Ausgestorben und Wiederbelebt
Gentechnik zur Rettung der Biodiversität?
Der Mensch hat zum Aussterben vieler Arten beigetragen. Aber: verschiedene Technologien sollen diese zurückbringen und die Biodiversität erhöhen. Torill Kornfeldt besuchte mehrere solcher Projekte und sprach mit Wissenschaftler*innen über Motivation, Vorgehen und Probleme.

Torill Kornfeldt. Foto: © Erik Ardelius
Für Ihr Buch „Wie klone ich ein Mammut?“ haben Sie Forscher*innen rund um den Globus besucht und sich ihre Projekte zur Wiederbelebung von ausgestorbenen Arten erläutern lassen. Was ist Ihres Erachtens nach die Hauptmotivation, die die Forschenden dazu treibt, Arten wiederbeleben zu wollen?
Das kommt ganz darauf an, wen man fragt. Ich denke, die Forscher*innen würden von sich behaupten, dass sie vor allem für den Natur- und Artenschutz arbeiten und forschen. Die meisten möchten eine Art wiederbeleben, die vor nicht allzu langer Zeit ausgestorben ist oder eine zentrale Rolle in den damaligen Ökosystemen gespielt hat. Viele große, ausgestorbene Grasfresser, wie Auerochsen und Mammuts, haben durch ihr Fressverhalten ganze Landschaften geprägt. Ähnlich wie es heute noch Elefanten tun. Die Wissenschaftler*innen argumentieren daher, dass sie die Artvielfalt erhalten oder sogar vergrößern möchten. Durch die Gespräche mit den Wissenschaftler*innen ist bei mir allerdings der Eindruck entstanden, dass sie vielmehr von ihrer eigenen Neugierde, dem Wunsch des Erforschens und der Erkundung der Grenzen des Machbaren angetrieben werden. Ich denke diese beiden Arten von Antrieb spielen eine sehr wichtige Rolle bei den Projekten. Ich finde sie haben auch beide ihre Berechtigung und unterscheiden sich nicht in ihrer Wertigkeit.
Wie ich Ihrem Buch entnehme, würde bei den Wiederbelebungsprojekten kein Organismus entstehen, der identisch zu der ausgestorbenen Art ist. Woran liegt das?
Von Organismen, die vor langer Zeit ausgestorben sind wie dem Mammut, der Wandertaube oder dem tasmanischen Tiger, haben wir nur totes, konserviertes Material. Zum Bespiel von Knochen aus Permafrostböden oder aus Museumspräparaten. Aus diesem organischen Material kann DNA extrahiert werden, die aufgrund des Alters jedoch zerbrochen und zerstückelt ist. Ein sinnvolles Zusammensetzen dieser Stücke ist ziemlich unmöglich. Daher sucht man etwas, an dem man sich orientieren kann. Das sind meistens Tiere oder Pflanzen, die der ausgestorbenen Art ähnlich sind, wie zum Beispiel der asiatische Elefant dem einstigen Mammut. Anhand der DNA-Daten vom Elefanten erhält man eine Idee, wie die DNA des Mammuts im Groben aufgebaut war und kann diese zusammensetzen. Nun wird nach Unterschieden in der DNA gesucht. Von besonderem Interesse sind DNAAbschnitte, die für spezifische Eigenschaften kodieren. Bei dem Mammut sind es zum Beispiel Eigenschaften wie kleine Augen, große Fettpolster und ein langes Fell, die es dem Tier ermöglichten im kalten Klima zu leben. Von diesen DNA-Abschnitten werden Kopien gemacht und in lebende Zellen von ähnlichen Tieren – in diesem Fall dem asiatischen Elefanten – eingebracht. Man versucht also dem asiatischen Elefanten Mammut-Eigenschaften zu geben.
Werden bei allen Wiederbelebungsprojekten gentechnische Methoden eingesetzt?
