Wir brauchen einen langen Atem!

Der Kampf für das Recht auf Nachbau von Saatgut

Erneut versuchen die Pflanzenzüchter, die Nachbauregelung beim Saatgut zu ihren Gunsten zu gestalten und für die Bauern zu verschärfen. Der Kampf für das Recht auf Nachbau von Saatgut geht weiter - in Deutschland sowie europaweit.

Bäuerinnen und Bauern in Europa: Aufgepasst! Das jahrhundertalte Recht der Bauern, einen Teil der Ernte zurückzuhalten, um es wieder zur erneuten Aussaat zu nutzen, soll beseitigt werden. Dank des entschlossenen Widerstands der Interessengemeinschaft gegen die Nachbaugesetze und Nachbaugebühren (IG Nachbau) und der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) in Deutschland konnten sich die Pflanzenzüchter in den letzten Jahren auf politischer und rechtlicher Ebene nicht durchsetzen. Nun wird hinter verschlossenen Türen in Brüssel eine Gesetzesänderung beim EU-Sortenschutzrecht ausgehandelt. Ziel ist es, die Nachbauregelung „effektiver, einfacher und gerechter“ zu gestalten. Übersetzt heißt das, dass die Züchter einfacher an die Nachbaugebühren und an das Geld der Bauern kommen wollen. Doch zunächst ein Blick zurück. Die IG Nachbau wurde am Rande der AbL-Bundesversammlung 1998 gegründet. Seitdem haben wir für das Recht auf Nachbau gekämpft, sowohl politisch als auch juristisch. Über 1.000 Gerichtsverfahren haben die Pflanzenzüchter gegen uns geführt, aber sowohl der Bundesgerichtshof in Karlsruhe, als auch der Europäische Gerichtshof in Luxemburg haben uns in wesentlichen Punkten Recht gegeben. Als Folge dieser Auseinandersetzungen wurden die Rechte der Züchter eingeschränkt. So dürfen sie nicht pauschal bei den Bauern Auskunft über ihren Anbau verlangen, sondern müssen mit Anhaltspunkten und sortenspezifisch nachfragen. Die Nachbaugebühren wurden auf maximal 50 Prozent der Lizenzgebühren begrenzt. Auch die Aufbereiter, also Genossenschaften und privater Landhandel, die sich um Reinigung und Trocknung des Saatguts kümmern, sind nicht verpflichtet, pauschal die Adressen ihrer bäuerlichen Kunden preiszugeben. Diese Erfolge waren nur möglich mit Glück, Mut, guten Rechtsanwälten und vielen unterstützenden Mitstreitern. Die Mitgliederzahl der IG Nachbau ist von anfänglich 15 Bauern auf etwa 1.000 angewachsen; ungefähr 40.000 Bauern verweigern in Deutschland mittlerweile die Auskunft.

Weitreichende Forderungen der Züchter

In der aktuellen Vorbereitung der Reform des EU-Sortenschutzrechtes fordern die Züchter • Auskunftspflicht für Landwirte und Saatgut-Aufbereiter unabhängig von der Vorlage einer qualifizierten Anfrage nach Sorten • Unterstützung durch öffentliche Stellen (zum Beispiel verpflichtende Nennung der angebauten Sorten bei EU-Förderung) • Aufbereitung des Saatguts nur zulässig bei Sortenkenntnis • Zahlungspflicht für Kleinlandwirte (die derzeit noch von den Nachbaugebühren ausgenommen sind) 1 • Einschränkung der nachbaufähigen Arten • Mengen- und flächenmäßige Begrenzung des Nachbaus • Volle Lizenzgebühr für Nachbau
Die Pläne zur Reform werden in einer Arbeitsgruppe der Europäischen Züchterverbände erarbeitet, wo nicht nur kleine und mittlere Züchter, sondern auch große Konzerne wie Monsanto und Co. mitmischen. Nach Auskunft einer Vertreterin der EU-Kommission sitzen Vertreter der Europäischen Bauernverbände (COPA) und der Europäischen Genossenschaften (COGECA) mit am Brüsseler Verhandlungstisch. Diese Verbände vertraten in der Vergangnenheit häufig die Interessen der Saatgutindustrie und der Pflanzenzüchter. In einem aktuellen Bericht des Gemeinschaftlichen Sortenamtes in Brüssel an die EU-Kommission finden sich die Vorstellungen wieder. Es wird zum Beispiel Handlungsbedarf zur notwendigen Verbesserung der Auskunftspflicht über Nachbau herausgearbeitet. Nach der aktuellen Planung soll die Reform 2013 abgeschlossen werden. Sollten die Vorschläge umgesetzt werden, bedeutet dies eine europaweite Aushöhlung der Errungenschaften der IG Nachbau.

Besuch in Brüssel

Die IG Nachbau ist im Oktober mit einer 10-köpfigen Delegation nach Brüssel gefahren, hat in Gesprächen mit EU-Abgeordneten diese „wachgeküsst“, weil sie bislang nichts von den konkreten Änderungsplänen mitbekommen haben. Wir haben die Abgeordneten aufgefordert, an die EU-Kommission Anfragen zu stellen, wie die Nachbauregelung in den EU-Ländern gehandhabt wird (in einigen Ländern gibt es gar keine Erhebung der Gebühren), welche Pläne die EU-Kommission hat, wie hoch die Einnahmen durch EU-Nachbaugebühren sind und vor allem, wofür sie verwendet werden. In einem Gespräch mit Frau Mannerkorpi, zuständige Beamtin der EU-Kommission für das EU-Sortenschutzrecht, wurde deutlich, dass dort die Züchterargumente für einen einfachen Gebühreneinzug schon auf offene Ohren gestoßen sind. Wir haben dagegen klar gemacht, dass wir politisch und rechtlich mit allen unseren Mitteln für das Recht auf freien Nachbau kämpfen werden. Wir haben deutlich gemacht, dass Saatgutzüchtung eine Aufgabe der Gesellschaft ist und deshalb ein Fonds eingerichtet werden sollte, in dem der Staat, die Züchter, Bauern und der Handel einzahlen sollen und dann demokratisch entschieden wird, für welche Züchtungsprojekte Geld ausgegeben wird.

