Endlich kennzeichnen

Ein neuer Vorschlag belebt die Diskussion um tierische Produkte

In die Diskussion um die Kennzeichnung von Produkten von Tieren, die mit gentechnisch veränderten Pflanzen gefüttert worden sind, kommt endlich Bewegung. Der Verbraucherzentrale Bundesverband legte im November einen konkreten Vorschlag vor und trifft damit im Bundeslandwirtschaftsministerium auf offene Ohren.
Seitdem die - nun schon gar nicht mehr so neuen - Kennzeichnungsregeln für gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel der Europäischen Union im April 2004 in Kraft getreten sind (EU-Verordnung 1829/2003), werden sie wegen einer erheblichen Kennzeichnungslücke heftig kritisiert. Das Gros der gentechnisch veränderten Pflanzen, die weltweit auf dem Acker stehen, wandert in den Futtertrog - zuverlässige Schätzungen sprechen von etwa 80 bis 90 Prozent. Doch die mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) gefütterten Tiere und die daraus hergestellten Lebensmittelprodukte müssen selbst nicht als GVO oder GVO-haltig gekennzeichnet werden.(1) Die Verpflichtung zur Kennzeichnung der Produkte (im Wesentlichen geht es um Fleisch, Molkereiprodukte und Eier) wird im Magen der Tiere praktisch mitverdaut. Endverbraucher und Endverbraucherin können sich im Geschäft nicht für oder gegen den Anbau von gv-Pflanzen entscheiden.

Neuer Vorschlag - Ausnahmen möglich

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat nun im November einen Vorschlag gemacht, dem in der aktuellen Gemengelage gute Chancen eingeräumt werden, nicht zuletzt weil es auch im Hause des Bundeslandwirtschaftsministers, Horst Seehofer (CSU), entsprechende Überlegungen gibt. Der vzbv möchte nach dem jetzigen Stand der Diskussion die Regelung entsprechend der EU-Kennzeichnungs-Verordnung in die so genannte „Verordnung für neuartige Lebensmittel und Lebensmittelzusätze - NLV” übertragen.(2) Das heißt, eine Kennzeichnung „gentechnikfrei gefüttert” könnte verwendet werden, obwohl Mikroorganismen verwendet wurden, die mit GVO-Nährstoffen gefüttert wurden oder Zusatzstoffe, Aromen und Vitamine, die mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen (GVMO) hergestellt wurden. Letzteres wäre aber nur dann erlaubt, wenn keine Reste der GVMO mehr im Futter für die Tiere enthalten sind. Bestimmte Regelungen sollen mit der gerade entstehenden EU-Bio-Verordnung aktualisiert werden, zum Beispiel die Verwendung von Medikamenten, die mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen hergestellt werden, insbesondere, wenn keine anderen mehr am Markt verfügbar sind. Auch der Koalitionspartner des Ministers, die SPD, steht dem Vorhaben grundsätzlich positiv gegenüber: Die verbraucherpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion Elvira Drobinski-Weiss dazu: „Der Vorschlag des vzbv (...) bietet die Möglichkeit für die Verbraucher kenntlich zu machen, wenn tierische Erzeugnisse (...) ohne die Verfütterung von gentechnisch veränderten Pflanzen gewonnen wurden”. Das habe man, so Dobrinski-Weiss weiter, „bereits im August mit Bundesminister Horst Seehofer und der Union verabredet”.(3) Die Verbraucherschützer wählen also den Weg über die so genannte „Verordnung für neuartige Lebensmittel und Lebensmittelzusätze - NLV”. Diese wird, nach dem heutigen Bundeslandwirtschaftsminister, der die Entwicklung und Verabschiedung der NLV als damaliger Bundesgesundheitsminister 1998 verantwortete, auch als „Seehofer-Verordnung” bezeichnet und macht die Kennzeichnung von Lebensmitteln mit dem Zusatz „ohne Gentechnik” möglich - nicht nur Lästerer behaupten allerdings, die Seehofer-Verordnung mache die Verwendung unmöglich, haben doch bisher nur ganz wenige Unternehmen die Ohne-Gentechnik-Kennzeichnung auf ihre Produkte geklebt. Zu strikt, sagen die einen, am Markt vorbei, die anderen.