Nein, das kommt sehr darauf an, was für genetisches Material und Zellen zur Verfügung stehen. Im Falle des Mammuts müssen gentechnische Methoden eingesetzt werden, weil die alten Gene in lebende artfremde Zellen eingebracht werden. Dieser Gentransfer ist ganz klar Gentechnik. Ein sehr anderer Fall, den ich in meinem Buch beschreibe, ist die Wiederbelebung von Auerochsen. In diesem Projekt soll durch gezielte Züchtung von bestehenden Rinderrassen ein Tier entstehen, welches dem ausgestorbenen Auerochsen sehr ähnlich ist. So wird zum Beispiel nach Rassen gesucht, die eine ähnliche Fellfarbe wie ein Auerochse haben. Es geht hier weniger um die einzelnen Gene sondern eher um das Ergebnis, den Phänotyp. Ein weiterer Weg, der zum Beispiel beim nördlichen Breitmaulnashorn angewendet werden soll, ist die Zucht von Hybriden. Vom Nashorn gibt es noch lebende Zellen womit ein anders artverwandtes Tier befruchtet werden kann. Hier kommen eher invitro Befruchtung und andere reproduktive Techniken zur Anwendung. Es ist daher nichts, was ohne menschliches Zutun passieren würde, aber es bedarf keiner Gentechnik.
Und diese Tiere wären dann identisch zu ihren verstorbenen Verwandten?
Nein, ich würde sagen, dass selbst wenn es noch lebende Zellen gibt und das gesamte Genom zur Verfügung steht, trotzdem nicht dasselbe Tier wiederbelebt werden kann. Es würde immer etwas verloren gehen. Vor allem wenn es um komplexe Säugetiere geht. Sehr viel vom Sozialverhalten und kulturellem Wissen wird nicht über die Gene weitergeben sondern von anderen Tieren wie den Eltern oder der Herde erlernt. Diese Information geht verloren, sobald es keine überlebenden Tiere mehr gibt. Es ist meines Erachtens sehr wichtig zu erkennen, dass wir immer etwas verlieren würden.
Wenn ich, wie beim Mammut, kein lebendes Tier mehr habe, dann brauche ich nach der Laborarbeit ein Tier zum Austragen, welches nicht der gleichen Art angehört wie der Embryo. Ist dies ein Problem?
Absolut, und es hat sich herausgestellt, dass der gentechnische Part viel einfacher zu machen ist als das Austragen von Jungtieren. Die meisten dieser Schwangerschaften enden in Fehlgeburten oder die Jungen sterben kurz nach der Geburt. Das Projekt um die Wiederbelebung des Pyrenäen-Steinbocks in Spanien ist ein Beispiel hierfür. In dem Projekt wurden mehr als tausend Embryonen erzeugt und Hundertfünfzig von ihnen wurden in vierundvierzig Ersatzmütter implantiert. Nur ein Jungtier kam auf die Welt und starb Minuten nach der Geburt an seinen Fehlbildungen. Das Projekt ist bisher an diesem Punkt gescheitert. Ich finde es ist ein sehr interessanter Aspekt, dass wir immer noch so wenig über die Entwicklung und Schwangerschaft wissen, aber die Gene der Tiere verändern können.
Eines der größten Probleme im Natur- und Artenschutz sind invasive Arten. Also Arten, die in ein Gebiet gebracht werden, in dem sie vorher nicht vorkamen und hier ökonomischen und ökologischen Schaden anrichten. Bergen gentechnisch veränderte und wiederbelebte Arten ein ähnliches Risiko?
Ja, ich glaube das ist möglich und es ist auch der Hauptkritikpunkt von vielen Biolog*innen an den Wiederbelebungs- Projekten. In der Vergangenheit war die Menschheit nicht besonders gut darin, in ökologische Systeme heilend einzugreifen. Es kam immer zu unvorhergesehenen Konsequenzen. Wir bringen diese Welt gerade wirklich durcheinander. Viele Arten sind gefährdet oder sterben aus, wir haben den Klimawandel zu verantworten und führen viele giftige Stoffe in die Umwelt ein. Daher sagen die einen, wir sollten die Probleme aktiv angehen und eingreifen wo es geht. Andere sagen, ja das ist alles ziemlich schlimm was wir mit dem Planten anstellen, daher sollten wir unsere Eingriffe in die Natur so gering wie möglich halten und nichts versuchen, was die Dinge noch schlimmer machen könnte. Diese beiden Standpunkte existieren parallel und es gibt eine aktive Debatte in Naturschutz und Wissenschaft. Es wird versucht Gemeinsamkeiten zu finden, auf die sich beide Perspektiven einigen können, um voran zu kommen.