Der Kampf um Saatgut geht weiter

Ich hatte auf dem Internationalen Saatgut-Treffen von Via Campesina Europa und Uniterre Ende Oktober 2011 in Genf die Gelegenheit, den Bauern-Delegationen von der Auseinandersetzung in Deutschland zu berichten. Wir waren uns einig darüber, dass die Erfahrungen aus Deutschland wichtig sind und dass wir gemeinsam auf europäischer Ebene durch Informationen und Aktionen für das Recht auf Nachbau streiten müssen. Die Bauern-Sprecher der IG Nachbau sind auch bereit, zu Veranstaltungen zu kommen, um über unsere Erfahrungen in Deutschland zu berichten. Machen wir uns nichts vor: Der Kampf geht weiter. Für das Recht auf freien Nachbau, für eine gentechnikfreie Landwirtschaft und gegen Patente auf Pflanzen und Tiere.

  • 1Wer als „Kleinlandwirt“ zählt, hängt von der angebauten Fruchtart und der Anbauregion ab. Im Kartoffelanbau dürfen maximal fünf Hektar bewirtschaftet werden; bei Getreide und Grobleguminosen muss der Gesamtbetrieb kleiner sein als der Schwellenwert, der im Rahmen der GAP-Reform festgelegt wurde. Er variiert je nach Region zwischen 16,4 und 24,7 Hektar.
Erschienen in
GID-Ausgabe
212
vom Juni 2012
Seite 16 - 17

Georg Janßen ist Geschäftsführer der IG Nachbau und der AbL in Deutschland. Informationen unter www.ig-nachbau.de.

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„Ein Problem von Lizenzgebühren ist die Quer-Finanzierung von Gentechnik. Wer sein Saatgut über Handelsfirmen bezieht, läuft Gefahr über seine Lizenzgebühren Gentechnik mit zu finanzieren. Die Gebühren gehen an die Züchter - in der Regel große Firmen, die zumindest im Getreide-Bereich auch Gentechnikforschung machen. Diese entscheiden dann, wofür das Geld eingesetzt wird - häufig ist das dann eben Züchtung neuer, gentechnisch veränderter Sorten. Derzeit nimmt das Interesse an unserer Arbeit zu. Immer mehr Bauern bemerken, dass durch Lizenzgebühren viel Geld unnötig vom Hof geht. Wenn jemand viel Getreideanbau macht, können 3.000 bis 5.000 Euro, teilweise sogar bis zu 10.000 Euro pro Jahr an Lizenzgebühren anfallen. Das sind dann schon Summen, die irgendwo zu Buche schlagen. Ganz wichtig finde ich es, dass wir neben der Pflanzen- auch die Tierzucht im Auge behalten. Denn es gibt bereits Bestrebungen, bei Rindern oder Schweinen in diese Richtung zu gehen und in Zukunft beispielsweise Lizenzgebühren für geborene Kälber zu verlangen. Ich denke die Bauern müssen hier wirklich sehr aufpassen, dass sie nicht insgesamt in diese Mühle reingeraten und zu Leibeigenen der großen Züchterfirmen werden.“
Anneliese Schmeh, Vorsitzende des AbL-Landesverbandes Baden-Württemberg
„Unter den 27 EU-Staaten gibt es nur einen Staat, in dem Bauern verklagt werden, und das ist Deutschland. In 17 Staaten gibt es überhaupt keine Nachbauregelung, da zahlt keiner was. Bei den Dänen ist es ähnlich wie bei uns, nur dass die Züchter die Bauern nicht verklagen. Die Saatgut-Treuhand tritt auf wie eine staatliche Organisation. Das ist aber eine private Firma, und warum soll ich als Bauer einer privaten Firma Auskunft geben? Der Gipfel der ganzen Sache ist eigentlich das, was wir jetzt im Frühjahr hatten. Bei mir sind 90 Prozent des Wintersaatguts verfroren. Jetzt stecken der Bauernverband und die Saatgut-Treuhand die Köpfe zusammen und sagen: ‚Man darf kein Konsumgetreide aussäen, das ist nach Saatgutverkehrsrecht verboten. Wir würden aber darüber hinwegsehen, wenn die Bauern ein Drittel der Lizenzgebühren bezahlen, und ein Drittel bezahlt der Händler.’ Das heißt sie verlangen insgesamt zwei Drittel der Lizenzgebühren, das ist mehr als die Nachbaugebühren! Ich sehe aber nicht ein, warum ich an die was bezahlen soll. Ein Verstoß gegen das Saatgutverkehrsgesetz muss von staatlichen Stellen geahndet werden und nicht von privaten Unternehmen. Da verlange ich von Frau Aigner, dass sie sagt: ‚Das war ein absoluter Notfall und wir verfolgen dies nicht weiter.’“
Klaus Buschmeier, Mitglied im Sprecherrat der IG Nachbau