Kurz notiert - Politik und Wirtschaft
Entwurf für ein neues Gentechnikgesetz
Ein neuer Bundestag, aber noch kein Koalitionsvertrag. Um „dieses einmalige Zeitfenster frei und ohne Zwänge“ zu nutzen, fordert die SPD-Fraktion die Abgeordneten des neu gewählten Parlaments auf, ihren Entwurf für ein neues Gentechnikgesetz (GenTG) zu unterstützen. Der Entwurf war im November 2015 bereits vom Bundesrat beschlossen worden und genießt die Unterstützung verschiedener zivilgesellschaftlicher Gruppen. Für die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) kommentiert deren Bundesvorsitzender Martin Schulz: „Die in dem Gesetzesvorschlag vorgesehenen bundesweiten, vom Bund erteilten Anbauverbote sind genau das, was wir brauchen, um eine gentechnikfreie Landwirtschaft und Lebensmittelerzeugung sicher zu stellen.“ (Drucksache des Deutschen Bundestages 19/14, 24.10.17, www.bundestag.de; PM SPD-Bundestagsfraktion, 27.10.17; www.spdfraktion.de; PM AbL, 27.10.17) (pau)
Fünfjahresbilanz von LifeCodexx
Der PraenaTest von LifeCodexx, der verschiedene Chromosomenabweichungen des Fötus aus den Blut der schwangeren Frau bestimmen kann, ist mittlerweile seit fünf Jahren auf dem deutschen Markt. Der Preis zur Bestimmung der fetalen Trisomie 21 ist in dieser Zeit von 1.249 Euro auf 199 Euro gesunken, die Wartezeit auf das Ergebnis von drei Wochen auf wenige Tage. Die in Konstanz ansässige Firma vertreibt den Test in rund 50 weiteren Ländern in Europa, dem Nahen Osten und Asien. Seit seiner Markteinführung im August 2012 wurden mehr als 80.000 Analysen durchgeführt, ungefähr jede zweite Blutprobe war von einer deutschen Schwangeren. Zur Zeit prüft der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) im Rahmen des sogenannten Methodenbewertungsverfahrens, ob die nicht invasiven molekulargenetischen Bluttests (NIPT) zur Bestimmung des Risikos einer fetalen Trisomie 13, 18 und 21 von den Krankenkassen bezahlt werden sollen. Das mit der Prüfung beauftragte Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat für Mitte Dezember einen Zwischenbericht angekündigt, das Ergebnis der Prüfung wird für 2019 erwartet. (https://lifecodexx.com, 22.08.17; www.iqwig.de, 30.10.17) (ka)
NL: Finanzierung NIPT abgelehnt
Die Niederlande finanzieren den nicht invasiven Bluttest auf Trisomie 21 aus dem Blut der schwangeren Frau nun doch nicht für alle Schwangeren; das entsprechende Gesetz scheiterte im Parlament. Die vier-Parteien-Allianz aus der rechtsliberalen VVD, der christdemokratischen CDA, der linksliberalen D66 sowie der Christen-Union CU hatte bis Oktober rund 200 Tagen über die Regierungsbildung verhandelt. Die Koalition verfügt im Parlament lediglich über eine Mehrheit von einer Stimme. Die ehemalige Gesundheitsministerin der VVD, Edith Schippers, hatte das Gesetz in der vorangegangenen Legislaturperiode unterstützt. Ihre Partei stimmte jedoch im September gegen die Kompensation für die Testkosten, genauso wie die D66, die ebenfalls dafür gewesen war. Es wird spekuliert, dass dies als Konzession an die beiden christlichen Parteien zu werten sein könnte. Die Christen-Union befürchtete eine Zunahme von Abtreibungen, wohingegen sich die CDA vor allem gegen die Finanzierung für alle Schwangeren aussprach und den Test nur für Risikoschwangere finanzieren wollte. Am ersten Tag seiner Verfügbarkeit in den Niederlanden machten 800 Frauen Termine, um den Test durchführen zu lassen. Zurzeit müssen schwangere Frauen 175 Euro für den Test bezahlen, der Staat übernimmt die restlichen 285 Euro. Für dieses Programm wurden 26 Millionen zur Verfügung gestellt. (https://nltimes.nl, 13.09.17) (ka)
VerbraucherInnen: Genome Editing ist Gentechnik