Bei den Beispielen in Ihrem Buch geht es immer um größere Tiere oder Pflanzen, die irgendwie auffällig sind. Ich habe von keinem Versuch gehört, erloschene Algen oder Insekten wieder zu erwecken, obwohl sie ökologisch einen großen Wert besitzen. Gibt es derartige Beispiele?
Ich habe von keinem solcher Versuche gehört. Ich glaube, es liegt auch daran, dass die gesamte Idee vom Wiederbeleben und die dazugehörigen Technologien noch recht neu sind. Somit versuchen sich die Forscher*innen an Organismen, die irgendwie Sympathieträger sind, um die Finanzierung zu bekommen. Es gibt noch so viele offene Fragen, wie und ob all dies überhaupt funktionieren kann, dass sich gerade niemand um die Wiederbelebung von Algen oder kleinen Insekten kümmert. Auch wenn diese einen großen ökologischen Einfluss hätten, ist es nichts womit man die Menschen begeistert.
Sie gehen also davon aus, dass mit mehr Wissen und Erfahrung das Spektrum der Projekte erweitert werden würde auf unscheinbare Organismen?
Vielleicht, aber es ist sehr wichtig sich bewusst zu sein, dass selbst wenn diese Experimente sehr gut laufen und erfolgreich sind, es nie einfach oder günstig sein wird solche Projekte durchzuführen. Daher werden es wohl immer nur wenige und ausgewählte Arten sein, bei denen es überhaupt eine Option darstellt. Diese Auswahl ist von verschiedenen Einflüssen geprägt, wobei der grundlegendste wohl ist, ob man überhaupt eine Finanzierung bekommt.
Einige Forscher*innen und Wissenschaftler*innen, mit denen Sie gesprochen haben, träumen davon, Tiere wiederzubeleben, die vor langer Zeit ausgestorben sind. Andere versuchen sich an kürzlich erloschenen Arten. Welches Naturbild steht hinter diesen Träumen? Und welchen Platz nimmt der Mensch darin ein?
Das ist eine interessante Frage und ist eng damit verbunden wie wir Natur betrachten. Viele Menschen haben einen nostalgischen Blick auf Natur. Wenn man in Schweden die Leute fragt: Wann war Natur am besten? Dann kommen Antworten wie: als meine Großmutter ein Kind war – also so vor 150-100 Jahren. Kleine Farmen mit Wiesen und kleinteiligen Wäldern. Das ist ein sehr schönes Bild, jedoch wird häufig vergessen, dass diese Landschaften vollständig vom Menschen beeinflusst sind durch Landwirtschaft und andere Naturnutzungen. Wenn man Biolog*innen fragt, wann Natur am besten war, sagen viele kurz nach der letzten großen Eiszeit bevor Menschen einen größeren Einfluss auf Natur hatten. Vielleicht würden sie es nicht so ausdrücken, aber es ist was ich aus meinen Gesprächen mitgenommen habe. Viele der Wissenschaftler*innen haben diesen nostalgischen Blick und suchen nach einer verlorenen Welt. Gleichzeitig wollen sie Verantwortung übernehmen und Natur nicht unabsichtlich verändern, sondern ganz bewusst verbessern.
Was ist eine bessere Natur?
Viele Studien zeigen, dass Ökosysteme mit einer hohen Biodiversität eine höhere Resilienz gegenüber Störungen oder sogar Katastrophen haben.1 Eine bessere Natur könnte also eine vielfältigere sein. Man könnte auch sagen, eine bessere Natur ist eine mit so wenig menschlichem Einfluss wie möglich oder dass Natur, die so funktioniert wie wir sie haben wollen, eine bessere Natur wäre. Also eine Natur, die alle Ökosystemdienstleistungen trotz menschlichem Einfluss weiter bereitstellen kann. Je nachdem welche Perspektive man selbst auf Natur hat, wird es den Blick auf Projekte zur Wiederbelebung beeinflussen.
„Wenn du einen Hammer hast, sieht alles aus wie ein Nagel“, sagt Jeanne Lohring, eine Interviewpartnerin von Ihnen. Wie können die neuen technischen Möglichkeiten unser Bild von Natur, sowie unser Handeln im Natur- und Artenschutz verändern?
