Wie werden GVO beobachtet?

GVO-Monitoring im Gentechnikrecht

Die Beobachtung von gentechnisch veränderten Organismen ist Pflicht, so steht es im Gesetz. Bei der Umsetzung blieb bisher jedoch vieles offen.

Eine der entscheidenden Neuerungen im Rahmen der Revision des europäischen Gentechnikrechts in den vergangenen zehn Jahren war, dass die Beobachtung der potenziell schädlichen Wirkungen von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt nach ihrer Marktzulassung verpflichtend eingeführt wurde. Das GVO-Monitoring oder genauer, das Nachzulassungs-Monitoring ist in der Freisetzungsrichtlinie der Europäischen Union (EU) verankert.1 Die Verpflichtung, eine Beobachtung durchzuführen, besteht für GVO, deren Zulassung Import und Verarbeitung beziehungsweise die Verwendung als Lebens- oder Futtermittel umfasst, ebenso wie für solche, für die eine Anbauzulassung beantragt wurde. Während die EU seit zehn Jahren keine Genehmigung für den Anbau eines neuen GVO erteilt hat, sieht die Lage bei den Genehmigungen für Import und Verarbeitung anders aus. Hier sind zahlreiche Genehmigungen erteilt worden.2 Die ersten Berichte, die in der Regel jährlich zu erstellen sind und über die Ergebnisse des Monitorings Auskunft geben sollen, liegen der Europäischen Kommission bereits seit Dezember 2005 vor. Ziel des Monitorings ist, schädliche Auswirkungen jeder Art aufzudecken. Dazu zählen auch langfristige und kumulative, das heißt sich aufaddierende und sich gegebenenfalls gegenseitig verstärkende, sowie indirekte schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt. Es muss für jeden Einzelfall, dass heißt für jeden beantragten GVO, ein eigener Monitoringplan erstellt werden, abhängig von Kulturart, neu eingefügter Eigenschaft und Zulassungsziel (Anbau, Verarbeitung, Nutzung als Lebens- oder Futtermittel). Außerdem muss das Kosten-Nutzen-Verhältnis gewahrt bleiben. Die Ergebnisse des Monitorings sollen den zuständigen Behörden, der EU-Kommission und der Öffentlichkeit in Form von regelmäßigen Berichten zugänglich gemacht werden.3

Fallspezifisches oder allgemeines Monitoring

Die Freisetzungsrichtlinie unterscheidet zwei verschiedene Bausteine beim GVO-Monitoring: Eine „allgemeine Beobachtung“ soll unerwartete schädliche Auswirkungen des gentechnisch veränderten Organismus aufdecken. Sie kann, soweit vorhanden und geeignet, auf bestehende Beobachtungsprogramme aufgebaut oder durch diese ergänzt werden. Demgegenüber soll das „fallspezifische Monitoring“ auf den Annahmen basieren, die in einer Risikoprüfung getroffen wurden. Im Zulassungsverfahren wird für jeden GVO, der neu in der EU eingeführt werden soll, eine solche Risikoprüfung durchgeführt. Die Formulierungen in der Freisetzungsrichtlinie sind hinreichend allgemein und lassen breiten Spielraum für die Interpretation dieser Vorgaben. Dementsprechend bestehen sehr unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der Inhalte der Beobachtung. Diesen liegen letztlich Diskrepanzen bezüglich der Frage zugrunde, in wieweit das in der Richtlinie verankerte Vorsorgeprinzip angewandt werden soll. Die Leitlinien zur Ergänzung des Anhangs VII der Freisetzungsrichtlinie konkretisieren die Bestimmungen in der Richtlinie.4: Unter anderem fordern sie die • einzelfallbezogene Ermittlung und Festlegung von den zu beobachtenden Parametern und die • Festlegung und Definition von Methoden, wobei möglichst Standardmethoden Anwendung finden sollen.5 Die Beobachtungsorte beziehungsweise -gebiete sollen • fallspezifisch ausgewählt werden, in dem Sinne, dass alle Ökosystemarten, die möglicherweise betroffen sind, berücksichtigt werden können. Für das Monitoring soll • der Ausgangszustand des Aufnahmemilieus erfasst werden, damit eine Vergleichsbasis gegeben ist. Außerdem sollen • auch nichtspezifische Parameter, wie zum Beispiel Auskreuzung und Ausbreitung in der Umwelt, berücksichtigt werden.