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat im Rahmen eines Forschungsprojektes untersucht, wie es um die öffentliche Wahrnehmung von sogenannten Genome Editing-Verfahren bestellt ist. Mit diesem Begriff werden verschiedene neue Gentechnik-Verfahren beschrieben. (Siehe auch den Beitrag „Eine Naturschutz-Sicht auf Genome Editing” auf Seite 13 dieser GID-Ausgabe). Dem BfR zufolge gehört zu den wesentlichen Ergebnissen die Erkenntnis, dass die Verfahren des Genome Editing von den Teilnehmenden an den Interviews der Studie als eine Form der Gentechnik wahrgenommen werden, obwohl eine entsprechende rechtliche Einstufung bisher nicht erfolgt sei. Damit verbunden sei eine für die klassischen gentechnischen Verfahren typische Ablehnung. Die Teilnehmenden forderten eine Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel, die unter Verwendung der Techniken hergestellt worden sind. (PM BfR, 24.10.17, dort auch Zugang zu der 55-seitige Studie) (pau)
Monsanto-LobbyistInnen aus dem EU-Parlament geworfen
Wie die taz berichtet, hat das Europäische Parlament die LobbyistInnen-Ausweise von Monsanto eingezogen. MitarbeiterInnen des US-Gentech-Branchenprimus hatten es abgelehnt, an einer Anhörung des Europarlaments zu dem Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat und den sogenannnten Monsanto papers teilzunehmen. Schon 2016 war - laut taz - damit gedroht worden, FirmenvertreterInnen ihre Hausausweise zu entziehen, weil sie einer Anhörung - seinerzeit zu den sogenannten Panama papers - ferngeblieben waren. Aktuell steht der Verdacht im Raum, dass der Konzern die EU-Bewertung von Glyphosat beeinflusst hat. (taz, 29.09.17, www.taz.de; siehe auch den Beitrag „Monsantos Strohmann“ von Christoph Then auf Seite 35 dieser GID-Ausgabe) (pau)
Kambodscha will kommerzielle „Leihmutterschaft“ verbieten
Die kambodschanische Regierung plant ein permanentes Verbot für kommerzielle „Leihmutterschaft” und folgt damit Indien, Nepal und Thailand. Dadurch soll die Ausbeutung von Frauen verhindert werden. Das südostasiatische Land gehörte über Jahre hinweg zu einem der wichtigsten Ziele von westlichen Paaren mit Kinderwunsch. Wegen illegaler Geschäfte mit der Vermittlung von „Leihmüttern“ ist eine Australierin im August zu eineinhalb Jahren Haft und einer Geldstrafe von 825 Euro verurteilt worden. Sie soll gefälschte Papiere besorgt haben. Zusammen mit ihr wurden auch zwei kambodschanische Kundinnen zu jeweils 18 Monaten Haft verurteilt. (ntv.de, 03.08.17; BioNews, 29.08.17 www.bionews.org.uk) (ka)
Unverheiratete Paare: PKV muss IVF zahlen
Laut Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe ist die Beschränkung der Kostenerstattung für eine künstliche Befruchtung auf Ehepaare in der privaten Krankenversicherung (PKV) unzulässig. Die Versicherungsbedingungen hatten den Anspruch auf verheiratete Paare begrenzt, zudem müsse ein Partner „organisch steril“ sein. Da die PKV ausschließlich wirtschaftliche Interessen verfolge sei die Unterscheidung zwischen verheirateten und unverheirateten Versicherten mit Kinderwunsch laut Gericht willkürlich und die Vertragsbestimmung damit unwirksam. Auch ohne völlige Sterilität könne ein Anspruch auf Kostenübernahme bestehen, wenn eine Schwangerschaft mit hohen Risiken verbunden wäre. Die Revision zum Bundesgerichtshof wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falles zugelassen. (www.aerztezeitung.de, 13.10.17) (ka)
Österreich: Geflügel wird gentechfrei gefüttert
Jahrelanger zivilgesellschaftlicher Druck hat der Verwendung von gentechnisch veränderten (gv) Futtermitteln in der österreichischen Geflügelmast ein Ende bereitet. Zum ersten Juli stellten die letzten Putenmastbetriebe auf gentechfreie Produktion um. 2012 waren die österreichischen Hühnerfabriken mit der Umstellung auf gentechfreies Futter vorangegangen. Greenpeace Österreich meldet in diesem Zusammenhang eine Verringerung des österreichischen gv-Soja-Imports um 3.000 Tonnen. Doch machen diese nur ein knappes Prozent der Futtermittelimporte von gv-Soja aus: In Schweine- und Rindermast werden in der Alpenrepublik weiterhin jedes Jahr 300.000 Tonnen gv-Soja verfüttert. Deutschland hinkt in Sachen gentechfreie Geflügelmast hinterher: Gastronomie ebenso wie Markenhersteller bieten unverändert Geflügelfleischprodukte deutscher Herkunft an, die unter Einsatz von gv-Futtermitteln produziert wurden. (www.greenpeace.at, 27.07.17) (hp)
Kommt gv-Lachs wegen CETA?