Wenige Beispiele

Wahr ist, dass die Verordnung sehr genau ist und auch keine Hintertürchen bietet. Ihrzufolge darf eine Kennzeichnung „nur mit der Angabe „ohne Gentechnik” geschehen und nur, wenn (...) [das Lebensmittel] nicht unter Verwendung von Stoffen hergestellt worden ist, die aus genetisch veränderten Organismen bestehen oder aus genetisch veränderten Organismen hergestellt sind, und bei der Herstellung der verwendeten Stoffe keine aus genetisch veränderten Organismen gewonnenen technischen Hilfsstoffe einschließlich Extraktionslösungsmittel und Enzyme eingesetzt wurden”. Der Rest der Verordnung ist in der Regel kein Problem.(4) Nichtsdestotrotz ist eine Kennzeichnung möglich, wie zum Beispiel die Upländer Bauernmolkerei gezeigt hat. Als erste Molkerei in Deutschland hat sie bereits vor mehr als eineinhalb Jahren die Herstellung und Kennzeichnung „ohne Gentechnik” für ihre „Bergweide”-Milch realisiert.(5) Da sich die Verbraucherschützer des vzbv natürlich nicht den Vorwurf machen lassen wollen, das Gesetz aufzuweichen, zielen sie auf eine Erweiterung der bestehenden Kennzeichnungsmöglichkeiten. Wohl wissend, dass dies den Verbrauchern auch vermittelbar sein muss. Der vzbv schlägt vor, der weiterhin möglichen Kennzeichnung „ohne Gentechnik” eine zweite zur Seite zu stellen, die zum Beispiel lauten könnte: „vom gentechnikfrei gefütterten Tier”. Der vzbv will erreichen, „dass Verbraucher künftig die Wahl haben, Erzeugnisse von Tieren kaufen zu können, die sich von gentechnikfreiem Futter ernährt haben”, erklärt Gerd Billen, Vorstand des vzbv. Die vorgeschlagene Kennzeichnung soll möglich sein, wenn (1) „das Lebensmittel liefernde Tier selbst nicht gentechnisch verändert ist” und (2) „sichergestellt wird, dass das Futter, mit dem die Tiere gefüttert wurden, nicht nach der EU-Verordnung kennzeichnungspflichtig ist”.(6)

