Fleisch „Ohne GenTechnik"
Ein Metzger lässt seine Produkte zertifizieren
Seit 2008 gibt es die novellierte Verordnung für die Kennzeichnung „Ohne Gentechnik“. Ein Metzgermeister aus Unterfranken ist mit seinen Bauern den Weg durch die Zertifizierung gegangen.
Familie Pfaffenberger darf als erster handwerklich arbeitender Metzgereibetrieb in Deutschland ihre Produkte mit dem „Ohne GenTechnik“-Label kennzeichnen. Am Ende eines fast zweijährigen Prozesses bekam sie im Juli die Urkunde für die Zertifizierung durch die Firma Intertek überreicht. Aus diesem Anlass hatten Holger und Katja Pfaffenberger zu einer kleinen Feierstunde ins Rathaus von Partenstein in Unterfranken eingeladen. Dort versammelte sich ein Großteil der Menschen, die in den beiden vergangenen Jahren an diesem Prozess beteiligt waren. Ich selbst kam in den Genuss der Einladung - und später auch in den Genuss der Produkte der Metzgerei -, weil wir, Holger Pfaffenberger und ich, vor etwa einem Jahr über sein Vorhaben telefonierten. Diese Zertifizierung ist derzeit „das Ding” von Holger Pfaffenberger, seine Frau unterstützt das Ganze gerne. In einer für ihn typischen Art hatte er mich damals angerufen: „Herr Potthof, ich möchte die Produkte meines Betriebes „Ohne GenTechnik“ kennzeichnen - was muss ich tun?“ Pfaffenberger redet nicht um den heißen Brei herum. Wenn er Fragen hat, dann greift er zum Telefon. So kommt es, dass hier im Ratssitzungssaal von Partenstein eine illustre Runde zusammen gekommen ist: Ein Vertreter des Bund Naturschutz, eine Frau von der Metzgerei-Fachpresse, die Innung, die Handwerkskammer und natürlich die Bauern - drei an der Zahl. Einer mästet Schweine, der zweite mästet Bullen und der dritte liefert die Kälber. Dazu kommt die regionale Presse, MitarbeiterInnen der Firma Intertek (mit der Urkunde im Gepäck) und noch ein paar andere.
Die Pfaffenberger‘sche Nachhaltigkeit ...
Während der Feierstunde erklärt Pfaffenberger seine Motive. Nachhaltigkeit ist dabei eines von seinen Lieblingswörtern. Nachhaltig ist für ihn zum Beispiel, wenn wir etwas auch in zehn oder zwanzig Jahren noch so machen können, wie wir es jetzt tun. Nicht nachhaltig ist dagegen, wenn in Südamerika Kleinbauernfamilien und Landarbeiter mit Glyphosat vergiftet werden. Der Anbau des Sojafutters ist obligatorisch mit dem Einsatz des Unkrautvernichtungsmittels Roundup - oder eines anderen Mittels mit dem Wirkstoff Glyphosat - verbunden. Unzählige Berichte sind in den letzten Jahren bekannt geworden, wonach dieser Anbau und dieser Pestizideinsatz die Lebensgrundlagen vieler Campesinos und die Umwelt in Südamerika zerstört.1 „Das kann uns nicht egal sein“, sagt Holger Pfaffenberger dazu.
.. umfasst auch Vertrauen
Seine Vorstellungen von Nachhaltigkeit machen aber an dieser Stelle nicht halt: In seinem Konzept ist zum Beispiel auch Platz für die Bauern. Die Beziehung zu „seinen” Bauern ist ihm wichtig, was wohl nicht zuletzt daran liegt, dass er mit ihnen beziehungsweise deren Familien schon seit bis zu vierzig Jahren Geschäfte macht. Deshalb ist er mit seiner Idee auch zuerst zu ihnen, den Bauern, gegangen. Man hat sich zusammengesetzt und geschaut, was für eine gentechnikfreie Fütterung notwendig ist. Die Bauern, Armin Bandella (Kälber), Gerhard Sachs (Bullen) und Martin Stamm (Schweine) begannen bereits 2009 die Fütterung nach dem „Ohne Gentechnik“-Standard umzustellen. Martin Stamm hatte tatsächlich in der Vergangenheit gentechnisch verändertes (gv) Sojaschrot an seine Schweine verfüttert. Pfaffenberger bat ihn, auszurechnen, was es kosten würde, auf gentechnikfreie Ware umzustellen. Die Ferkel werden mit 12 bis 13 Wochen beim ihm angeliefert, wo sie in mindestens 17 Wochen von etwa 25 auf über 100 Kilogramm Schlachtgewicht wachsen. Herausgekommen sind zwei Cent Futtermehrkosten je Kilo Schweinefleisch. Ein halbes Jahr später wusste Pfaffenberger, was er an seinem Lieferanten hat. In einem Vortrag des Futtermittelhändlers Josef Feilmeier nannte dieser exakt jene zwei Cent Aufpreis je Kilo Schweinefleisch, die die teuereren Futtermittel ausmachen würden. Pfaffenberger freut sich: „Es geht doch nichts über ein vertrauensvolles Miteinander auch im Geschäftsleben. Der Martin hätte ja auch zwanzig oder fünfzig Cent Mehrkosten ‚ausrechnen’ können - er weiß ja, dass ich ihn an dieser Stelle nicht kontrolliere.“ Langfristige Lieferverträge und die Tatsache, dass Stamm jetzt in einen neuen Stall investiert, sind für Pfaffenberger ein gutes Zeichen - nachhaltig eben. Leicht zu erkennen, dass der gentechnikfreie Standard für die Kunden tragbar wäre - „wäre“, denn tatsächlich gibt Pfaffenberger diesen Aufpreis nicht an seine Kunden weiter. Diesen Aufpreis und auch den für das teuerere Futter bezahlt der Metzger. Auch die Bauern sollten nicht ausbaden müssen, was Pfaffenberger sich in den Kopf gesetzt hatte.
