Auf dem Holzweg

Warum gentechnisch veränderte Bäume Mensch und Natur gefährden

Der Wert von Bäumen für die Menschheit kann nicht überschätz werden, denn sie sind wichtiger Rohstofflieferant, Lebensraum und kulturelles Gut. Wissenschaftler*innen arbeiten mit Gentechnik, um sie an die menschliche Nutzung und Umweltbedingungen anzupassen, die sie zunehmend unter Druck setzen. Die bisherigen Ergebnisse sind jedoch bescheiden und die Kritik beständig.

Bäume aus der Luft fotografiert

Wald ist sehr viel mehr, als nur eine Vielzahl an Bäumen. Dieses noch wenig verstandene Netzwerk an Leben sollte nicht durch die Frei- setzung von gentechnisch veränderten Bäumen aus dem Gleichgewicht gebracht werden. Foto: gemeinfrei auf pexels.com

Die Wälder leiden. Bilder von abgestorbenen Fichten im Harz oder im Thüringer Wald sind durch die Medien gegangen und haben die Menschen berührt und verängstigt. Aber auch international sorgt man sich um die Wälder. Der Klimawandel beansprucht und stresst die Bäume überall auf dem Planeten: Sie werden anfälliger für Sturmschäden, Krankheiten und Schadinsekten. Sie müssen längere Trockenphasen, häufigere Brände und Überflutungen überstehen. Durch die Globalisierung tragen Menschen Organismen in Gebiete, in denen sie vorher nicht vorkamen, und manch eine Art entwickelt sich zu einem ernsten Problem für die heimischen Bäume, wie das Beispiel der Amerikanischen Kastanie zeigt. Dennoch sind die Abholzung und die Brandrodung durch den Menschen zur Gewinnung von Rohstoffen und Land immer noch die größte Herausforderung für den Wald. Seit 1990 hat die Erde 178 Millionen Hektar Wald verloren, was circa viermal der Fläche Deutschlands entspricht.1 Die mit Abstand größte Fläche wird in den Tropen abgebaut, aber auch die riesigen Nadelwälder der nördlichen Hemisphäre schrumpfen immer weiter. 

Gegen diese Zerstörung wirkt eine wachsende Aufmerksamkeit für die Wälder. Denn der Wald gewinnt an Wert für die Menschheit. Er hat eine steigende Relevanz bei der Speicherung von CO2, um den fortlaufenden Verlust von Biodiversität zu verhindern und für die steigende Nachfrage nach Holz.2 Als Alternative zu fossilen Brennstoffen und als nachhaltiger Baustoff spielen Holz und Cellulose eine wichtige Rolle. Nicht zu vergessen ist der immaterielle Wert von Bäumen und Wäldern als Luft- und Wasserfilter, Ort der Erholung und kulturelles Erbe.

Nicht alle sehen die Dinge als zusammenhängendes System

Einige Akteur*innen verweisen auf die Biotechnologien und den Nutzen, den gentechnisch veränderte (gv) Bäume für Wirtschaft und Ökosysteme haben könnten. Neu ist der Gedanke nicht. Schon 1988 wurden die ersten gv-Bäume in Belgien im Freiland getestet. Seither gab es hunderte von Feldversuchen weltweit: Unter anderem in den USA, Brasilien und China, aber auch in europäischen Ländern wie in Deutschland, Belgien oder Schweden. Dabei handelt es sich fast ausschließlich um Bäume mit industriellem Wert wie Pappeln, Eukalyptus und Kiefern oder Obstbäume. Trotz vieler Freilandversuche ist der kommerzielle Anbau von gv-Bäumen sehr überschaubar.3 Zum ersten Mal wurden 2001 in China großflächig gv-Pappeln kommerziell angebaut. Es folgten zwei gv-Papaya-Bäume, die auf Hawaii (USA) und in China kultiviert werden und ein gv-Apfelbaum, der in den USA und Kanada angebaut wird. Alle drei Obstbäume haben sich langfristig nicht auf den Märkten durchsetzen können. Gene Watch schreibt über die Diskrepanz zwischen Versuchen und kommerziellem Anbau von gv-Bäumen: „Die mangelnde Akzeptanz [von gv-Bäumen] ist ein Zeichen für potenzielle Probleme in ihrer Wirksamkeit und von Risiken, die eine weitere Entwicklung bisher behindert haben.“4

Im Frühjahr 2023 kam eine neue Meldung: Die New York Times berichtete von der Pflanzung von ca. 5.000 gv-Pappeln in den USA.5 Die Pappeln sollen durch den gentechnischen Eingriff eine effizientere Fotosynthese betreiben und damit laut der umsetzenden Firma Living Carbon deutlich schneller wachsen als andere Pappeln. Das Projekt wird von Teilen der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft kritisiert. Die Kritik ist vielfältig, die am weitesten geteilte: das ist alles viel zu schnell. Die Gewächshausversuche dauerten nur wenige Monate, die Ergebnisse wurden bisher nur im Preview veröffentlicht, es gab noch keinen Peer-Review-Prozess dazu und dennoch hat das Unternehmen in kürzester Zeit die Zulassung der Behörden bekommen6– ein Ergebnis der veränderten Regulation von gv-Organismen in den USA seit 2022. Dass die neue Regulierung in den USA es erlaubt, einen so wenig untersuchten gv-Baum so schnell zuzulassen, ist auch in Anbetracht eines anderen Projektes erschreckend. Seit 2020 liegt der Antrag zur Freisetzung einer Amerikanischen Kastanie, die gentechnisch manipuliert wurde, bei den US-Behörden. In 2023 wurde klar, dass den Mitarbeiter*innen des Projektes mehrere Fehler unterlaufen sind. Dennoch wurde der Antrag auf Freisetzung nicht zurückgezogen, er pausiert lediglich. Mehr dazu schreibt Judith Düesberg auf Seite 13.

