter Bundesminister Christian Schmidt (CSU)“ demonstriert. Vor Ort soll - geht es nach den Wünschen des Wiesenhof-Konzerns - die Kapazität eines Schlachthofes auf 240.000 Hühner am Tag verdoppelt werden. Die Demonstration war der letzte Schritt einer Aktionstour, mit der sich die Veranstalter auch gegen die Konzentration von Agrar-Konzernen wenden. Aktueller Anlass war auch die geplante Übernahme des US-Gentech-Konzerns Monsanto durch Bayer. Die Gruppen haben im Wahljahr einen 9-Punkte-Plan für den Umbau der Landwirtschaft veröffentlicht, an dem sie eine zukünftige Bundesregierung messen werden (www.wir-haben-es-satt.de/start/9-punkte-plan). Im Zentrum der Forderungen stehen neben einer besseren Unterstützung für bäuerliche Betriebe, der Abbau der Exportorientierung, mehr Umweltschutz auch der Verzicht auf gentechnisch veränderte Organismen.
➤ „Wir haben es satt!“ Großdemonstration am 20. Januar 2018 in Berlin (siehe Termin auf Seite 42).


Gegen Überwachung

Unter der Überschrift „Freiheit 4.0 - Rettet die Grundrechte!“ ging ein breites Bündnis von BürgerrechtlerInnen, Parteien und Organisationen Anfang September in Berlin auf die Straße. Über 50 Organisationen hatten zu der Demonstration gegen Überwachung aufgerufen, darunter auch das GeN. Trotz der großen Relevanz des Themas lockte die Veranstaltung leider viel weniger TeilnehmerInnen auf die Straße, als die „Freiheit statt Angst“-Demonstrationen gegen Vorratsspeicherung der vergangenen Jahre. Dabei bot das erst kürzlich verabschiedete „Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“ genügend Anlass für Protest. Neben der Erlaubnis von „Online-Durchsuchungen“ und Staatstrojanern, wurde auch eine Ausweitung der polizeilichen DNA-Befugnisse beschlossen. Letzteres war der Fokus der Flyer, die eine GeN-Mitarbeiterin unter den Teilnehmenden und an Passanten verteilte. Warum nur einige hundert DemonstrantInnen erschienen waren, erklärte sich ein Aktivist von Digitalcourage mit der mangelnden Attraktivität des Anlasses. „Wir arbeiten seit Jahren an einem Thema, das irrsinnig langweilig ist“, sagte er dem Online-Magazin heise online. „Es ist anstrengend, komplex und es gibt keine einfachen Lösungen." Mit der gesellschaftlichen Digitalisierung und Erweiterung von Überwachungsmöglichkeiten bleibt zu hoffen, dass sich trotz der Komplexität der Thematik nächstes Jahr mehr Menschen mobilisieren lassen.

➤ Flyer des GeN: www.gen-ethisches-netzwerk.de/3585
➤ Siehe auch unter: heise online, 07.09.17, www.heise.de/-3825887
 

Weniger „Lebensschützer“

Die (queer)feministischen Proteste gegen „Lebensschützer“ und radikale AbtreibungsgegnerInnen nehmen zu, während der Berliner „Marsch für das Leben“ seit Jahren stagniert. In diesem Jahr sank die Zahl der TeilnehmerInnen nach verschiedenen Zählungen sogar um ein Drittel unter die des Vorjahres. Die neue Vorsitzende des veranstaltenden Bundesverband Lebensrecht (BVL), Alexandra Linder, war erkennbar überfordert. Die Auftaktkundgebung wirkte konzeptlos, inhaltliche Akzente wurden nicht gesetzt sondern eher die üblichen Schlagworte aufgezählt: Abtreibung, „Euthanasie“, und pränatale Selektion. Eine Woche vor der Bundestagswahl gelang es den „Lebensschützern“ so nicht, einen politischen Impuls zu setzen.  

www.apabiz.de
https://whatthefuck.noblogs.org
 

25 Jahre: Kein Patent auf Leben!

Zum Jahresende wollen wir nicht versäumen zu erwähnen, dass die Initiative Kein Patent auf Leben! mittlerweile auf eine 25-jährige Geschichte zurückblicken kann. Im Juni 1992 schrieb die GID-Redaktion: „Auf einem Treffen, das [am 16. Mai d.J.] beim Gen-ethischen Netzwerk in Berlin stattfand (...) wurde ein gemeinsamer Einspruch aller beteiligten Gruppen [gegen ein Krebsmaus-Patent] beschlossen. Die Kampagne steht unter dem Motto ‚Kein Patent auf Leben’“. Seit langer Zeit sind Ruth Tippe und Christoph Then die Gesichter hinter Kein Patent auf Leben!. In der jüngeren Vergangenheit waren sie insbesondere im Rahmen des internationalen Bündnisses No Patents on Seeds (Keine Patente auf Saatgut) aktiv. Siehe dazu im GID 242, Seite 22.
Lieber Christoph, liebe Ruth, herzlichen Glückwunsch und weiter alles Gute aus dem Berliner Büro von GeN und GID!
 

40 Jahre Dr. med Mabuse!

Dr. med. Mabuse, die Zeitschrift fü̈r alle Gesundheitsberufe”, wurde 1977 von Frankfurter Medizinstudierenden gegrü̈ndet. Die Zeitschrift bietet damals wie heute Hintergrundinformationen und aktuelle Berichte zu Themen wie Gesundheits- und Sozialpolitik, Kranken- und Altenpflege, Demenz, Psychiatrie, Ethik, Ausbildung und Studium, Medizingeschichte und medizinische Versorgung in anderen Ländern. Wir gratulieren recht herzlich und wünschen alles Gute für die nächsten 40 Jahre!

 

GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
243
vom November 2017
Seite 4 - 5

Nur durch Spenden ermöglicht!

Einige Artikel unserer Zeitschrift sowie unsere Online-Artikel sind sofort für alle kostenlos lesbar. Die intensive Recherche, das Schreiben eigener Artikel und das Redigieren der Artikel externer Autor*innen nehmen viel Zeit in Anspruch. Bitte tragen Sie durch Ihre Spende dazu bei, dass wir unsere vielen digitalen Leser*innen auch in Zukunft aktuell und kritisch über wichtige Entwicklungen im Bereich Biotechnologie informieren können.

Ja, ich spende!  Nein, diesmal nicht