Die Umweltorganisation Greenpeace hat davor gewarnt, dass gentechnisch veränderter (gv) Lachs aus Kanada auch in Deutschland in den Handel kommen könnte. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) habe dies auf eine entsprechende Nachfrage „nicht zu 100 Prozent“ ausschließen wollen. Greenpeace-Sprecher Christoph von Lieven fordert, die Behörden in Deutschland müssten „Importe aus Kanada verhindern“, so lange nicht klar sei, wie der Handel mit genmanipulierten Lebensmitteln gestoppt werden kann. Kanada hatte erst in diesem Jahr gv-Lachs als Lebensmittel zugelassen. Greenpeace hat vom Institute for Agriculture and Trade Policy Europe erstellte Materialien herausgebracht, die den möglichen Import von gv-Lachs auch im Zusammenhang mit der vorläufigen Anwendung des CETA-Abkommens mit Kanada diskutieren. Durch CETA werden Lachs-Importe in die EU steigen, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass auch gv-Lachs unter der Importware ist. Siehe dazu auch den Artikel „Gentechnik-Lachs für alle?” von Theresia Scheierling auf Seite 23 dieser GID-Ausgabe. (PM Greenpeace, 21.09.17, www.greenpeace.de) (pau)
PID auf Aneuploidie des Embryos?
Bei bestimmten Gruppen kann ein Test auf Aneuploidie, zu der auch die Trisomien zählen, im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik (PID) für die Schwangerschaft medizinisch sinnvoll sein. Die in der Fachzeitschrift „Ethik in der Medizin“ veröffentlichten Überlegungen kommen zu dem Schluss, dass die gegenwärtige Rechtslage in Deutschland die PID auf eine solche Chromosomenfehlverteilung im Embryo nicht ausschließt. Ethisch sei es nur fragwürdig, wenn eine künstliche Befruchtung (IVF) ausschließlich deshalb durchgeführt werde, um einen Aneuploidietest vornehmen zu lassen. Wenn aber die IVF wegen einer indizierten Unfruchtbarkeitsbehandlung durchgeführt werde oder die PID zur Vermeidung anderer vererbbarer Chromosomenschädigungen oder vererbbarer Behinderungen durchgeführt werde, könne ein Test auf Aneuploidie als Zusatzbefund erhoben, beziehungsweise ein Antrag darauf bei der zuständigen Ethikkommission gestellt werden. Weder die Vermeidung einer Diskriminierung von Menschen mit Aneuploidien noch der Embryonenschutz würden dagegen sprechen. Gute Gründe für die Zulässigkeit seien die „gute Praxis“ der IVF, die Pflicht gegenüber dem entstehenden Kind und die Mitsprache des Paares - alle drei sind jedoch fragwürdig. Die in Deutschland relativ restriktive Regelung soll mit solchen Argumenten erkennbar aufgeweicht werden. (Ethik in der Medizin, September 2017, Volume 29, Issue 3, pp 201–216, https://link.springer.com) (ka)
DowDupont-Aktien
Seit dem ersten September werden die Aktien der US-Chemieriesen Dow und DuPont am New York Stock Exchange gemeinsam gehandelt. Damit ist die Fusion der beiden Giganten effektiv abgeschlossen. Mittelfristig soll der neue Mega-Konzern in drei Einzelteile zerteilt werden, von denen eines vor allem die Agraranteile bündeln wird. Aktuell ist DowDupont der größte Chemiekonzern weltweit.(www.dowdupontunlockingvalue.com, www.dow.com und www.dupont.com, 05.09.17) (hp)
Gilead kauft Kite
Die US-amerikanische Pharmafirma Gilead Sciences kauft Kite Pharma für 12 Milliarden US-Dollar in bar, umgerechnet zehn Milliarden Euro. Die Transaktion wurde kurz vor der Zulassung einer neuartigen Gentherapie gegen Krebs von Kite in den USA beschlossen (siehe Notiz „Gentherapie gegen Krebs” auf Seite 26). In Europa wird im nächsten Jahr ein positives Votum für die CAR-T-Zell-Therapie von Kite erwartet - ein Zulassungsantrag liegt bis jetzt jedoch noch nicht vor. Die Firma entwickelt auch andere Krebstherapien, bei denen Immunzellen gentechnisch verändert werden. Gilead stellte bis jetzt vor allem Medikamente gegen HIV und Hepatitis C her. Von den CAR-T-Zelltherapien werden laut ExpertInnen Milliardenumsätze erwartet. Die jetzt zugelassene Therapie Yescarta soll 373.000 US-Dollar pro PatientIn kosten. (www.handelsblatt.com, 28.08.17; www.aerztezeitung.de, 30.08.17, 20.10.17) (ib)
Übernimmt BASF Bayer-Saatgutsparte?
