Amflora - ein Nachruf

Das Ende der gentechnisch veränderten Kartoffel der BASF

Seit 2007 beschäftigt der Anbau der gentechnisch veränderten BASF-Kartoffel Amflora in den mecklenburgischen Dörfern Zepkow, Bütow und Dambeck die Bürgerinitiative „Müritzregion - gentechnikfrei“.

Am 2. März 2010 wurde Amflora, die Gentechnik-Kartoffel der BASF Plant Science GmbH, in der EU für den Anbau zugelassen. Uns von der Bürgerinitiative „Müritzregion-gentechnikfrei“ schwante nichts Gutes, hatten wir zu diesem Zeitpunkt doch schon drei Jahre Amflora-Freisetzungen hinter uns.

2007 bis 2009 - Freisetzungen

Nachdem die Einwendungen von über 2.000 Bewohnern der Müritz-Region abgewiesen worden waren, begann 2007 die Freisetzung. Gleich im ersten Jahr verfehlte der im BASF-Auftrag anbauende Landwirt seinen eigenen Acker und bepflanzte ohne Genehmigung 20 Hektar (ha) Nachbarland. Da dieses Feld nach Bekanntwerden planiert werden musste, reduzierte sich die Freisetzungsfläche von 40 auf 20 ha. Hier lag Amflora nach der Ernte zentnerweise unbewacht herum. Das sei Absicht, wurde auf Nachfragen hin behauptet, um sie im Winter erfrieren zu lassen. Und so blieb Amflora frei zugänglich für Mensch und Tier liegen. Es wurden sowohl „Stoppler“ beim Aufsammeln der liegengebliebenen Feldfrüchte als auch Wildschweine an den Knollen beobachtet. Aus den liegengebliebenen Kartoffeln entwickelte sich 2008 auf dem inzwischen mit Mais bewachsenen Feld starker Durchwuchs. Selbst auf dem Nachbaracker, wo die illegale Pflanzung planiert worden war, spross immer noch Amflora. Die mehrmalige Anwendung verschiedener und teilweise ungeeigneter Herbizidmischungen konnte die Durchwuchspflanzen nicht daran hindern, erneut Tochterknollen anzusetzen. Immerhin wurde der Acker, auf dem 2008 die Freisetzung stattfand, nach der maschinellen Ernte noch mehrere Tage lang von Hand abgesammelt. Die Freisetzungsfläche 2009 wurde zusätzlich zur Wachschutz-Bewachung mit einem hohen Zaun umgeben, der uns allerdings die Kontrolle erschwerte.

Veraltet, überflüssig und gefährlich

In diesen Jahren lernten wir einiges über Amflora. Konstruiert wurde sie Ende der 1980er von einer schwedischen Firma, die von BASF aufgekauft wurde. Das Patent, das Anfang der 1990er erteilt worden war, ist inzwischen ausgelaufen. Amflora wurde so verändert, dass sie fast nur die Stärkesorte Amylopektin produziert. Amylopektin-Kartoffeln gibt es inzwischen auch von anderen Firmen - ganz ohne Gentechnik - und sogar ertragreicher. Amflora enthält ein Resistenzgen gegen Antibiotika, die die Weltgesundheitsorganisation in die Stufe der wichtigsten Antibiotika („Critically Important Antibacterials“) eingeteilt hat, unter anderen ein Reserve-Antibiotikum zur Behandlung multiresistenter Tuberkulose. Zudem zeigten Fütterungsversuche der BASF bei Ratten Blutbild- und Organveränderungen, obwohl der Amflora-Anteil des Futters mit nur fünf Prozent sehr gering war. Eine weitere Gefahr ist die Türöffnerfunktion von Amflora, da ihre Zulassung - die erste seit dem Monsanto-Mais MON810 von 1998 - der Startschuss für eine agrogentechnische Genehmigungswelle in der EU sein könnte.

2010 - Anbau

13 Jahre lang hatte die EU-Kommission aufgrund von Sicherheitsbedenken die Zulassung verweigert, bis zu ihrer Neubesetzung im Februar 2010. Zuständig wurde der Kommissar für Gesundheit und Verbraucherschutz John Dalli, der Amflora umgehend für den Anbau und als Tierfutter zuließ; in Lebensmitteln darf ihr Anteil 0,9 Prozent betragen. Die Freude beim weltgrößten Chemiekonzern muss groß gewesen sein, war doch verbreitet worden, es würden jährliche Lizenzeinnahmen bis zu 30 Millionen Euro erwartet und der Vorteil von Amflora in der gesamten Wertschöpfungskette summiere sich auf 100 Millionen Euro.1 In der Saison 2010 wurden in drei Ländern insgesamt 244 ha Amflora angebaut, davon ursprünglich 15 ha in Zepkow im Müritz-Kreis, von denen 1 ha durch eine nächtliche Feldbefreiung verschwand. Es war derselbe Acker, der 2007 für die Freisetzung verwendet worden war und auf dem noch 2008 starker Durchwuchs stattgefunden hatte. Hier gab es also vor dem kommerziellen Anbau höchstens ein Amflora-freies Jahr. Das Saatgut für Zepkow kam wie schon bei den Freisetzungen aus Schweden. Die 2009 im Müritzkreis erzeugten Pflanzkartoffeln durften erstmals kommerziell auf 150 ha in der Tschechischen Republik ausgebracht und die Ernte dort in einer Stärkefabrik verarbeitet werden, die in schwedischem Besitz ist. Außerdem wurden in Schweden auf 80 ha Pflanzkartoffeln für die kommende Saison angebaut. Zu Beginn der Ernte in Zepkow wurde eigens der Bundeswirtschaftsminister per Hubschrauber eingeflogen und verkündet, dass die BASF 300 Tonnen (to) Pflanzkartoffeln ernten und in 2011 bereits 1000 ha mit Amflora bepflanzen werde.2 Von den letztendlich in Zepkow geernteten 138 to wurden 18 to vom Landwirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern aus dem Verkehr gezogen, da eine Vermischung von Amflora mit der nicht zugelassenen Gentechnik-Kartoffel Amadea, die in Schweden aufgefallen war, auch hier befürchtet wurde.