EFSA-Interpretation

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA als die die EU-Kommission beratende wissenschaftliche Behörde auf EU-Ebene spielt eine zentrale Rolle im Genehmigungsprozess. In ihrem so genannten guidance document zur Risikoprüfung transgener Pflanzen6 findet sich ein Kapitel zum Umweltmonitoring. Die EFSA-Interpretation der rechtlichen Regelungen wird aus den Eckpunkten in diesem Dokument ersichtlich.(Siehe Kasten) Viele der im EFSA-guidance document verankerten Prinzipien wurden bei den bisher bewerteten Monitoringplänen allerdings nicht angewandt. Wichtige Elemente in den Monitoringplänen sind bisher Hinweise auf Netzwerke, internationale Dachverbände von Anbauern, Transporteuren und Verarbeitern, die vom Antragsteller zur Meldung von ungewöhnlichen Beobachtungen aufgefordert werden. Verbindliche Angaben zu konkreten, von bestimmten Personen oder Institutionen durchzuführenden Beobachtungsmaßnahmen beziehungsweise anzuwendende Beobachtungsmethoden werden in der Regel nicht gemacht. Kernbestandteil aller Monitoringpläne aber sind Fragebögen, die sich an die Landwirte richten.7 Diese Fragebögen sollen auf freiwilliger Basis bearbeitet werden. Abgefragt werden überwiegend agronomische Daten zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, Anbauweise, Boniturdaten 8 und so weiter. Nur wenige Fragen haben einen direkten Bezug zur biologischen Vielfalt und deren Veränderung beim Anbau von GVO. Zur systematischen Beobachtung von Wirkungen auf die biologische Vielfalt sind diese Fragebögen, die rein visuelle Beobachtungen von Landwirten erfassen, nicht geeignet.

Monitoring nur bei gefährlichen GVO

Aus Sicht der EFSA muss ein fallspezifisches Monitoring nur bei Evidenz der Schädlichkeit des GVO eingefordert werden. Bei den bisher zur Zulassung anstehenden gv-Pflanzen wurde in der Risikoprüfung ein Umweltrisiko immer als vernachlässigbar eingestuft, so dass bisher in keinem Fall ein umweltrelevantes fallspezifisches Monitoring vorgeschlagen oder gefordert worden ist (siehe Kasten). Damit besteht auch keine Verpflichtung, das Auftreten von schädlichen Wirkungen, für die es zwar Hinweise - auch aus wissenschaftlichen Publikationen - gibt, deren Auftreten aber schwer zu untersuchen beziehungsweise zu bewerten ist, im Rahmen eines Monitorings zu beobachten. Hinweise reichen der EFSA als Begründung für die verpflichtende Forderung eines fallspezifischen Monitorings nicht aus. Im Falle von Bt-Mais mit Schmetterling-spezifischem Toxin werden zum Beispiel mögliche schädliche Wirkungen auf Schmetterlinge in der Regel mit Verweis auf Ergebnisse aus Monarchfalter-Untersuchungen in den USA als vernachlässigbar eingestuft. Das hat zur Folge, dass eine gezielte Beobachtung von Schmetterlingen, die mit Toxinen aus dem Bt-Mais in Berührung kommen können, somit weder Gegenstand des fallspezifischen Monitorings noch der „hypothesenfreien“ allgemeinen Beobachtung sein kann. Und dies obwohl solche Wirkungen bei einem Anbau von Bt-Mais in der EU in größerem Ausmaß nicht auszuschließen sind. Hier führt die Interpretation der EFSA also zu einer Sicherheitslücke im Bereich des Nachzulassungs-Monitorings. Im Fall verschiedener Bt-Maissorten wurde ein integriertes Resistenzmanagement als Maßnahme des fallspezifischen Monitorings vorgeschlagen. Die Beobachtung und das Management einer Ausbildung von Resistenzen bei Schädlingen gegenüber dem Toxin stellt eine wirksame Maßnahme zur Erhaltung der Produktqualität dar, ist jedoch hinsichtlich der Auswirkungen auf die Biologische Vielfalt im Vergleich zu toxischen Wirkungen auf Nichtzielorganismen als nachrangig zu bewerten. ACRE, das auf gesetzlicher Grundlage in Großbritannien berufenes Beratungsgremium für die Regierung zu den Themen Freisetzung und Inverkehrbringen (vergleichbar der ZKBS in Deutschland), hält es im Gegensatz zur Auffassung der EFSA für erforderlich, dass im Rahmen des fallspezifischen Monitorings auch die negativen Annahmen der Umweltrisikoprüfung zu überprüfen seien. ACRE beschreibt drei Kategorien von Auswirkungen.9 Die aufgrund der Risikoprüfung erwartbaren Auswirkungen einschließlich derer, die als extrem unwahrscheinlich eingestuft werden, sind eindeutig über das fallspezifische Monitoring zu beobachten. Interaktive und/oder kumulative Auswirkungen, die nur schwer vorhersagbar sind, weil sie beim Inverkehrbringen aus dem im Vergleich zur experimentellen Freisetzung erweiterten Anbaumaßstab resultieren oder aber synergistische Wirkungen zusammen mit anderen GVO, die im Rahmen einer Einzelprüfung nicht abprüfbar sind, würde man entweder dem fallspezifischen Monitoring oder der allgemeinen Beobachtung zuordnen. Völlig unerwartbare Auswirkungen sind eindeutig der allgemeinen Beobachtung zuzuordnen. ACRE empfiehlt, diese drei Kategorien bei der Ausarbeitung des Monitoringplans zugrunde zu legen.