Das Beispiel der Amerikanischen Kastanie ist ein besonderes, denn das Projekt zielt nicht auf die wirtschaftliche Verwertbarkeit des Baumes, sondern soll dem Erhalt der Art dienen. Naturschutz als Ziel von Gentechnik kommt immer mehr in Mode und erlebt mit den neuen Gentechniken einen enormen Aufschwung. In dem aktuell diskutierten Gesetzesentwurf zur Deregulierung dieser Techniken in der EU sind wild lebende Organismen explizit genannt und könnten damit aus der Regulierung fallen. Verschiedene Organisationen, wie auch das Bundesamt für Naturschutz, sind alarmiert und sprechen sich gegen eine laschere Regulierung von wild lebenden gv-Organismen aus.7 Neben nicht vorhersehbaren ökologischen Risiken spielt bei wild lebenden Organismen die Verbreitung eine zentrale Rolle. Wildlebende gv-Organismen werden entwickelt, um sich im Ökosystem zu verbreiten und durchzusetzen. Von ihrem Erscheinungsbild sind sie nicht als gv-Organismen erkennbar und eine Rückholung ist unmöglich. Am Beispiel der Amerikanischen Kastanie wird deutlich, dass diese Eigenschaften nicht nur für die Ökologie von Bedeutung sind, sondern auch für die Menschen, die im engen Kontakt mit der Natur leben. In dem Artikel von Maya L. Kapoor auf Seite 11 sprechen Neil Patterson Jr., Leiter des Centers for Native People and the Environment, und Bill Powell, Leiter des American Chestnut Research and Restoration Projects, über ihre jeweilige Perspektive auf die transgene Kastanie.

Auch im Interview mit Anne Petermann vom Global Justice Ecology Project und der Kampagne Stop GE Trees auf Seite 14 bleiben wir bei den Menschen, die durch einen möglichen Anbau von gv-Bäumen betroffen sind. Anne Petermann erzählt vom brasilianischen Cellulose- und Papier-Konzern Suzano, von grünen Wüsten aus Eukalyptus und dem Widerstand der betroffenen Communitys. 

Herbizidresistenz, wie sie die gv-Eukalyptusbäume von Suzano haben, ist eine der meist eingebauten Eigenschaften bei gv-Bäumen. Es wird außerdem an der Produktion von Insektiziden, an veränderten Holz- oder Entwicklungsmerkmalen sowie höheren Toleranzen gegenüber abiotischem Stress wie zum Beispiel Trockenheit gearbeitet. Einige dieser Eigenschaften haben das Potential, sich in ihren Wechselbeziehungen zu anderen Organismen negativ auf diese auswirken zu können. Franziska Koller und Michael Cieslak von der Fachstelle Gentechnik und Umwelt erläutern auf Seite 8 wie eine mit neuer Gentechnik veränderte Pappel, die früher blüht, sich in ihrer Entwicklung auf hiesige Ökosysteme und Pappelbestände auswirken könnte. 

Über Zusammenhänge und Beziehungen zwischen Organismen spricht auch Erwin Hussendörfer auf Seite 17. Er macht deutlich, dass Wald mehr ist als eine Ansammlung von Bäumen und verweist auf die genetische Vielfalt von Populationen, als wichtigsten Baustein für die Wälder der Zukunft. Denn diese müssen erhalten bleiben. Möge dieser Schwerpunkt einen Beitrag dazu leisten.

  • 1

    Statista (02.01.2024): Jährliche Nettoveränderung der globalen Waldfläche nach Jahrzehnt zwischen 1990 und 2020. Online: www.kurzlinks.de/gid271_dg [letzter Zugriff: 25.10.24]

  • 2

    MDR Wissen (03.04.24): Holzverbrauch Unser Hunger nach Holz entwaldet den Planeten. Online: www.kurzlinks.de/gid271_dh [letzter Zugriff: 25.10.24] 

  • 3

    Zwei weitere Bäume sind seit 2015 in den USA und in Brasilien zum Anbau zugelassen, werden aber nicht angebaut.

  • 4

    Gene Watch UK (2023): GM Trees. Can We? Should We? Online: www.kurzlinks.de/gid271_dj [letzter Zugriff:25.10.24]

  • 5

    Popkin, G. (16.02.23): For the First Time, Genetically Modified Trees Have Been Planted in a U.S. Forest. In: The New York Times, online: www.kurzlinks.de/gid271_dk [letzter Zugriff: 25.10.24]

  • 6

    Living Carbon Team (2022): Enhanced photosynthetic efficiency for increased carbon assimilation and woody biomass production in hybrid poplar INRA 717-1B4. In: biorxiv, Preprint, www.doi.org/10.1101/2022.02.16.480797

  • 7

    BfN (2024): For a science-based regulation of plants from new genetic techniques. Policy Briefs, online: www.kurzlinks.de/gid271_dl [letzter Zugriff: 25.10.24]

GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
271
vom November 2024
Seite 6 - 7

Judith Düesberg ist Ökologin und Mitarbeiterin des GeN.

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