2011 - Für den Müll

Die für das laufende Jahr angekündigten 1.000 ha sind mittlerweile auf 15 ha in Schweden und 2 ha im Gentechnikmuseum in Üplingen (Sachsen-Anhalt) zusammengeschrumpft, der Rest der Welt bleibt 2011 gänzlich Amflora-frei. Mit solchen kleinbäuerlichen Dimensionen lassen sich aber keine Millionen erwirtschaften, weder jetzt noch in der nächsten Zeit. So lässt sich auch der BASF-Chef verstehen, der jüngst bezüglich der Agro-Gentechnik und speziell Amflora klagte, dass der Anbau in Europa zurzeit wenig Freude bereite.3 An politischen Hemmnissen liegt es nicht, denn außer dem schnellen EU-Kommissar kann sich die BASF auch der Rückendeckung der Bundesregierung sicher sein, wurde 2009 die Unterstützung für Amflora sogar im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Ganz im Gegensatz zu Österreich, einem von mehreren EU-Ländern, in denen der Amflora-Anbau verboten ist. Die 2010 noch bestbewachte Kartoffel der Welt wird 2011 nicht für die Pflanzkartoffelvermehrung oder zur Stärkeproduktion verwendet, sondern einfach vernichtet. Die Bewachung durch Wachschutz und Polizei, der eingeflogene Bundeswirtschaftsminister - alles für den Müll. Offenbar ist bei Amflora etwas gründlich schiefgegangen, die Knolle ist nicht nur veraltet, überflüssig und gefährlich, sondern taugt wohl nicht einmal für das, wofür sie entwickelt worden ist. Derzeit will BASF neues Pflanzgut erzeugen, um dessen „Qualität“ wiederherzustellen. Ob das Problem in dem von uns 2010 beobachteten hohen Krankheitsbefall liegt oder in einer genetischen Instabilität, muss Spekulation bleiben, da es von BASF keine Informationen dazu gibt.

Vielfältiger und konzentrierter Protest

Bereits die Freisetzungen waren immer wieder Ziel von Protesten. Unsere Bürgerinitiative hat Missstände in die Öffentlichkeit gebracht und immer wieder versucht, aufzuklären und damit der Desinformation durch die Gentechnik-Profiteure entgegenzuwirken. Von außerhalb kam Unterstützung in Form einer Feldbesetzung und dem Einsatz der „Tüftenschleuder“, die von drei Aktivisten bedient wurde, um Biokartoffeln auf den Gentechnik-Acker zu schleudern. Der Amflora-Anbau in Zepkow im Jahr 2010 war der einzige Anbau einer gentechnisch veränderten Pflanze bundesweit. Dies ermöglichte die Konzentration des Protestes auf diesen - in vielfacher Hinsicht abgelegenen - Ort. So erlebte das Dorf zwei Aktionen von Greenpeace, mehrere mit Bündnis 90/Die Grünen und dem Agrarbündnis Mecklenburg-Vorpommern. Zudem gab es eine öffentliche Feldbefreiung sowie die Gründung der Europäischen Feldbefreiungsbewegung, die weitere Aktionen ankündigte, falls Amflora auch 2011 wieder hier stehen sollte. Sogar Percy Schmeiser, Träger des „Alternativen Nobelpreises“ für seinen erfolgreichen Kampf gegen Monsanto, kam zum Zepkower Acker. In diesem Jahr ist der Name unserer Bürgerinitiative, nachdem er lange Forderung war, zur Feststellung geworden: Die Müritzregion ist gentechnikfrei. Wir freuen uns sehr, sind uns aber gleichzeitig bewusst, dass das nur ein kleiner Sieg ist. Für Amflora sucht die BASF gerade in Schleswig-Holstein einen Landwirt, der für sie die Kartoffeln auf den Acker bringt, und auf Amflora will der Konzern Amadea und Fortuna folgen lassen. Dann gibt es auch noch das ganz in unserer Nähe - ebenfalls in Mecklenburg-Vorpommern - gelegene Forschungszentrum AgroBioTechnikum... Und so bleibt es für uns dabei: Wir wollen weder Amflora noch andere gentechnisch manipulierte Pflanzen. Der gentechnischen Gefährdung von Natur und Mensch muss Einhalt geboten werden. Wir fordern den sofortigen Anbaustopp und eine Abkehr von der Agro-Gentechnik im Müritzkreis, in Mecklenburg-Vorpommern, Deutschland, Europa und weltweit.

  • 1FAZ.NET 19.6.08.
  • 2SVZ.de 1.9.10.
  • 3WeltOnline 25.2.11.
GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
205
vom Mai 2011
Seite 29 - 31

Ilse Lass ist Biologin und lebt in Zepkow.

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