Mängel bei den aktuellen Beobachtungsplänen

Bisherige Erfahrungen zeigen, dass die überwiegende Mehrzahl der gegenwärtigen Monitoringpläne unter anderem folgende Mängel aufweisen: • Es werden keine aussagekräftigen Parameter und Indikatoren benannt. Um entsprechende Risiken mit ausreichender Wahrscheinlichkeit identifizieren zu können, müssten Parameter sowohl mit Schutzgutbezug als auch hypothesenbasiert entwickelt werden. • Es werden keine standardisierten Methoden angewandt. • Es gibt keine verbindliche Zuordnung von Verantwortlichkeiten. • Die Einbeziehung von bestehenden Programmen der Umweltbeobachtung stellt zwar einen wichtigen Aspekt bei der Ausarbeitung von Monitoringplänen dar. Die infrage kommenden Programme müssen aber auf auf ihre Eignung hinsichtlich der Ausrichtung, methodischer Konzeption, Datenstruktur und -verfügbarkeit geprüft werden. Aus fachlicher Sicht sollten die folgenden Aspekte Im Monitoringplan berücksichtigt werden: • Die Dokumentation der Verbreitung, Überdauerung und der Akkumulation von transgen vermitttelten Proteinen in der Umwelt und in Organismen. • Der Verbleib der Transgene in der Umwelt aufgrund von Verwilderung, Auskreuzung oder Samendeposition. • Die Auswirkungen auf Nichtzielorganismen in verschiedenen trophischen Ebenen, auf Nahrungsketten, auf ökologische Funktionen in den betroffenen Ökosystemen und auf landschaftsökologische Strukturen. • Die indirekten Wirkungen, die sich aufgrund veränderter Bearbeitungstechniken ergeben (zum Beispiel bei der Nutzung von Pflanzen mit Herbizidresistenz). • Die kumulativen Effekte aufgrund von Kombinationswirkungen verschiedener GVO.

Anforderungen nicht erfüllt

Die Monitoringpläne der bisher genehmigten und der beantragten GVO erfüllen die oben genannten Anforderungen in der Regel nicht. Die bisher ausgesprochenen Genehmigungen beziehen sich auf Import und Verarbeitung beziehungsweise auf die Zulassung als Lebens- oder Futtermittel. Inzwischen stehen aber einige Anträge zur Genehmigung an, welche den Anbau in der EU mit umfassen. Bei diesen sollte der Beobachtung von Umweltwirkungen eine deutlich höhere Bedeutung zukommen. Bisher ist nicht absehbar, ob die zuständigen EU-Institutionen für diese Zulassungen substanziell verbindlichere und konkretere Beobachtungspläne einfordern.

GID Meta
Seite 17 - 19

Armin Benzler ist Mitarbeiter des Bundesamtes für Naturschutz.

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Das Monitoring von gentechnisch veränderten Organismen Eckpunkte für ein Monitoring von gentechnisch veränderten Organismen gemäß dem Leitliniendokument der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA).
• Ein fallspezifisches Monitoring zur Bestätigung der Annahmen in der Risikoprüfung ist dann erforderlich, wenn eine mögliche schädliche Auswirkung, die auf den GVO zurückzuführen ist, wissenschaftlich evident ist. • Wenn ein fallspezifisches Monitoring erforderlich ist, sollen die relevanten Parameter auf einer begrenzten Anzahl von repräsentativen Aufnahmeflächen systematisch erhoben werden (local monitoring). Der Aufwand soll dem Anbaumaßstab angepasst sein. • Das fallspezifische Monitoring soll auf diejenigen Umweltfaktoren abzielen, welche gemäß der Risikoprüfung am ehesten durch den GVO nachteilig beeinflusst werden. • Der Grad der Umweltexposition und regionale Gegebenheiten sollen berücksichtigt werden. • Mögliche schädliche kumulative Langzeiteffekte und mit Unsicherheit behaftete Bereiche sind zunächst Sache des fallspezifischen Monitorings. • Indirekte Effekte wie Veränderungen der Anbautechnik aufgrund der neuen Eigenschaften der GVO müssen im Monitoringplan entsprechend der Ergebnisse der Risikoprüfung berücksichtigt werden. • Die allgemeine Beobachtung ist eine nicht hypothesenbasierte Beobachtung, daher ohne experimentellen Ansatz. • Die allgemeine Beobachtung ist in einer Bandbreite repräsentativer „Umwelten“ entsprechend der Exposition dieser gegenüber dem GVO anwendbar. • Wird über schädliche Auswirkungen berichtet, sind vertiefte Studien erforderlich. • Die allgemeine Beobachtung soll das allgemeine Umweltmonitoring ergänzen. Wenn möglich, soll es an bestehende Beobachtungsprogramme angebunden werden. • Fragebögen an Landwirte werden als eine geeignete Methode für die Sammlung von Daten aus erster Hand angesehen.
(Armin Benzler)