Keine Revolution auf dem Acker

Gentechniker*innen sollen sich bescheiden zeigen

Ein neuer Bericht des Gen-ethischen Netzwerks über mit klassischer Gentechnik veränderte Pflanzen und ihre Eigenschaften zeigt, dass es nur mäßige Fortschritte bei der Entwicklung neuer gv-Pflanzen gibt.

HV der BASF

In diesem Sommer wurden die Rufe nach trockenheitstoleranten Pflanzen wieder laut. Auch in unseren Breiten blieben wochenlang nicht wenige Regionen ohne einen Tropfen Regen. Wäre es nach den Gentechniker*innen dieser Welt gegangen, dann hätte 2018 ihr Jahr werden können. Hatten sie doch in der Vergangenheit in Aussicht gestellt – manche würden sagen „versprochen“ –, dass trockenheitstolerante Pflanzen mit der Gentechnik hergestellt werden können. Vielleicht aber wären auch nur die wenigsten Bäuer*innen nach 2017, in dem viele von ihnen mit ihren Ernten regelrecht auf den Äckern abgesoffen sind, überhaupt auf den Gedanken gekommen, gerade trockenheitstolerante Varianten auf den Acker zu bringen. So oder so muss die Hoffnung auf baldige Hilfe von Seiten der Gentechnik enttäuscht werden. Gentechnisch veränderte Pflanzen, die besser mit Trockenheit zurechtkommen als konventionelle Züchtungen sind weiter Mangelware. Eine entsprechende gv-Maisorte wird seit ein paar Jahren in den USA angebaut, verglichen mit konventionellen Sorten ist ihr Ertrag aber offenbar nicht besser. Eine trockenheitstolerante gv-Sojasorte ist seit diesem Jahr in Südamerika verfügbar. Inwieweit sie sich im Freiland bewährt, muss abgewartet werden. In Bezug auf diese Eigenschaft gibt es sonst keine weiteren gv-Sorten – und das weltweit. Das ist eines der Ergebnisse einer Recherche, die das Gen-ethische Netzwerk im August dieses Jahres veröffentlicht hat (siehe Kasten).

Weiter mit herbizidtoleranten Pflanzen

Was dagegen auch in Zukunft auf die Äcker kommen wird, sind gv-Pflanzen mit Herbizid-Toleranzen. Die veränderten Nutzpflanzen vertragen während ihres Wachstums die Behandlung mit diesen Mitteln. Konkurrierende Beikräuter werden durch die Herbizide abgetötet. Viele gv-Pflanzen finden sich in den Entwicklungs-Pipelines der großen Agrarkonzerne – insbesondere für die folgenden Arten: Soja, Mais, Baumwolle und Raps. Dabei geht der Trend eindeutig in Richtung gestapelter Eigenschaften. Das heißt, die Gentechniker*innen kombinieren mehrere gentechnische Veränderungen in einer Pflanze. Insbesondere die Kombination von Toleranzen gegen mehrere Beikrautvernichtungsmittel ist bei den Firmen beliebt. Im extremsten Fall, einer Sorte in der Entwicklungspipeline von Monsanto, sollen die gentechnisch veränderten Pflanzen das Ausbringen von bis zu fünf verschiedenen Beikrautvernichtungsmitteln vertragen. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass die Landwirt*innen, die in Zukunft auf dieses Anbausystem setzen, bis zu fünf Mittel gegen Beikräuter miteinander kombiniert auf die Äcker bringen könnten.
Durch die massenhafte Nutzung dieses Anbausystems aus gentechnisch veränderten, herbizidtoleranten Pflanzen und dem korrespondierenden Beikrautvernichtungsmittel Roundup wurden insbesondere in Nord- und Südamerika Beikräuter gefördert, die ihrerseits eine Behandlung mit dem Mittel vertragen. Um den Nutzpflanzen einen neuen Vorteil gegenüber den roundupresistenten Beikräutern mit auf den Weg zu geben, werden ihnen nun Toleranzen gegen mehrere Mittel eingebaut.