„Mir geht es um die Ethik.“
„Ob ich dann am Ende mehr oder weniger Kunden habe, wissen Sie, um ehrlich zu sein, ist mir das gar nicht so wichtig. - Ich will morgens in den Spiegel schauen können.“ Pfaffenberger vertritt nicht die Ansicht, dass seine Produkte unbedingt besser sind als die seiner Berufskollegen. Nur sind sie eben nachhaltiger produziert, das steht außer Frage. Strom vom Dach oder aus regionaler Wasserkraft, regionale Lieferanten, Wasser aus dem eigenen Brunnen und so weiter und so fort. Hier ist jedoch nicht die Rede von einem Bio-Metzger. Da hört es mit der Pfaffenbergerschen Logik von Nachhaltigkeit auf: Weil sich die meisten Kunden dies nicht leisten können, erreichen die Bio-Fleisch-Produzenten keine großen KäuferInnenschichten - und genau aus diesem Grund öffnet sich hier eine Tür für konventionelle Metzger, wie er selbst einer ist.
Zwischen billig-konventionell und Bio
Als handwerklich arbeitender Betrieb mit regionaler Verortung und direktem Kontakt zu Lieferanten und KundInnen kann er sehr gute Qualität liefern. Und von der Ohne-GenTechnik-Zertifizierung profitiert ja insbesondere auch die Kundschaft. „Jetzt können die Kunden endlich wählen.“ Bis zu achtzig Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland wollen Umfragen zufolge keine Agro-Gentechnik, nicht auf dem Acker und nicht auf dem Teller. Aber bei dem Gros der tierischen Produkte, Eier, Fleisch- und Milchprodukte, ist nicht ersichtlich, ob gentechnisch veränderte Bestandteile als Futtermittel in ihre Produktion eingegangen sind oder nicht. Bei den Produkten in der Metzgerei der Familie Pfaffenberg ist das jetzt anders.
Allergien waren der Startpunkt
Spekuliert man über die Motive des Holger Pfaffenberger, dann liegt es scheinbar nahe, dass man in Kitzingen landet. Ebenfalls in Unterfranken gelegen, war es in den Jahren 2006 bis 2008 praktisch der einzige Landkreis in Bayern beziehungsweise Südwestdeutschland, in dem gentechnisch veränderter Mais kommerziell angebaut wurde. Kitzingen ist weniger als 100 Kilometer von Pfaffenbergers Heimatort Partenstein entfernt, aber es liegt scheinbar am Rande des Wahrnehmungs-Radars der lokalen Öffentlichkeit - oder knapp dahinter. In den regionalen Diskussionen und auch für ihn selbst habe diese konkrete Anbausituation bei seiner Entscheidung, in die ‚non GMO‘-Zertifizierung für seine Produkte zu investieren keine Rolle gespielt. Vielmehr kamen immer häufiger KundInnen, die von irgendeiner Art von Lebensmittel-Allergie beziehungsweise -Unverträglichkeit geplagt waren. Das hat irgendwann dazu geführt, dass er ins Grübeln kam. So wurde Nachhaltigkeit zu seinem Thema.
... „nicht nur Luft getestet“
Das Besondere an der Metzgerei wie an dem Zertifizierungsprozess ist, dass Pfaffenberger vier verschiedene Fleischsorten im Angebot hat, die alle mit dem „Ohne GenTechnik“-Label gekennzeichnet werden sollen: Vierzig Schweine, zwei Bullen und je ein Kalb und ein Rind sind das im Monat. Wesentliche Teile der Zertifizierung werden über die Papiere erledigt: ausgehend von den Rezepturen der Produkte werden die Lieferscheine kontrolliert. Bei den Bauern werden zusätzlich Proben genommen und an ein Labor geschickt. Der Prozess beim Lamm ist in den letzten Monaten ins Stocken geraten und konnte „leider“, wie Pfaffenberger versichert, nicht pünktlich bis zum Festakt im Rathaus abgeschlossen werden. In einer Futterprobe ist gentechnisch verändertes Material gefunden worden. Aber: „Immerhin zeigt das auch, dass hier nicht nur Luft getestet wurde“. Metzger Paffenberger hat jetzt einen neuen Lieferanten für das Lammfleisch. Dessen Zertifizierung ist noch nicht abgeschlossen, aber auf gutem Weg.
Internet: www.metzgerei-pfaffenberger.de; www.intertek.de
- 1Siehe dazu auch den Beitrag „Grüne Wüsten“ auf Seite 10.
Christof Potthof war bis Ende April 2020 Mitarbeiter im GeN und Redakteur des GID.