Gendreck weg

Starke Worte finden die Initiatoren der Aktion "Gendreck weg". In der aktuellen Diskussion spalten sie - vermutlich ohne es zu wollen - die KritikerInnenszene der Agrogentechnik.

Der in diesem Jahr auf deutschen Feldern gestartete kommerzielle Anbau gentechnisch veränderter Maissorten wird von vielen Menschen milde gesagt als Provokation empfunden. Wenn man genauer hinsieht, kann man auch Angst vor einer konkreten Bedrohung ausmachen. Insbesondere bei Bio-Bauern und Bäuerinnen ist auch Hilflosigkeit zu sehen. Schützen in der aktuell gültigen Version des Gentechnikgesetzes die Haftungsregeln vor unmittelbaren finanziellen Einbußen im Schadensfall, bleiben schwerer zu berechnende Faktoren wie regionales Renommee oder Imageschäden für einzelne Höfe ungedeckt. Hinzu kommt die Sorge um eine schleichende Verunreinigung. Hier durch das Saatgut, an anderer Stelle in der Verarbeitung oder durch Auskreuzung - Quellen dafür gibt es genug. Hier setzen die Aktivisten von "Gendreck weg! - Freiwillige Feldbefreiung" - an. Sie stehen den Vertretern der Bewegung, die andere politische Formen gewählt haben, gegenüber. Trotz des selben Ziels, die Gentechnik in ihren Schranken halten zu wollen.

Flure des Bundestages

Die Apparatschiks der gentechnikkritischen Bewegung rennen seit zwei Jahren die Flure des Bundestages rauf und runter, um mit der - ihrer - Bundesregierung ein neues Gentechnikgesetz zu verhandeln. Darin wird unter anderem die friedliche Koexistenz zu regeln sein, zwischen der Landwirtschaft, die die gentechnisch veränderten Sorten einsetzen will und den gentechnikfrei produzierenden Landwirten. Die Koexistenz und ihr Funktionieren ist politisch beschlossene Sache. In der Theorie dieses Nebeneinanders wird Verschiedenstes bemüht, damit sie funktioniert: Abstandsregeln sind das Mittel der Wahl, aber auch von Hecken ist die Rede, Hecken, die den Pollen stoppen sollen, auf dass er nicht die Ernte des Nachbarn kontaminiert, wie es die einen nennen, oder verunreinigt. Auch das Reinigen von Maschinen wird wohl Teil des Koexistenz-Konzeptes - schwer vorstellbar, wie das funktieren soll in der Hektik der Erntezeit, in der vielerorts praktisch rund um die Uhr gearbeitet wird. Jetzt gibt es vielleicht Neuwahlen. Eine neue Bundesregierung wird sicher einiges anders machen. Die aktuelle Situation spielt den Gendreck-weg-Leuten selbstredend in die Hände, trauen sie doch den theoretischen Konzepte zur Koexistenz keinen Deut über den Weg. Gerade mit den zu erwartenden pragmatischen Regelungen einer möglichen neuen Regierung zeigt sich, wie relativ (kurzlebig ) Gesetzestexte sein können. Doch darf man sich nichts vormachen: Die Aufweichung der Transparenz im Standortregister zum Beispiel ist schon seit geraumer Zeit Verhandlungsmasse zwischen der Bundesregierung und den SPD-geführten Ländern im Bundesrat. Die schlaggenaue Nennung der GVO-Äcker wäre dort sowieso gefallen. Abgemähte Felder sind dafür nicht nötig. Transparenz ist politisch nicht gewollt!

Fünfzig Personen

Also Felder befreien? Die Organisatoren von Gendreck-weg wollen eine öffentliche gewaltfreie Aktion. In anderen Ländern gab es in der Vergangenheit vergleichbare Aktionen, und gerade in Frankreich werden sie wohl auch wieder in diesem Jahr stattfinden. Der französische Bauernführer Jose Bové hat doch gerade erst wieder dazu aufgerufen und verkündet, in diesem Jahr sei die Liste der UnterstützerInnen, der fauchers volontaires oder freiwilligen Mäher, mit deutlich mehr als 4.000 Personen länger als in den letzten Jahren. Doch damit ist auch schon gesagt, was die französische Situation von der deutschen unterscheidet: Auf der Liste der UnterstützerInnen von "Gendreck weg!" stehen Anfang Juni knapp fünfzig Personen, darunter auch Jose Bové. Hinzu kommen nochmals etwa zwanzig, die sich solidarisch erklären. Ob das genug der Unterstützung ist, wenn es tatsächlich zu einer - oder mehreren - Aktion(en) kommt, gefolgt von Prozessen und ihren Kosten - man weiß es nicht. Auch in Großbritannien haben ähnliche Feldbefreiungen stattgefunden. In Deutschland gibt es zu der aktuellen Initiative, die ihre Wurzeln in Baden-Württemberg hat, vor allem eines: Schweigen. Dieses Schweigen ist nicht so leicht verständlich. Vielleicht ist es ein Ausdruck dafür, dass sich die verschiedenen Richtungen der gentechnikkritischen Bewegung ein bisschen aus den Augen verloren haben ...

Erschienen in
GID-Ausgabe
170
vom Juni 2005
Seite 34

Hannah Laup ist freie Journalistin und lebt in Halle an der Saale.

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