Gv-Pflanzen mit Zulassungen

Neben einem systematischen Einblick in die Entwicklungs-Pipelines für Pflanzenbiotechnologie der großen Agrarkonzerne – Bayer, BASF Plant Science, Dow AgroSciences, KWS Saat, Monsanto, Pioneer Hi-Bred und Syngenta 1 – bietet der Bericht eine Übersicht über die gentechnisch veränderten Pflanzen, die bereits eine Zulassung bekommen haben. Eine Zulassung bedeutet allerdings nicht, dass diese Pflanzen auch angebaut werden. An verschiedenen Beispielen wird in dem Bericht dargestellt, womit das zusammenhängt. Ein Grund dafür sind Handelsaspekte. Die Zulassungen werden von den Entwickler*innen nur verfolgt, um Rückrufaktionen zu verhindern. In der Vergangenheit waren wiederholt gv-Pflanzen ohne Zulassungen aus Freisetzungsversuchen in Handelsware aufgetaucht. Da sie – ohne Zulassungen – in vielen Ländern nicht verkauft werden dürfen folgten Importstopps und Rückrufe.

Klassisch gentechnisch veränderte Pflanzen

Ein weiteres Ergebnis der neuen Recherche erscheint banal: Die Gentechkonzerne entwickeln überhaupt weiter mit klassischer Gentechnik veränderte Pflanzen. Die Gentechnik-Diskussion der vergangenen Monate und Jahre in Deutschland und Europa hat sich vor allem um die mit neuen gentechnischen Verfahren veränderten Pflanzen gedreht. Das liegt auch daran, dass in der EU nur eine gv-Pflanze angebaut werden darf und dieser Anbau auch nur in sehr begrenztem Umfang stattfindet. Das darf aber über eines nicht hinwegtäuschen: Die allermeisten gentechnisch veränderten Pflanzen, die in den nächsten Jahren weltweit auf den Markt kommen werden, sind mit Methoden der klassischen Gentechnik verändert worden.

Was folgt?

Die Gentechniker*innen werden sich bescheiden zeigen müssen – dieses Zitat eines ehemaligen Mitarbeiters einer entwicklungspolitischen Organisation entspricht dem Resümee, zu dem diese Recherche über mit klassischer Gentechnik veränderte Pflanzen und deren Eigenschaften kommt. Die eine oder andere gentechnisch veränderte Pflanze ist in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt worden. Aber gemessen an dem Hype, der um diese Technik, um die beteiligten Forscher*innen und deren Kreationen gemacht wird, und den Ressourcen, die investiert wurden, sind die Ergebnisse mehr als übersichtlich. Die Frage, inwieweit mit den gentechnisch veränderten Pflanzen in diesem bescheidenen Rahmen Lösungen für landwirtschaftliche Probleme angeboten werden können, ist damit nicht beantwortet.

  • 1Die Branche hat verschiedene Zusammenschlüsse und Übernahmen durchgeführt, an denen sechs der genannten Konzerne beteiligt waren. Da die Integration noch nicht vollzogen ist, werden diese in dem Bericht und diesem Text jeweils noch als eigenständige Firmen genannt.
GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
247
vom November 2018
Seite 26 - 27

Christof Potthof war bis Ende April 2020 Mitarbeiter im GeN und Redakteur des GID.

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„Keine Revolution auf dem Acker“

Titelseite des Berichtes 'Keine Revolution auf dem Acker' (GeN, August 2018

Bericht über mit klassischer Gentechnik veränderte Pflanzen und deren Eigenschaften.
Herausgegeben vom Gen-ethischen Netzwerk e.V., Stephanstraße 13, 10559 Berlin; 52 Seiten.

Kostenfreier Download unter: www.gen-ethisches-netzwerk.de/1808_bericht_klass_gentechnik.
Oder gegen eine Versandkostenpauschale von 5 Euro gedruckt bestellen: gen [at] gen-ethisches-netzwerk.de

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