Nachtigall, ick hör Dir...
Die Union der Deutschen Akademien der Wissenschaften hat sich Ende August mit einem offenen Brief und einem Memorandum zu Wort gemeldet. Diese richten sich gegen die Haftungsregelung im neuen deutschen Gentechnikgesetz, das derzeit zwischen Bundestag und Bundesrat verhandelt wird.
Uups, mag Mensch denken, was haben wir denn da? Mit der geballten Kraft der deutschen Wissenschaftsorganisationen wird geschossen, auf etwas, das sich eigentlich nur am Rande auf die wissenschaftliche Arbeit selbst bezieht. Die Haftungsregeln des sich derzeit in Verhandlung befindlichen neuen Gentechnikgesetzes beschäftigen sich mit ganz profanen Dingen des kommerziellen Miteinanders. Was mag die Wissenschaft an dieser Sache für ein Interesse gefunden haben?
Brain Drain
In ihrem offenen Brief (1) zeigt sich die Union der Akademien besorgt, dass es zu einem Abfluss von Forschungsgeldern und einem so genannten ”Brain Drain” deutscher und europäischer Wissenschaftler kommt. Was wirklich zur Sorge Anlass gibt, ist das Wirrwarr, mit dem sich die Spitze der deutschen Wissenschaft zu Wort meldet: Unklare Argumentation gegen die Haftungsregeln, unklare Zielrichtung der Forderungen und ein sehr zweifelhaftes Verständnis der eigenen Rolle - Mensch könnte ernsthaft den Eindruck bekommen, der Brain Drain habe bereits stattgefunden...
Haftungsregeln
Es gibt in dem offenen Brief nur einen Absatz, den der Autor im Fettsatz druckte. Darin verweist Prof. Dr. Dr. h. c. Gerhard Gottschalk auf das gleichzeitig mit dem Brief publizierte Memorandum zur Grünen Gentechnologie. Dieses belege, ”dass der Verzehr von Lebensmitteln aus zugelassenen gentechnisch veränderten Pflanzen für den Verbraucher keinerlei gesundheitliche Nachteile” mit sich bringe. Mithin entbehre ”die im Gesetzentwurf vorgesehene Haftungs-Regelung (...) jeglicher rationalen Grundlage” und benachteilige ”einseitig die Anwender der Gentechnologie”. Wie heißt es doch so schön: Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung. Von gefährlichen oder ungefährlichen Lebensmitteln will das neu aufgelegte Gentechnikgesetz nichts wissen - insbesondere nicht bezüglich der Haftung: Das neue Gentechnikgesetz ist die Umsetzung der europäischen Freisetzungsrichtlinie, und auf dieser Basis geht es darum, dass der gentechnikfreie Anbau von landwirtschaftlichen Sorten möglich bleibt. Da aber per Gesetz zum Beispiel nicht verboten werden kann, dass Pollen von hier nach drüben fliegt, bleibt nur der Umweg über die Haftung im Verunreinigungsfall.
Die Wissenschaft?
Auch andere Wissenschaftsorganisationen haben sich in dieser Sache geäußert: Die Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) ”zeigt sich befremdet” und bestreitet die Behauptung der Akademienunion, die universitäre Forschung auf diesem Gebiet [der grünen Gentechnik] werde zum Erliegen kommen.(2) Vielmehr geht die VDW davon aus, dass die Haftungsregeln eine ”sorgfältig geplante Forschung” nicht behindern, da durch das Einhalten der Sicherheitsauflagen (Standortauswahl, Abstandsregelungen und ähnliches) ”Einkreuzungen in angrenzende Felder weitestgehend verhindert” werden. Im Weiteren räumt die VDW ein, dass es zum Versiegen von industriellen Forschungsgeldern kommen könnte. ”Wenn dies die Befürchtung der Akademien ist”, hätten sie es ehrlichkeitshalber auch so ansprechen müssen. Die ”Sektion für Landwirtschaft am Goetheanum” geht in ihrer Kritik noch einen Schritt weiter.(3) Der offene Brief, das Memorandum aber auch schon früher veröffentlichte Stellungnahmen (4) ”missachten die Rolle, die andere Wissenschaftszweige im gesellschaftlichen Diskurs zu spielen haben, indem sie als die großen Wissenschafts-Verbände nur die biotechnologische Perspektive vertreten, ohne dies deutlich zu machen”. Zum Demokratieverständnis wird ergänzt, dass ”in den Akademien der Wissenschaften zahlreiche andere Wissenschaften vertreten sind (...), welche in Bezug auf Risikoeinschätzungen aber auch in Bezug auf gesellschaftliche Entscheidungsprozesse vollkommen andere Urteilsgrundlagen heranziehen - wo findet das seinen Ausdruck, wenn hier die Union der Deutschen Akademien der Wissenschaften spricht?”
Fußnoten:
- Offener Brief und Memorandum zur Grünen Gentechnik in Deutschland vom 25.08.04, im Netz unter: www.akademienunion.de
- Pressemitteilung der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler vom 10.09.04, im Netz unter: www.vdw-ev.de
- Stellungnahme der Sektion am Goetheanum zu (1), im Netz unter: www.sektion-landwirtschaft.org
- Die Stellungnahmen der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Leopoldina, im Netz unter: www.dfg.de; www.leopoldina.uni-halle.de
Hannah Laup ist freie Journalistin und lebt in Halle an der Saale.