Ich denke, der Einsatz neuer Gentechniken kann sinnvoll und positiv sein, aber ich sehe ein Risiko, dass wir durch die neuen Möglichkeiten einen instrumentaleren Blick auf Natur bekommen. Die Probleme, die wir im Natur- und Artenschutz sehen, haben sehr komplexe und vielfältige Ursachen. Das kürzlich ausgestorbene nördliche Breitmaulnashorn ist ein gutes Beispiel hierfür. Die Ausgangsbedingungen sind gut: Es gibt lebende Zellen sowie mögliche Tiere als Leihmütter und man könnte durch Klonen möglicherweise eine Gruppe Nashörner erzeugen – aber was passiert dann? Wildert man die Tiere aus, werden sie höchst wahrscheinlich und sehr schnell an denselben Problemen eingehen wie ihre Verwandten. Das Problem ist nicht, die Tiere zu erschaffen, sondern Fragen von Wilderei, Armut und fehlendem Lebensraum. Diese Ursachen werden mit den neuen Technologien nicht gelöst werden, aber rücken möglicherweise in den Hintergrund der Diskussion.
Seit Jahrtausenden verändert der menschliche Einfluss die Ökosysteme. Die Folge ist ein gravierender Biodiversitätsverlust. Einige Forscher*innen wollen daher die Welt aktiv mit neuen oder veränderten Arten bereichern. Kann das dem enormen Verlust entgegenwirken?
Die Idee ist höchst kontrovers. Ich finde es persönlich sehr schwer darauf zu antworten. Eines der Projekte zum Beispiel beruht darauf, Korallen durch Züchtung und gentechnische Verfahren widerständiger gegen die Korallenbleiche zu machen. Die Korallenbleiche ist ein für Korallen tödlicher Vorgang, der durch die Versauerung der Weltmeere als Folge des Klimawandels vorangetrieben wird. Auf der einen Seite ist dieses Projekt sehr sinnvoll, weil viele Lebewesen auf den Lebensraum, den die Korallen bieten, angewiesen sind. Auf der anderen Seite würde es uns und den Korallen nur einen sehr geringen Aufschub geben, weil trotz aller möglichen Anpassungen die Organismen ein Limit haben. Das Problem der Korallenbleiche kann also nur aufgeschoben aber nicht aufgehoben werden, wenn wir es nicht schaffen den Klimawandel abzumildern. Ich finde auch, etwas geht verloren, wenn wir ein Ökosystem künstlich manipulieren. Ich fühle etwas anderes zur Natur, wenn ich weiß, dass es künstlich ist. Aber ist das Grund genug, um eine Art nicht zu unterstützen, wenn es doch möglich wäre? Wir sollten vorsichtig sein, wenn unser sentimentaler Blick auf Natur dem Naturschutz im Wege steht, aber auch wenn technologische Möglichkeiten die Sicht auf die wahren Probleme verstellen und wir diesen deswegen weniger Wichtigkeit beimessen.
In Ihrem Buch fragen Sie Wissenschaftler*innen, in welche Projekte des Natur- und Artschutzes Sie 1 Million Euro investieren würden. Wie würden Sie diese Frage beantworten?
Ich würde wohl in Projekte investieren, welche die Kinderstube der genetischen Biodiversität erhalten möchten. Also Projekte, die sich dem Schutz und dem Erhalt von Arten und Gruppen verschrieben haben, die genetisch sehr unterschiedlich sind von allen anderen Organismen.2 Arten oder Gruppen, die im Stammbaum der Evolution isoliert sind und ihre Nebenäste verloren haben. Ich glaube, dass dies eine sehr wichtige genetische Basis darstellt, auf der genetische und Artenvielfalt aufbauen und sich erweitern können. Das ist eine sehr langwierige Angelegenheit und langfristige Perspektive, aber das Fundament dafür, dass Natur als Gesamtheit aller Arten die Möglichkeit hat sich anzupassen. Wir müssen die bestehende Vielfalt schützen und erhalten.
Vielen Dank für das Gespräch!
- 1Forest, I./Craven, D. et al. (2015): Biodiversity increases the resistance of ecosystem productivity to climate extremes. In: Nature, 526, S.574- 577, doi:10.1038/nature15374.
- 2Zum Beispiel: The EDGE of Existence programme. Online: www.kurzlink.de/gid253_x [letzter Zugriff: 10.04.2020].
Torill Kornfeldt ist Wissenschaftsjournalistin und promovierte Biologin. Sie hat für einige der führenden schwedischen Nachrichtenpublikationen geschrieben, Radiosendungen geleitet und zwei Bücher veröffentlicht.