Bayern und GVO
Gentechnikkritik im Freistaat
Der Freistaat hat sich zu einem der Hauptschauplätze in der deutschen Auseinandersetzung um den Einsatz der Agro-Gentechnik entwickelt.
Verwundert reibt man sich die Augen: 3.500 Menschen drängen sich am 16. Februar in die Inntalhalle in Rosenheim. Trachtler und Attac-Mitglieder, Imkerinnen und natürlich Bäuerinnen und Bauern. Sie sind gekommen, um Vandana Shiva zu sehen. Die weltweit bekannte indische Globalisierungs- und Gentechnikkritikerin ist die Hauptrednerin des Abends. Die Leit’ spenden ihr regelmäßig kräftigen Applaus - oft noch bevor die Übersetzerin zu Wort gekommen ist. Dass dieser Abend zustande gekommen ist, liegt zu aller erst an einem Mann, der in Bayern die politische Landschaft auf den Kopf zu stellen scheint. Von Christoph Fischer, Gründer der Initiative Zivilcourage schreibt die Süddeutsche Zeitung, er sei der „Bauernfänger”. Über die Veranstaltung in Rosenheim schreibt sie - irgendwo zwischen Unglauben und Faszination - es wäre wohl „der Traum eines jeden CSU-Politikers”, wenn aus dem ganzen Alpenvorland die Bauern zusammenströmen. Für Christoph Fischer ist das aber nicht genug, er verspricht seinen Gästen „irgendwann gehen wir ins Olympiastaion”. Spricht man mit Menschen, die Fischer begegnet sind, geraten diese auf eine sprachlose Art ins Schwärmen. Man weiß es nicht so recht zu fassen, wie er das macht, aber klar ist, er spricht die Sprache der Menschen und er macht seine Arbeit faszinierend unpratentiös. Zudem steht er als landwirtschaftlicher Berater und Multiplikator in Sachen effektive Mikroorganismen in unmittelbarem Kontakt zu vielen Bäuerinnen und Bauern.
Der Chor der Gentechnikkritik ist vielstimmig
Aber damit ist es nicht genug: Auch andere Gruppen machen in Bayern mobil: Natürlich der Bayerische Bauernverband und darin insbesondere die Kreisbauern, aber ebenso der Bund Naturschutz und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, alle - oft gemeinsam - seit Jahren in Bayern zur Gentechnik aktiv und äußerst erfolgreich bei der Gründung von gentechnikfreien Regionen. Neu hinzugekommen sind gerade in letzten beiden Jahren das eigentlich auf Online-Kampagnen spezialisierte Aktionsnetzwerk campact! und Gendreck-weg!, die Organisation der Feldbefreierinnen und Feldbefreier. Campact! hat sich - bereits im letzt-jährlichen Landtagswahlkampf - auf die Politikerinnen der CSU eingeschossen und begleitet aktuell Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner bei ihren Auftritten im Freistaat. Gendreck-weg! hatte im letzten Jahr mit Aktionen, nicht zuletzt mit der öffentlich angekündigten Feldbefreiung in der Nähe von Kitzingen, im Freistaat für Unruhe gesorgt. In diesem Jahr startet Gendreck-weg! mit einem Saatgutmarkt, der sich unter anderem an die Landwirte im Landkreis Kitzingen richtet, die für dieses Jahr den Anbau von gentechnisch verändertem Mais im Standortregister angemeldet haben. Auch das seit 2005 jährlich stattfindende gentechnikfreie Wochenende im Juli, mit anschließender Feldbefreiung, wollen die Gendreck-weg!-AktivistInnen wieder in Bayern, im Landkreis Kitzingen durchführen.
Ohne Verbot kein Einzug ins Europäische Parlament?
Dabei kann man das aktuelle Ringen der CSU um den Einzug in das Europäische Parlament (die CSU muss es bundesweit auf fünf Prozent bringen) wohl als das Glück der Tüchtigen ansehen - es scheint als könnte das zum Zünglein an der Waage der Entscheidung über das Verbot von MON810 werden. Wie eine von campact! veröffentlichte Meinungsumfrage verdeutlicht 1 muss die CSU mit Verlusten bei ihren Stimmen rechnen, wenn Aigner den MON810 nicht verbieten sollte bevor die Mais-Aussaat ab zirka Mitte April beginnt. Insgesamt sprachen sich mehr als 70 Prozent der befragten Bayerinnen und Bayern für ein Verbot dieses Mais aus. Selbst bei der FDP wünschen sich mehr als die Hälfte der potentiellen WählerInnen das Verbot des transgenen Mais. Christoph Fischer, soviel dürfte klar sein, ist an dieser Entwicklung nicht unschuldig.
Unter www.haberfeld.tv findet sich ein mehr als zwei Stunden umfassender Filmbeitrag über die Veranstaltung der Zivilcourage mit Vandana Shiva zum kostenfreien Ansehen. Die Internetseiten der Initiative selbst im Netz unter: www.zivilcourage.ro.
- 1Im Auftrag von campact! hatte das Meinungsforschungsinstitut emnid 534 Menschen über 14 Jahre zu Aspekten des Anbaus von gentechnisch veränderten Pflanzen in Bayern befragt. Siehe auch: www.campact.de.
Christof Potthof war bis Ende April 2020 Mitarbeiter im GeN und Redakteur des GID.