Rauschen im Blätterwald

Gentechnisch veränderter MON810 und Sicherheitsforschung

Weil die Bundeslandwirtschaftsministerin öffentlich über ein Verbot eines gentechnisch veränderten Mais nachdenkt, bekam sie nun Post von einem Wissenschaftler, der diese Pflanze untersucht hat. Über die Krise der so genannten Biosicherheitsforschung - nicht nur in Deutschland.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die in der Gentechnik aktiv sind, haben schon häufiger beklagt, dass es der Rest der Gesellschaft mit dieser Risikotechnologie nicht so hält, wie sie es gerne hätten. Für aktuelle Berichterstattung in dieser Sache sorgte ein offener Brief vom 18. Februar, den der Wissenschaftler Stefan Rauschen an Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner und den Bayerischen Staatsminister Markus Söder adressiert hatte.1 Rauschen, der am Institut für Pflanzenphysiologie der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen arbeitet, in der Vergangenheit an verschiedenen Projekten im Rahmen Sicherheitsforschung für gentechnisch veränderte Pflanzen beteiligt war und aktuell Koordinator eines Forschungsverbundes zur biologischen Sicherheit von Bt-Mais ist, ist besorgt, dass Aigners und Söders zunehmend kritische Haltung gegenüber der Nutzung gentechnisch veränderter (gv) Pflanzen in der Landwirtschaft und ein mögliches Verbot des gv-Mais MON810 2 „die Glaubwürdigkeit der deutschen und internationalen Forscher und der Institutionen, an denen diese Forschung durchgeführt wird” untergräbt. Rauschen fragt: „Wenn schon Politiker die Ergebnisse dieser Forschung nicht ernst nehmen und berücksichtigen, warum sollten das die Bürger tun?”

Nur die halbe Wahrheit

Was der Forscher in seinem Brief nicht schreibt, ist, dass es in den vergangenen Jahren durchaus widersprüchliche Ergebnisse bei der Untersuchung von gentechnisch veränderten Pflanzen gegeben hat, insbesondere auch bei den so genannten Bt-Sorten, die ein Gift des bodenlebenden Bakteriums Bacillus thuringiensis bilden, und für Insekten giftig sind.3 Rauschen selbst vergleicht in seinem Brief die Umweltwirkung der Bt-Pflanzen mit der von Maisflächen, die mit chemischen Insektiziden behandelt wurden. Dabei bleibt aber unerwähnt, dass in Deutschland nur etwa fünf Prozent des Maisanbaus mit Insektiziden erfolgt. Normalerweise verzichten Landwirte ganz auf entsprechende Behandlungen und setzen eher auf ackerbauliche Maßnahmen. Somit reproduziert der RWTH-Wissenschaftler genau das, was zur Ausbildung eines nachhaltigen Misstrauens gegenüber seiner Zunft, den WissenschaftlerInnen in der Biosicherheitsforschung, erst hervorgebracht hat: Er erklärt einen Teil der Forschungslandschaft, einen Teil der Ergebnisse zum allein bedeutenden Teil. Auf eine Antwort wartet Rauschen, nach Angaben auf dem Online-Portal agrarheute.com bislang vergeblich. Diese wird Rauschen möglicherweise auf indirektem Wege erhalten, wenn Bundeslandwirtschaftsministerin Aigner den Anbau von MON810-Mais tatsächlich verbieten sollte. Eine entsprechende Entscheidung wird, so war aus ihrem Hause wiederholt zu hören, möglichst vor dem Beginn der Frühjahrsaussaat, das bedeutet vor Mitte April fallen. Aigner will in erster Linie einen den MON810-Anbau im Jahre 2008 betreffenden Bericht von Monsanto auswerten, den der Konzern Ende März abgeben musste.