Die beiden in Deutschland ansässigen Chemie-Konzerne Bayer und BASF haben einen Vertrag über den Verkauf von Teilen des Bayer-Saatgut- und -Pestizidgeschäfts abgeschlossen. Der Deal steht im Zusammenhang mit der geplanten Übernahme des US-Gentech-Konzerns Monsanto durch Bayer. Sollte diese Übernahme zustande kommen, wird BASF „wesentliche Teile der Saatgut- und nicht-selektiven Herbizid-Geschäfte von Bayer“ im Wert von 5,9 Milliarden Euro erwerben. Dies betrifft insbesondere die Pestizid-Marken Liberty, Basta und Finale - allesamt auf der Basis des Wirkstoffs Glufosinat. Außerdem erwirbt BASF die gentechnisch veränderten Pflanzen der Systemreihe LibertyLink. Darunter werden gv-Nutzpflanzen zusammengefasst, die tolerant gegenüber dem Herbizid-Wirkstoff Glufosinat sind. Bei Bayer waren das Raps, Baumwolle und Soja. Teil der Verabredung ist auch die Übernahme von Forschungs- und Entwicklungskapazitäten, Patenten und vergleichbaren Werten. Glufosinat gilt bei Säugetieren als fruchtschädigend. Französische Behörden haben erst Ende Oktober das letzte im Land zugelassene Spritzmittel mit Glufosinat, das unter dem Namen Basta F1 gehandelt wurde, verboten. Die Nachrichtenagentur Reuters meldet, dass eine Begutachtung Unsicherheiten bezüglich dessen Wirkung auf Umwelt und Gesundheit habe aufkommen lassen. Lange sah es so aus, als wolle Bayer die Zulassung in der Europäischen Union auslaufen lassen. Zuletzt wurde jedoch berichtet, dass der Konzern eine Verlängerung anstrebe und entsprechendes Material zur Vorlage bei den Behörden vorbereite. (PM BASF, 13.10.17, www.basf.com) (pau)
Muss Syngenta sich selbst bezahlen?
Die chinesische Agentur für Staatsbeteiligungen hat der Übernahme der schweizerischen Syngenta durch den chinesischen Staatskonzern ChemChina den Geldhahn zugedreht. Das berichtet die Neue Zürcher Zeitung Anfang Oktober in ihrer Online-Ausgabe. Demzufolge braucht Syngenta nun Geldgeber und hat mit der Suche mehrere Banken beauftragt. Ironischerweise wird als Grund eine Vergleichszahlung in den USA genannt, die ihren Anfang in China genommen hatte. China hatte Maislieferungen nicht ins Land gelassen, nachdem darin eine bestimmte gentechnisch veränderte Maislinie von Syngenta gefunden worden war. Auch grundsätzliche Kritik an „irrationalen“, das heißt wohl zu teuren Übernahmen in westlichen Ländern durch chinesische Unternehmen wird als Begründung für den neuen Sparkurs genannt. Dass die ganze Übernahme von Syngenta nachträglich platzt, wird bisher nicht vermutet. ChemChina hält seit Mitte Juli dieses Jahres 98 Prozent der Syngenta-Aktien. (www.nzz.ch, 7.10.17) (pau)
Gesetzgeber muss Personenstandsrecht ändern
Das Bundesverfassungsgericht hat am 8. November entschieden, dass die bisherigen Regelungen des Personenstandsrechts nicht mit den Anforderungen des Grundgesetzes vereinbar sind, da sie neben den Einträgen „männlich“ und „weiblich“ keine dritte positive Option zulassen. Es forderte den Gesetzgeber auf, bis Ende 2018 eine dritte Möglichkeit zu schaffen. Verfassungsrechtlich sei es aber auch zulässig, im Personenstandsregister einheitlich für alle ganz auf die Eintragung eines Geschlechts zu verzichten. Bis zur Änderung des Gesetzes dürfen Gerichte und Behörden nicht verlangen, dass sich Personen als männlich oder weiblich bezeichnen. Das Urteil bedeutet mehr rechtliche