Grain-Club dagegen

Torpediert wird das Vorhaben von verschiedensten Verbänden aus der Landwirtschaft, nicht zuletzt vom „Grain Club”, einer Gesprächsplattform landwirtschaftlicher Verbände aus dem Bundesverband der agrargewerblichen Wirtschaft, dem Deutschen Raiffeisenverband, dem Deutschen Verband Tiernahrung, dem Verband Deutscher Mühlen, dem Verein der Getreidehändler der Hamburger Börse und dem Verband Deutscher Ölmühlen. Diese hatten unmittelbar nach dem Vorstoß des vzbv einen parlamentarischen Abend veranstaltet. Ihre Kritik bezieht sich in erster Linie auf den Begriff „gentechnikfrei”, den sie für eine Verbrauchertäuschung halten, da es durchaus Anwendungen der Gentechnik gebe, die von den in Deutschland derzeit diskutierten Vorschlägen nicht erfasst würden.(7) Dem könnte insofern entsprochen werden, als dass die neue - ergänzende - Kennzeichnung in der NLV sich nur auf die Pflanzen und pflanzlichen Bestandteile im Futter beschränkt wird, was dann zum Beispiel auf „von ohne gentechnisch veränderte Pflanzen gefütterten Tieren” hinauslaufen könnte. Der Vorsitzende des Bundes ökologische Lebensmittelwirtschaft, Felix Prinz zu Löwenstein, betont ärgerlich, dass sich „diejenigen, die jetzt darum ringen, dass auch eine GVO-Herstellung von Tierarzneimitteln und Vitaminen durch gentechnisch veränderte Mikroorganismen zur Kennzeichnung führen müsste, sich für einen möglichst hohen Grenzwert (0,9 Prozent) stark gemacht haben”, als es um die Verunreinigung von Lebens- und Futtermitteln mit gentechnischem Material ging. „Noch schlimmer: Es sind dieselben, die durchsetzen wollen, dass für Lebensmittel nicht zugelassene GVO undeklariert in Nicht-GVO-Lebensmitteln vorkommen dürfen”.(8)
  1. Die Kennzeichnungsregeln der EU folgen - verkürzt - dem Prinzip, dass nur gekennzeichnet werden muss, was aus GVO besteht oder selbst ein GVO ist. Was jedoch unter Verwendung von GVO hergestellt wurde, muss nicht gekennzeichnet werden. Das führt zum Beispiel dazu, dass Soja-Öle, die aus gv-Soja gepresst wurden, gekennzeichnet werden, selbst dann, wenn an dem Öl aufgrund der Raffinierung und Filterung nicht festgestellt werden kann, ob gv-Soja eingesetzt worden ist.
  2. „Verordnung zur Durchführung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften über neuartige Lebensmittel und Lebensmittelzutaten und über die Kennzeichnung von Erzeugnissen aus gentechnisch veränderten Sojabohnen und gentechnisch verändertem Mais sowie über die Kennzeichnung ohne Anwendung gentechnischer Verfahren hergestellter Lebensmittel (Neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutaten-Verordnung - NLV)”.
  3. Pressemitteilung der SPD-Bundestagsfraktion vom 7.11.2007. Im Netz unter: www.spdfraktion.de.
  4. Die beiden anderen Bedingungen lauten, dass die entsprechende Kennzeichnung möglich ist, wenn „es nicht aus einem genetisch veränderten Organismus besteht oder aus einem genetisch veränderten Organismus hergestellt worden ist, (...) dem Tier, von dem das Lebensmittel gewonnen worden ist, keine Futtermittel oder Futtermittelzusatzstoffe oder Arzneimittel im Sinne des § 2 des Arzneimittelgesetzes verabreicht worden sind, die mit Hilfe gentechnischer Verfahren hergestellt worden sind”.
  5. Siehe dazu auch das Interview mit Karin Artzt-Steinbrink im Gen-ethischen Informationsdienst (GID) 176 vom Juni 2006. Im Netz unter: www.gen-ethisches-netzwerk.de > GID: Gen-ethischer Informationsdienst
  6. Pressemitteilung des Verbraucherzentrale Bundesverband vom 7.11.07. Im Internet unter: www.vzbv.de. Mit der genannten EU-Verordnung ist die Verordnung über gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel (EC/1829/2003) gemeint.
  7. Pressemitteilung vom 15.11.07 im Netz unter: www.raiffeisen.de.
  8. Persönliche Kommunikation.
GID Meta
Seite 25 - 27

Christof Potthof war bis Ende April 2020 Mitarbeiter im GeN und Redakteur des GID.

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MON810 wieder genehmigt

Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hat den Beobachtungsplan der Firma Monsanto für den gentechnisch veränderten (gv) Mais der Linie MON810 anerkannt. Damit ist es wieder erlaubt, den Mais in Verkehr zu bringen. Der neue Beobachtungsplan basiert im wesentlichen auf zwei Säulen: Ein Fragebogen wird an MON810-anbauende Landwirte verteilt. Damit sollen gegebenenfalls unmittelbar den Anbauort betreffende schädliche Auswirkungen der Kultivierung erfasst werden. Zwei Netzwerke von Umweltbeobachtern sollen Informationen zur Art des Monitorings (monitoring character) und zu den relevanten Einflussfaktoren (influencing factors) ergeben. Diese Struktur ist nach Angaben von Monsanto auf der Basis von Forschungen der Biomath GmbH, Rostock, entstanden. Beteiligt sind bereits bestehende Umweltbeobachtun gen, so zum Beispiel das Deutsche Bienenmonitoring - der vorgeschlagene Link landet auf einer Website von Bayer - das Wildtier-Informationssystem der Länder und das Birdrace der Deutschen Avifaunisten (DDA). Wie die Kooperation im Detail aussehen wird und ob das Auffindden eventueller negativer Effekte erwartet werden kann, ist mit den jetzt vorliegenden Informationen des Beobachtungsplans noch nicht abschließend zu bewerten. Monsanto selbst beschreibt die Methode wie folgt: „Monsanto wird auf der Basis von jährlich (..) zu erstellenden Berichten analysieren, ob irgendein negativer Effekte als Ergebnis des Anbaus von MON810 identifiziert werden kann.“ Der von Monsanto eingereichte Beobachtungsplan ist auf den Internetsseiten des BVL veröffentlicht.
(PM BVL, 07.12.07, www.bvl.bund.de, mit Link zum Beobachtungsplan; PM Monsanto, 05.12.07, www.monsanto.de) (pau)