Gabriel untertützt Verbote in Brüssel

Eine Steilvorlage für ein Verbot hat die Ministerin von ihrem Kabinettskollegen Siegmar Gabriel bekommen, der Anfang März in Brüssel nationale Anbauverbote von Ungarn und Österreich unterstützte. Beide Länder haben den Anbau von MON810 verboten, da sie Gefahren für die Umwelt sehen, die in der bisherigen Beurteilung des Mais seitens der für dessen europäische Zulassung zuständigen EU-Instituionen nicht berücksichtigt worden sind. Zum wiederholten Male hat die EU-Kommission, mit Unterstützung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, die Rücknahme dieser Verbote gefordert, aber - ebenso zum wiederholten Male - im EU-Umweltministerrat eine herbe Abstimmungsniederlage einstecken müssen.4 Unabhängig von der wissenschaftlichen Beurteilung des MON810-Mais, hat sich Gabriel in seinem Pressestatement in Brüssel zu den von der EU-Kommission verfolgten politischen Vorgängen geäußert: „Ich möchte einmal wissen, ob der amerikanische Kongress sich derart ins Zeug legen würde zur Verfolgung europäischer Wirtschaftsinteressen eines einzelnen Unternehmens, wie es jetzt die EU-Kommission zur Verfolgung der Wirtschaftsinteressen eines amerikanischen Unternehmens tut - gegen die großen Sorgen bei uns in der Bevölkerung?” Ganz explizit zu den ins Feld geführten Argumenten wird dagegen im Rahmen eines neuen Berichtes Stellung bezogen : Für den BÖLW, den Spitzenverband der deutschen ökologischen Lebensmittelwirtschaft und andere Organistionen haben die Rechtsanwältin Katrin Brockmann und der Gentechnikexperte Christoph Then die Forderung nach einem Anbauverbot unterstrichen.5 Dies geschah zum Beispiel seitens der Zentralen Kommission für Biologische Sicherheit (ZKBS), einer Art wissenschaftlichem Aufsichtsrat in Sachen Bewertung von gentechnisch veränderten Organismen. Die ZKBS hatte Ende 2007 zum MON810 ein Papier heraugegeben, in dem, wie Then und Brockmann zeigen, zum Beispiel die Gefährdungen von Florfliegenlarven durch Bt-Maispflanzen als wiederlegt dargestellt werden. Dabei werde aber von der ZKBS unterschlagen, dass sich die Versuchsansätze der beiden betreffenden Untersuchungen (Hilbeck und Kollegen 1998 und 1999; Romeis und Meisle 2006) in einer Art und Weise unterscheiden, dass „keine wirklich wissenschaftlich tragfähige Widerlegung der Gefährdung von Florfliegen” abgeleitet werden kann. Zudem verwende die ZKBS A-priori-Annahmen als - wissenschaftlich unzulässige - Argumente. Insofern befindet sich Stefan Rauschen in bester Gesellschaft und kann entsprechend auch daran mitwirken, dass die Anerkennung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Zukunft wieder zu ihrem Recht kommt. Wichtige Voraussetzung dafür wäre aber, dass die geäußerte Kritik ernst genommen wird. Dies ist nicht der Fall - in der Regel wird sie vom Tisch gewischt.

  • 1Siehe dazu auf den Seiten der vom Bundesforschungsministerium geförderten Biosicherheitsforschung: www.biosicherheit.de, 18.02.09. Dort auch der Brief von Stefan Rauschen zum Herunterladen. Außerdem ein Interview mit Rauschen auf www.agrarheute.com.
  • 2Der gentechnisch veränderte Mais MON810 des US-Gentech-Konzerns Monsanto ist die einzige in der Europäischen Union zum Anbau, das heißt zur kommerziellen Nutzung zugelassene gentechnisch veränderte Pflanze. Das von der Pflanze produzierte Gift soll den Mais gegen den Maiszünsler schützen.
  • 3Zu den Umweltwirkungen von Bt-Mais siehe zum Beispiel den Beitrag „Bt-Mais wirkt auch am Ziel vorbei” von Martha Mertens im GID 177, August 2006. Im Netz unter www.gen-ethisches-netzwerk.de.
  • 4Das EU-Verfahren sieht eine Abstimmung im EU-Ministerrat vor, wenn in den entsprechenden Regulierungsausschüssen keine Mehrheit für den Vorschlag der EU-Kommission zustande gekommen ist. Im vorliegenden Fall hält die EU-Kommission die Verbote von Ungarn und Österreich für nicht in Einklang stehend mit den EU-Verträgen, das heißt mit der EU-Freistetzungsrichtlinie. Diese setzt voraus, dass es neue wissenschaftliche Erkenntnisse über die Gefährlichkeit einer zugelassenen Sorte für Umwelt oder Gesundheit gibt, um den Mitgliedstaaten der Union den Weg des Verbotes über die so genannte Schutzklausel zu ermöglichen. Im Ministerrat mussten etwa zwei Drittel der nach Bevölkerungszahlen auf die Länder verteilten Stimmen gegen die Vorlage der Kommission vereinigt werden, um deren Vorschlag (die Verbote Ungarns und Österreichs aufzuheben) zurüchzuweisen. Da nur Finnland, Großbritannien, Niederlande, Schweden und Estland für die Vorschläge der Kommission stimmten, wurde diese Mehrheit erreicht.
  • 5Siehe dazu auch in diesem Heft unter „Landwirtschaft und Lebensmittel - kurz notiert”. Zu den von Then und Brockmann zitierten wissenschaftlichen Publikationen, siehe in ihrem Bericht.
Erschienen in
GID-Ausgabe
193
vom April 2009
Seite 44 - 45

Christof Potthof war bis Ende April 2020 Mitarbeiter im GeN und Redakteur des GID.

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