Diskriminierung erwartbar
Die Schweiz setzt das revidierte DNA-Profil-Gesetz in Kraft. Der Schweizer Verein biorespect befürchtet, dass Minderheiten diskriminiert werden könnten.
Am 1. August 2023 tritt in der Schweiz das revidierte DNA-Profil-Gesetz in Kraft. Damit werden erweiterte DNA-Analysemethoden – sogenannte DNA-Phänotypisierung, biogeografische Herkunft und Verwandtschaftssuche – zugelassen. Damit geht die Schweiz weit über die Zulassung in Deutschland hinaus.

Ab dem 1. August 2023 sind erweiterte DNA-Analysemethoden in der Schweiz gesetzlich erlaubt. Foto: media-parl.ch
Das DNA-Profil-Gesetz (Bundesgesetz über die Verwendung von DNA-Profilen im Strafverfahren und zur Identifizierung von unbekannten oder vermissten Personen) ist seit 2003 in Kraft. Es regelt die Erhebung und Verwendung von DNA-Profilen durch die Strafverfolgungsbehörden und zur Identifizierung von unbekannten Personen. Das Gesetz verbot bisher die erweiterte DNA-Analyse. Seinerzeit teilten alle Parteien die Auffassung, es seien hohe Hürden gegen einen möglichen Eingriff in Persönlichkeitsrechte zu errichten. Insbesondere wurde befürchtet, dass es zur „öffentlichen Stigmatisierung ganzer Communitys kommen könne, die durch ihre kulturelle, ethnische oder auch rassische Identität charakterisiert sind“. Der Schweizer Verein biorespect hatte sich daher mit vielen Kritikpunkte in die aktuelle Debatte um eine gesetzliche Ausweitung der polizeilichen Analysebefugnisse eingebracht.
Hintergrund der Revision ist eine Motion, die der Nationalrat Albert Vitali im Jahr 2015 eingab. Anlass war eine Vergewaltigung und schwere Körperverletzung an einer jungen Frau in einem Ort bei Luzern. Vitali forderte, für die Täterermittlung DNA-Analysen zuzulassen, mit denen die Augen-, Haar, und Hautfarbe sowie die sogenannte biogeografische Herkunft abgeschätzt werden könnten. Der Fall hatte in sozialen Medien sowie in Teilen der parteipolitischen Landschaft der Schweiz umgehend rassistische Ressentiments mobilisiert. Auch in der öffentlichen und gesetzgeberischen Debatte bestanden zahlreiche Probleme: So wurde die Technologie als Segen für die Ermittlungsarbeit dargestellt, obwohl sich der Fall nicht für eine Anwendung erweiterter DNA-Analysen eignete. Denn die schwer verletzte Frau konnte selbst Angaben über den Täter machen. Die erweiterten DNA-Analysemethoden hätten vermutlich keine zusätzlichen Ermittlungshinweise liefern können. Und statt einer abwägenden Debatte um die Möglichkeiten, Probleme und Gefahren wurden wissenschaftlich nicht gedeckte Versprechen gemacht und Kritiker*innen als vermeintliche Täterschützer verunglimpft.
Die erweiterten DNA-Analysemethoden sind seit etwas mehr als 20 Jahren im Gebrauch, werden bisher aber nicht standardmäßig verwendet. Sie sind nicht mit der Identifizierung einer Person anhand der DNA zu vergleichen. Denn während DNA-Identifizierungen (sog. DNA-Fingerabdruck) sehr genaue Aussagen zur Übereinstimmung einer Person mit der aufgefundenen DNA ermöglicht, handelt es sich bei den erweiterten DNA-Analysemethoden um statistische Wahrscheinlichkeitsberechnungen, mit denen sichtbare Merkmale abgeschätzt werden sollen, um die Tätergruppe möglichst einzugrenzen. Die Ergebnisse sind entsprechend oft wenig valide; die Haarfarbe kann beispielsweise nur mit etwa 75 Prozent Wahrscheinlichkeit bestimmt werden. Wissenschaftler*innen und Aktivist*innen haben international auf Probleme und Effekte der erweiterten DNA-Analysen hingewiesen. Insbesondere werden die Gefahren der Stigmatisierung und Verdächtigung ganzer Bevölkerungsgruppen, der Verfestigung rassistischer Vorstellungen und mithin das Risiko von „genetischem Racial Profiling“ kritisiert.
Der Verein biorespect hat sich in den letzten Jahren zusammen mit weiteren Gruppen in der Schweiz intensiv in die Debatte zur Gesetzesrevision und die Vernehmlassung eingebracht. So hatten wir angemahnt, die Analysen höchsten als Ultima Ratio – wenn alle anderen Ermittlungswerkzeuge ausgeschöpft sind – und nur für die Aufklärung schwerer Verbrechen zu erlauben. Da die erweiterten DNA-Analysemethoden, also der Phänotypisierung und biogeografischen Herkunft, nun mit der Gesetzesrevision für die Ermittlungsarbeit zugelassen werden, ist davon auszugehen, dass es in den kommenden Jahren zu diskriminierenden Effekten im Zusammenhang mit dem Einsatz der erweiterten DNA-Analyse, kommt.
Nach über 25 Jahren Basler Appell gegen Gentechnologie wurde im Januar 2015 aus dem kritischen, kämpferischen Verein biorespect. Wie bis anhin steht der Verein als Garant für eine konsequente, kritische und sachlich fundierte Analyse von Gen-, Bio- und Fortpflanzungstechnologien. Im Fokus seiner Arbeit stehen die Auswirkungen dieser Technologien auf Mensch, Tier und Umwelt.