Anerkennung und Schutz für intergeschlechtliche und trans* Menschen. Es stellt klar, dass das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts aus Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes nicht nur Frauen und Männer, sondern auch andere Geschlechtsidentitäten schützt. Die Entscheidung dürfte damit nicht nur Auswirkungen auf das Personenstandsrecht, sondern auch auf andere Lebensbereiche haben. So darf nicht vergessen werden, dass das von Inter*Gruppen seit Langem geforderte explizite Verbot von nicht medizinisch notwendigen Operationen an Minderjährigen ohne deren Einwilligung immer noch nicht vom Gesetzgeber umgesetzt wurde. Die Normalisierung einer Geschlechtsoption jenseits der Möglichkeiten von Mädchen oder Junge kann es werdenden Eltern auch erleichtern, die pränatale Diagnose einer genetischen Intersexualität zu akzeptieren. (http://dritte-option.de und www.aerztezeitung.de, 08.11.17) (ka)
Hungerstreik gegen evangelische Kirche
Mitten im Lutherjahr droht Horst Rehberger, Vorsitzender des Forum Grüne Vernunft (FGV), mit einem Hungerstreik vor der Zentrale der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Seit Jahren lehnt die Leitung der EKD einen Dialog mit dem FGV zur Grünen Gentechnik ab. Doch sagte ihr Ratsvorsitzender, Heinrich Bedford-Strohm, auf dem diesjährigen evangelischen Kirchentag in Berlin, die EKD werde sich „immer wieder lautstark in gesellschaftliche Debatten einbringen“; sie suche „das Gespräch auch mit denen […], die Dialog ablehnen“. Den Dialog, zu dem ihn Rehberger einlädt, lehnt der Ratsvorsitzende allerdings ab: „leider keine Zeit“. Rehbergers Anliegen ist die Welternährung. Der strikt ablehnenden Haltung der EKD stellt er das Argument entgegen, gentechnisch veränderte Nahrungsmittel könnten zur besseren Proteinversorgung von durch Unter- oder Mangelernährung betroffenen Menschen etwa „in Asien und Afrika“ beitragen. In einem am 1. August in der Tageszeitung WELT veröffentlichten Offenen Brief droht Rehberger nun dem Kirchenratsvorsitzenden im Falle weiterer Dialogablehnung mit Hungerstreik vor dem EKD-Büro in Hannover. Nach Verstreichen des gesetzten Ultimatums am 19. August wurde weder über einen vereinbarten Termin noch über den tatsächlichen Beginn des Hungerstreiks berichtet. (Forum Grüne Vernunft, 01.09.17; www.gruenevernunft.de) (hp)
Nobelpreis für Anreiz-Theorie
Den Wirtschaftsnobelpreis erhielt dieses Jahr der US-amerikanische Wissenschaftler Richard H. Thaler für seine Arbeit an der Anreiz-Theorie. Diese widerspricht der lange Zeit geltenden Theorie des homo oeconomicus, der Annahme, dass Menschen rational agieren, um ihren Nutzen zu maximieren. Thalers Theorie nach handeln Menschen jedoch irrational. Um sie dabei zu unterstützen, doch vernünftige Entscheidungen zu treffen, beispielsweise was Gesundheitsvorsorge betrifft, kann die Politik so genannte Nudges (Anstupser) verwenden. Ein Anreiz nach Thaler sind keine Gesetze oder Verbote sondern das Angebot von Verhaltensalternativen - beispielsweise gesündere Alternativessen in besserer Reichweite und Ernährungsinformationen in Schulen und Betriebskantinen. KritikerInnen der Theorie sehen einen schmalen Grat zwischen solchen Anreizen und Manipulation. (www.spiegel.de, 09.10.17; www.aerztezeitung.de, 10.11.17) (ib)
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